Ein Steg ist keine Brücke – Der Mond­gar­ten­traum von Claudia Lampert

Wie sagt man glaubwürdig „Ich liebe dich“? Indem man es am besten gar nicht sagt. Und dann nach Jahren feststellt, dass es ganz einfach ist. Leseprobe und Rezension.

David und Johanna haben ein Problem. Nun gut – sie haben mehr als eins. Aber dieses hier ist das größte und schwierigste: Wie sagt man dem anderen, dass man ihn liebt?

Leseprobe: „Ich liebe dich“

Der Mondgartentraum, gebunden, 138 Seiten.

„Ich liebe dich“. Johanna drehte die Worte in ih­rem Kopf hin und her. Sie klangen abgedro­schen und kitschig. Literarisch über­stra­pa­ziert. „Ich hab dich lieb“, versuchte sie es. Bes­ser, aber es war leider etwas ganz ande­res. „Du bist mir das Liebste auf der Welt“. Noch kitschiger. „Ich liebe dich mehr als alles ande­re.“ Nein, der Zusatz behob das Problem überhaupt nicht. Im Ge­genteil. Also doch „Ich liebe dich.“ Eine schlich­te Feststellung, gelas­sen und mit ru­hi­gem Blick ausgesprochen, so dass David es glau­ben konnte. Vielleicht ging es doch.

Johanna seufzte. Nein, es ging ganz und gar nicht. „Ich liebe dich“ – auf Hochdeutsch klang es aufgesetzt und fremd. Regelrecht theatralisch und ausgesprochen gestelzt. Und im Dialekt? „I liab di“, sagte sie laut, um den Klang auszuprobieren. Um Gottes Wil­len, das war ja noch schlimmer als erwartet! Lieber hätte sie sich die Zunge abge­bis­sen. Sie seufzte noch einmal und griff nach ihrem Buch. „Ich liebe dich“ kam de­fi­ni­tiv nicht in Frage.

***

„Ich liebe dich kam definitiv nicht in Frage.“

„Wie war dein Tag?“, fragte Johanna ihn jedes Mal, wenn er von der Arbeit im Kran­ken­haus nachhause kam. „Ich liebe dich“, dachte sie insgeheim. „Mein Tag beginnt erst jetzt“, gab er jedes Mal zur Antwort, dachte dasselbe, war mit seinen Worten aber ei­ne Spur näher dran. Jedes Mal entstand eine winzige Pause, in der ihre Augen sie ver­rie­ten. Ein scheues Lächeln auf beiden Seiten, und sie redeten über andere Dinge.

Der kurze Dialog, immer gleich, war Frage und Rückversicherung, Geständnis und Be­stä­ti­gung zugleich. Ein Ritual. Magie, die ihre Nahrung in der Wiederholung fand und das Band nach der kurzen Trennung des Tages aufs Neue wieder anknüpfte.

Der Mondgartentraum (Gebundenes Buch)

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Die Macht der Worte – und die Macht der Lücken dazwischen

David und Johanna lernen sich nach einem Unfall im Krankenhaus kennen. Eine schwer fassbare Faszination verbindet die beiden vom ersten Moment. Nach Johannas Entlassung führt ein Zufall sie wieder zusammen, unter Umständen, in denen ein Zusammenleben erzwungen, aber ein gemeinsames Leben dennoch nicht möglich ist.

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Der Mondgartentraum ist auch als E-Book erhältlich.

Die Liebe zwischen ihnen bleibt unausgesprochen – und äußert sich zugleich in jeder Geste und jedem Wort. Mit der Magie von Worten und den Lücken zwischen den Worten schaffen sich die beiden, die kaum unterschiedlicher sein könnten, eine eigene Welt, die jäh zerbricht und Johanna verstummen lässt.

Ihre Wege kreuzen sich erneut – in einem psychiatrischen Krankenhaus. Nach zwölf Jahren bricht Johanna ihr Schweigen und konfrontiert David, ihren Psychiater, mit dieser Liebe, der er sich nie gewachsen fühlte, und vor der er einst geflohen ist. Und so muss er sich nicht nur mit seinen alten Ängsten, Hoffnungen und Unzulänglichkeiten auseinandersetzen, sondern auch mit einer zynisch gewordenen Johanna, die auf eine sehr persönliche Art mit ihm und der Angst vor der großen Liebe abrechnet.

Auf zwei geschickt verknüpften Zeitebenen entwickelt sich eine  Geschichte über Liebe, Verlust und Verrat. Eine Auseinandersetzung mit der Faszination des Fremdartigen. Eine Abrechnung mit der Unmöglichkeit der großen Liebe. Und der Versuch, in Worte zu fassen, was eigentlich nicht fassbar ist.

Rezension anlässlich der Lesung im Literaturcafé Tübingen

„Sie fühlen sich wie durch einen Zauber zueinander hingezogen: David und Johanna. Doch die Liebe zwischen ihnen scheitert an ihrer Unaussprechlichkeit. Wie die wenig attraktive, schwerbrüstige und dem Sex nicht gerade verfallene Johanna diesen David verzaubert, das ist auf diesen im Grunde tieftraurigen Seiten mit viel Liebe und Sehn­sucht erzählt, selbst wie ein Traum, ein verträumtes Sichfinden in Nächten, ein nacht­mah­ri­sches Sichverlieren am Tag, im Beruf und zwischen all den andern Men­schen, die nichts wis­sen oder, wenn sie ahnen, Unbehagen empfinden.

Mit Buch und Autor ist es wie mit alten Ehepaaren: Man wird sich immer ähnlicher … (Foto: Angelika Hleftschar und Eva Schleker)

Was sie teilen, die intuitiv verstandene Sprache ihrer Symbole – es ist voll, es trägt im Augenblick und schafft Zeitlosigkeit, aber darüber hinaus, in den Alltag und in ein ge­mein­sames Leben ist dieser Steg keine Brücke. Eine Liebe, die – gewürzt mit Miss­ver­ständnissen, kleinen Rachen und billigem Verrat – in eine Dekade der Sprach­lo­sig­keit mündet.

Das ist nicht einfach ’nur‘ ein Liebesroman, sondern die prä­zi­se, mit aller Sorg­falt er­zählte Geschichte von zweien, die wis­sen, wie sehr sie füreinander be­stimmt sind, und doch nicht wis­sen, wie sie dazu stehen sollen. Claudia Lampert weiß, wo die große Lie­be beginnt – auf der Unfallstation. Sie weiß auch, wo sie endet – in der Psychiatrie. Je­de/r sollte das wissen. Wissen sollte man aber auch, dass die eigentliche Ge­schich­te, ‚the real stuff‘, sich zwischen Anfang und Ende, zwischen der Reparatur­an­stalt für den Körper und der für die Seele, abspielt, und wie die Autorin ihre bei­den Haupt­fi­gu­ren und einige mehr um eine ungewöhnliche Anziehungskraft kreisen lässt, muss man gelesen, aber besser vorher noch gehört haben.“

Rezension von Michael Raffel, anlässlich der Lesung im Literaturcafé Tübingen.

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