Magische Pflan­zen: Toll­kir­sche, Stech­apfel und Bil­sen­kraut

Tollkirsche, Bilsenkraut und Stechapfel gehören zu den „Hexen­pflan­zen“. Die star­ken und hoch­gifti­gen Halluzinogene wur­den zeit­weise dem Bier zugesetzt.

Eine Salbe aus geheimnisvollen Inhalts­stof­fen, ein Trank aus obskuren Ingredienzen oder ein Sud mystischer Kräuter sollte Hexen unsichtbar machen oder zum Fliegen be­fähi­gen. Stech­ap­fel, Bilsen­kraut und Toll­kirsche waren – einzeln oder in Kombination – unverzichtbarer Bestand­teil dieser „Hexenrezepte“. Alle Pflanzen sind psy­cho­aktiv – ihre halluzinogene Wir­kung erklärt so manchen Mythos, der um sie entstand.

Stechapfel: Donnerkugeln und betörender Duft

Die Samenkapseln gaben dem Stechapfel seinen Namen.

Stechapfel ist eine einjährige und sehr schnell­wüchsige Pflanze. An guten Stand­orten kann er bis zu 120 Zentimeter hoch werden. Die auf­fäl­lig weißen Trichter­blüten mit den gedrehten Spitzen halten nur einen Tag, abends ver­strö­men sie einen süßlichen, betörenden Duft. Seinen Namen hat der Stechapfel von den stacheligen Früchten, die wie grüne Rosskastanien aussehen. Diese „Donner­ku­geln“ sollten vor Gewittern schützen. Der Stechapfel wird oft mit der Engels­trom­pe­te verwechselt, ist von dieser aber leicht zu unterscheiden: Die weißen Trichter­blü­ten des Stechapfels stehen aufrecht, die Blüten der Engelstrompete hängen.

Gefährliche Umgebung: In einem Slot Canyon in Utah wächst der hochgiftige Stechapfel – keine zwei Meter entfernt von einer weniger giftigen Klapperschlange …

Der Stechapfel gelangte erst im 16. Jahrhundert aus Mexiko nach Europa und wurde wegen seiner starken halluzinogenen Wirkung schnell eine beliebte Rauschdroge und ein in Verbrecherkreisen offenbar geschätztes Narkotikum: 1775 plünderten Zugräuber in Südfrankreich Reisende aus, denen sie vorher Stechapfelwein angeboten hatten, um sie zu betäuben. Ein Stechapfelrausch endet oft in einem Horrortrip, der mehrere Tage oder gar Wochen andauern und ausgewachsene Psychosen auslösen oder auch töd­lich sein kann. Dass die kräuterkundigen Frauen früherer Zeiten den Stechapfel trotz­dem erfolgreich zur Therapie von Asthma und Keuchhusten einsetzten, zeugt von ih­rer gu­ten Pflanzenkenntnis.

Tipp: Hexenpflanzen für den Garten
Sagenumwobene Nachtschattengewächse - Samen-Geschenkset mit 5 magischen Pflanzen Sagenumwobene Nachtschattengewächse - Samen-Geschenkset mit 5 magischen Pflanzen (Engelstrompete, Tollkirsche, Bergtabak, Glockenbilsenkraut und Schwarzes Bilsenkraut. Für den "dunklen" Teil des Kräutergartens.

Bilsenkraut: Mordinstrument und Bierzusatz

Auch das Bilsenkraut ist hochgiftig und war früher ein beliebtes Mordinstrument. Schon die Germanen sollen ihre Wurfspieße mit Bilsenkraut vergiftet haben. Auch Shakes­pea­re hat die Pflanze offenbar gekannt: Er lässt den Geist von Hamlets Vater er­schei­nen, der seine Vergiftung mit Bilsenkraut beklagt.

Schmutziggelbe Blüten: Hamlets Vater beklagt seine Vergiftung durch das unscheinbare Bilsenkraut.

Ebenso wie der Stechapfel löst die Pflanze mit den schmutziggelben, violett-geäderten Blüten heftige, lang andauernde Rauschzustände aus, die oft unangenehm verlaufen. „Ich hatte das Gefühl, zu verdursten und in dünne Scheibchen geschnitten zu werden“, erzählt einer, der es ausprobiert hat. „Zudem machte das Kraut aggressiv, mit einer unterschwelligen erotischen Komponente. Das war ziemlich schwer unter Kontrolle zu halten.“ Für den ansonsten ruhigen und zurückhaltenden jungen Mann eine verstörende Erfahrung, die er keinesfalls wiederholen möchte.

Was für ihn ein guter Grund ist, in Zukunft die Finger vom Bilsenkraut zu lassen, war für frühere Bierbrauer Grund genug, das Kraut ihrem Bier zuzusetzen. Es verstärkte nicht nur den Rausch, sondern trocknete auch die Schleimhäute aus. Je mehr Bilsenbier ei­ner trank, desto durstiger wurde er. Die aphrodisierende Wirkung stellte für viele ei­nen wei­teren Anreiz dar. Da das Kraut aber auch die Aggressionsbereitschaft stei­gert, wur­de sol­ches Bier in vielen Kneipen bald nur noch in vergitterten Aus­schän­ken aus­ge­geben.

Tollkirsche: Schöne Frauen und noch mehr Bier

Insgesamt waren die alten Bierbrauer wenig zimperlich, wenn es um den Zusatz von durst- und rauschfördernden Mitteln ging. Neben dem Bilsenkraut mischten sie auch Tollkirschensaft in ihr Bier. Erst das deutsche Reinheistgebot setzte dem ein Ende.

Die Tollkirsche ist eine der gefährlichsten heimischen Giftpflanzen, weil ihre schön glänzenden Beeren zum Verzehr einladen.

Die Tollkirsche ist eine der gefährlichsten heimischen Giftpflanzen, weil ihre blau-schwarz glänzenden Beeren gerade Kinder leicht dazu verleiten, sie zu essen. Die Früchte se­hen nicht nur schön aus, sie schmecken wohl auch recht gut. Doch schon drei bis fünf von ih­nen können für ein Kind tödlich sein.

Schon der botanische Name „Atropa belladonna“ verweist auf diese Giftigkeit. Er leitet sich von der griechischen Göttin Atropos ab. Diese schneidet den Lebensfaden durch. Der Namenszusatz „belladonna“, was so viel wie „schöne Frau“ bedeutet, geht auf den Gebrauch der Pflanze in der italienischen Rennaissance zurück: Weil er die Pupillen erweitert und damit die Augen größer und die Gesichter attraktiver wirken lässt, träu­fel­ten sich die Damen der gehobenen Gesellschaft verdünnten Tollkirschensaft in die Augen.

Hexenpflanzen sind auch Heilpflanzen

Neben der Alraune zählen Stechapfel, Bilsenkraut und Tollkirsche zu den klassischen Hexenpflanzen und waren unverzichtbarer Bestandteil jener Flugsalben, die Hexen angeblich zum Fliegen befähigten. In der Volksmedizin haben diese Hexenpflanzen heute keine Bedeutung mehr. Inhaltsstoffe der Pflanzen finden sich aber in Fertig­prä­paraten.

So wird aus der Tollkirsche Atropin gewonnen, das ein wichtiger Bestand­teil von Au­gen­tropfen ist. Das im Stechapfel und im Bilsenkraut enthaltene Hyos­cyami foli­um findet sich in Medikamenten gegen Husten, Asthma und die Parkin­son­sche Krank­heit. Als Belladonna (Tollkirsche), Hyoscyamus (Bilsenkraut) und Datura (Stechapfel) werden alle drei Pflanzen in der Homöopathie eingesetzt.

Die Engelstrompete (Brugmansia) wird oft mit dem Stechapfel (Datura) verwechselt. Die beiden Nachtschattengewächse sind sich recht ähnlich, aber leicht am Stand ihrer Blüten zu unterscheiden: Die Engelstrompete hat hängende Blüten, beim Stechapfel sind sie aufrecht.

Von der Verschreibung als Tees, Salben oder Räuchermitteln wird wegen ihrer Gif­tig­keit und der starken Nebenwirkungen auf die Psyche hingegen abgesehen. Die the­ra­peu­ti­sche Breite, der Abstand zwischen wirksamer und tödlicher Dosis, ist bei allen drei Pflanzen gering.

Je nach Standort und Erntezeitpunkt schwankt die Konzen­tra­tion der Giftstoffe zudem stark, oft nicht nur von Pflanze zu Pflanze, sondern auch inner­halb eines ein­zel­nen Exemplars. Das macht es unmög­lich, sie exakt zu dosieren. Fehl­ein­schät­zungen können zu Psychosen, schweren Schädigungen des zen­tra­len Nerven­sys­tems, Ge­dächt­nisstörungen, Atemlähmung und Tod führen. Von jeg­lichen Selbst­ver­suchen mit diesen „Hexenpflanzen“ ist daher dringend abzuraten.

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