Der Muff: Mo­de­ac­cces­soire für Kö­nige und Hen­ker

Eine äußerst muffige Geschichte von Kürschnern mit Muf­fen­sau­sen, einem muff­li­gen Papst und einem prominenten Mode­muffel.

Im Barock gab es zwei Sorten von Menschen: die mit Muff und die ohne. Oder, anders for­mu­liert: Reiche und Arme. Wer winters mit unge­schütz­ten Händen herumlief, hatte nicht nur kalte Fin­ger, sondern offensichtlich auch kein Geld und gehörte ganz klar zur Unterschicht. Eine um die Hände gewickelte Decke deutete auf einen einfachen Bürger hin.

Wohlhabende Bürger und Adelige hingegen trugen einen opulenten Muff aus Hermelinpelz oder Zobelfell, und das schon bald nicht nur bei winterlichen Spaziergängen. Immerhin galt es, das ganze Jahr über repräsentativ zu sein, drin­nen ebenso wie draußen. Der Muff hielt Ein­zug in die Salons der Oberschicht und war bei höfischen Gesellschaften ein un­ver­zicht­ba­res Asscessoire der eleganten (Abend)­­Gar­derobe. Dem vorherrschenden ba­rocken Ge­schmack entsprechend, musste er vor al­lem eines sein: groß.

Ringelsuse

Im 18. Jahrhundert durfte ein Muff nicht in eine Biertonne passen

„Die walzenförmigen Muffe, die man am Hofe Ludwig des XIV. trug, hatten außer den kleinen Händen der schönen Trägerin auch noch gewöhnlich dem Schoßhunde der Da­me ein Heim zu gewähren; sie waren häufig ganz gewaltig groß“, schreibt ein unbe­kann­ter Ver­fasser 1903 in „Kochschule und Ratgeber für Familie & Haushalt“. Fehl­te der Schoß­hund, konnte der Muff ihn auch ersetzen. Mit einem Muff in Hunde- oder Kat­zen­form war eine junge Dame zuverlässig gut gekleidet.

Der Muff verdient einen Platz im Kleiderschrank. Und nicht nur dort …

Für die großen und teilweise recht exzentrischen Muffe des 17. Jahrhunderts wurden riesige Mengen an wertvollen Fellen verarbeitet. Damals bestand das Sortiment man­ches Kürschners fast ausschließlich aus Muffen. Eine goldene Zeit für Fellhändler und Pelz­ma­cher, die mit dem Rokoko ein jähes Ende fand. Der Muff folgte dem zier­li­chen und ka­pri­zösen Geist der Rokoko-Mode, wurde aus Samt und Seide her­ge­stellt und ver­schwen­derisch mit Quasten, Bommeln und Schleifchen verziert. Die großen Pelz­un­ge­tüme ver­schwanden.

Die Kürschner sahen ihre Felle davonschwimmen und sollen damals eine Petition beim Papst eingereicht haben, damit dieser das Tragen von Stoffmuffen verbiete. Der schüt­tel­te mufflig den Kopf und verweigerte die Kooperation. Daraufhin hätten die Kürsch­ner die Hen­ker bestochen, bei jeder Hinrichtung einen Stoffmuff zu tragen, heißt es in der „Kochschule“. Das sei abschreckend genug gewesen, um die Damenwelt wie­der zum Pelz­muff zu bekehren und diesem zu einer neuen Blütezeit und zu neuer Größe zu ver­helfen. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts musste der Muff die Größe einer klei­nen Bier­ton­ne min­destens erreichen. Probehalber wurde er angeblich in eine sol­che ge­steckt; passte er mühelos hinein, war er für eine elegante Dame ungeeignet.

Barocke Herren jagten mit Muff

Auch die modebewussten Herren des Barock mochten es groß. Sie bevorzugten wuch­ti­ge Muffmodelle aus Leopardenfell mit riesigen Taschen und an dicken Ketten. Die­se Un­getüme trugen sie nicht nur bei Gesellschaften, sondern auch auf der Jagd. Das war chic und zugleich praktisch: Der Muff hielt die Finger warm, und zum Schießen mussten nicht immer die Handschuhe ausgezogen werden.

König Friedrich der Große ließ sich von diesem Argument nicht überzeugen. „Zu un­männ­lich“, soll der Modemuffel geurteilt haben, als ihm zum ersten Mal ein Muff in die Fin­ger kam. Abfällig habe er selbigen ins Kaminfeuer befördert. Ob er damit einen Trend setzte oder einem Trend folgte, ist unklar. Doch auch seine männlichen Zeit­ge­nos­sen gaben den Muff allmählich auf; die voluminöse Pelzrolle wurde zum ty­pi­schen Asscessoire der Damen.

Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurde der Muff wieder kleiner und geriet allmählich aus der Mode, bevor er zur Zeit des Directoire und Empire (1795 – 1815) zurückkehrte – noch größer als in der Vergangenheit. Dieses Mal hatte die ungeheuere Größe einen prak­tischen Hintergrund. „Die dünnen Chemisenkleider der à-la-grecque-Mode mach­ten einen großen Muff, der auch den Körper warmhielt, notwendig“, erklärt Mode­his­to­ri­ke­rin Prof. Dr. Ingrid Loschek. „Beliebt waren Muffs aus Bärenfell, Fuchs oder Ziege.“

Pelzstola und Fellmuff gehörten zur Ausstattung der feinen Damen

Auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts hieß die muffige Devise: „Hauptsache groß“. Der Mammut-Muff aus edlem, teurem Fell kam in Mode und wurde mit passender Pelzstola von den Damen der besseren Gesellschaft zur Schau getragen. Kleiner aber ebenso exklusiv waren die Affenfellmuffe der großen Diven in den 20-er Jahren. Beides waren reine Prestigeobjekte; der wärmende Zweck völlig in den Hintergrund geraten.

Die durchschnittliche Frau trug zu dieser Zeit kaum noch einen Muff. Mit dem Ein­kaufs­korb in der einen Hand und dem Kleinkind an der anderen, war die Pelzrolle für ar­bei­tende Frauen und Mütter nicht besonders praktisch.

Die Not der 50-er Jahre brachte den Muff noch einmal in seinem ursprünglichen Ver­wen­dungszweck zurück. Die Winter waren kalt, Wolle war knapp und warme Hand­schu­he wa­ren in der Nachkriegszeit schwer zu bekommen. Da besann man sich wieder auf den Muff. Mit Federn oder Schafwolle gefüllte Stoffrollen und Muffe aus Ka­nin­chen­fell wärm­ten nun nicht nur Frauen-, sondern besonders auch Kinderhände. Letzt­end­lich aber machte doch der Handschuh das Rennen und verdrängte den Muff.

Ganz unterkriegen lässt sich das gute alte Stück dennoch nicht. Gelegentlich sieht man wieder „Damen mit Muff“, die an alte Gemälde erinnern. Die neue Lust am alten Muff mag einen einfachen Grund haben: mit den Händen in einem Muff über den Weih­nachts­markt oder durch den Winterwald zu flanieren, ist ungeheuer beschaulich und ent­schleunigend.

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