Lärm macht nicht nur übellaunig, sondern auch krank. Vielleicht muss der Liebesakt deswegen per Gesetz leise stattfinden.
„Es ist absolut unmöglich, irgendwo in der Stadt zu schlafen. Der unaufhörliche Verkehr von Wagen in den Nachbarstraßen genügt, um Tote aufzuwecken.“ Was der römische Dichter Juvenil im Jahr 117 beklagte, ist heute aktueller denn je und gilt längst nicht nur für Großstädte, sondern auch für scheinbar verschlafene Dörfer, in denen der Verkehr auf Durchgangsstraßen die Anrainer zur Verzweiflung treibt.
Lärm kann Magengeschwüre und epileptische Anfälle auslösen
Die akustische Umweltverschmutzung hat viele Gesichter: Motorengeräusche von Rasenmähern, Flugzeugen, Motorrädern oder Autos, vorbeirauschende Züge, Presslufthämmer, Bagger und Kreissägen terrorisieren Ohr und Seele. Manchmal reicht schon ein keifender Nachbar oder das Läuten der Kirchenglocken, um ruhebedürftige Zeitgenossen in Rage zu bringen.
Sogar tropfende Wasserhähne sollen schon für Nervenzusammenbrüche gesorgt haben. Von echten Hähnen, die frühmorgens lauthals krähen, ganz zu schweigen – die private Hühnerhaltung im Garten kann für mächtig Zoff in der Nachbarschaft sorgen.
Dass Lärm krank macht, wussten schon die alten Römer, die in ihm die „Hauptursache unserer Kränklichkeit“ sahen. Lärm führt zu erhöhtem Blutdruck sowie zu Schlaf- und Konzentrationsstörungen. Er erhöht das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, schädigt das Innenohr bis zur Taubheit, vermindert das körperliche und geistige Leistungsvermögen und kann Magengeschwüre und epileptische Anfälle auslösen.
Lärm ist „das Geräusch der Anderen“
Ob ein Geräusch als Lärm empfunden wird, hängt längst nicht nur von seiner Lautstärke ab. Hohe Geräusche werden meist als lauter und unangenehmer empfunden als tiefe. Gleichmäßige Geräusche wirken weniger störend als unregelmäßige, und natürliche Geräusche sind leichter zu ertragen als künstliche.
Auch subjektive Gründe spielen eine große Rolle. Die persönliche Tagesverfassung, die Tageszeit, Vorlieben und Abneigungen sowie die Art der Tätigkeit, der wir gerade nachgehen – alle diese Faktoren nehmen Einfluss darauf, ob wir ein Geräusch als Lärm empfinden.
Eine einzelne Zikade etwa erreicht eine Lautstärke von 90 bis 110 Dezibel. Damit ist sie das lauteste Insekt überhaupt und rangiert irgendwo zwischen einem LKW und einem Presslufthammer. Trotzdem wird ihr Zirpen als weniger störend empfunden – erinnert es doch an Sommerurlaub in südfranzösischen Olivenhainen.
Das leise Summen einer Mücke hingegen – zehn Dezibel und damit knapp über der Hörgrenze – hat schon so manchem schlaflose Nächte bereitet. Hier spielt neben der Lautstärke auch die unangenehme Erwartungshaltung eine Rolle.
Und noch ein Faktor ist nicht zu unterschätzen: Die Sympathie für den Lärmverursacher. So herrscht auf dem eigenen Grillfest nie so viel Krach wie auf dem der anderen, und der Rasenmäher der besten Freundin ist bei weitem nicht so laut, wie der des ewig nörgelnden Nachbarn. Auch wenn es das gleiche Modell ist. „Lärm ist das Geräusch der Anderen“, fasste Kurt Tucholsky diesen Umstand lakonisch in Worte.
Gericht entscheidet: Sex ist kein normaler Mietgebrauch und darf nicht laut sein
Wer sich durch Grillfestterroristen, krakeelende Kinder, keifende Hunde und hämmernde Nachbarn empfindlich in seiner Ruhe gestört fühlt, kann sich auf die Lärmverordnung berufen. Diese regelt die Einhaltung von Ruhezeiten und schreibt etwa vor, dass Musikinstrumente von 13.00 bis 15.00 und von 22.00 bis 7.00 Uhr nicht gespielt werden dürfen.
Wenn gutes Zureden nicht hilft, finden sich Krachmacher und unfreiwillige Zuhörer oft genug vor dem Richtertisch wieder. Dabei fallen manchmal interessante Urteile. So entschieden etwa die Richter des Amtsgerichts Rendsburg, dass es bei der Liebe zwar heiß, aber nicht laut zugehen darf.
Weil der Geschlechtsverkehr nicht mehr dem „normalen Mietgebrauch“ zuzurechnen sei, untersagten sie einem Pärchen Freudenschreie beim Liebesakt – unter Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 Euro oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten.
Pech hatte auch der Besitzer einer Düsseldorfer Garage, deren Tor sich nur unter erheblicher Lärmentfaltung betätigen ließ. Ihm wurde die Benutzung zwischen 22.00 und 7.00 Uhr untersagt.
Wo Gerichtsurteile und Verordnungen nichts ausrichten, greift der ein oder andere zu kreativeren Lösungen. So auch der Philosoph Immanuel Kant, der sich durch das Krähen eines Hahnes so gestört fühlte, dass er das Tier kaufte und bei einem Festmahl mit Freunden verzehrte. Entgegen seiner Maxime des kategorischen Imperativs, nach dem das eigene Handeln stets als Vorbild für eine allgemeine Gesetzgebung gelten sollte, ist der Griff zur Selbstjustiz allerdings verboten.
Zikaden sind lauter als ein Rasenmäher: Einige Dezibel-Werte
Ein echter Virtuose in Sachen Lautstärke ist die Katze: Zufrieden schnurrt sie mit acht Dezibel vor sich hin. Bis sie der Hunger packt. Dann verlangt sie mit einem 80-Dezibel-Miauen forsch ihr Futter. Das liegt knapp über dem Wert, den ein Airbus A380 im Landeanflug erreicht. Und der Dezibel-Ausschlag eines verliebten Katers ist angeblich gar nicht mehr messbar …
- 0 — Hörschwelle
- 10 — Summen einer Mücke, Computer, Aufnahmestudio, Blätterrauschen
- 20 — Ticken einer Uhr bei Nacht in einem ruhigen Zimmer
- 25 — Atemgeräusch
- 30 — Flüstern
- 40 — Vogelgezwitscher, leises Radio
- 50 — Kühlschrank, Tagespegel im Wohnzimmer, leichter Regen
- 60 — Normales Gespräch, Froschgequake
- 70 — Dauerschallpegel an Hauptsraßen
- 75 — Genormte Mindestlautstärke einer Fahrradglocke
- 80 — PKW
- 85 — Rasenmäher
- 90 — LKW, Kirchenglocken, Oktoberfestzelt
- 100 — Zikaden, Kreissäge
- 120 — Wasserfall, Diskothek
- 130 — Lautes Händeklatschen, Trillerpfeife direkt am Ohr, Düsenflugzeug
- 160 — Gewehrschuss in Mündungsnähe, Airbag-Entfaltung in unmittelbarer Nähe
- 170 — Ohrfeige aufs Ohr, Spielzeugpistole direkt am Ohr
Und das ist bei Dauer-Lärmbelästigung zu befürchten
Ab vierzig Dezibel sind Lern- und Konzentrationsstörungen möglich. Bei dauernder Einwirkung von mehr als fünfundfünfzig Dezibel Nachtlärm, beziehungsweise fünfundsechzig Dezibel Taglärm steigt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen um zwanzig Prozent. Ab fünfundachtzig Dezibel besteht nach der Arbeitsstättenverordnung eine Gefährdung des Gehörs. Die Schmerzschwelle für das menschliche Gehör liegt bei einhundertzwanzig Dezibel. Hier sind Gehörschäden schon bei kurzer Einwirkung möglich. Ab einhundertsechtzig Dezibel kann das Trommelfell platzen, bei einhundertneunzig Dezibel kann es zu inneren Verletzungen kommen, die zum Tod führen können.
Tipp: Sie wollen wissen, wie laut der Nachbar wirklich feiert? Mit dem digitalen Schallpegelmessgerät von Tacklife können Sie die Lautstärke von Geräuschen prüfen. Sie wollen nicht messen, sondern trotz des Feierlärms ruhig schlafen? Dann helfen Ihnen vielleicht die Ohrstöpsel von Ohorpax.