Phäno­logischer Kalender: Pflanzen zeigen, wann der Sommer kommt

Die zehn Jahreszeiten des phänologischen Kalenders werden von Zeigerpflanzen eingeläutet. Das ist besonders für Garten­freunde und Landwirte interessant.

Die vier Jahreszeiten kennt jeder, nur die Natur offenbar nicht. Oft genug schert sie sich über­haupt nicht darum, überrascht uns im Früh­som­mer mit Frost und beschert uns an Weih­nach­ten mit einem Föhneinbruch zwanzig Grad. Auch Tiere und Pflanzen halten sich nur bedingt an unseren Kalender und orientieren sich statt­dessen an Temperaturen und Umgebungs­licht.

Tipp: Bauernregeln und Lostage
Bauernregeln & Lostage Aus der Beobachtung natürlicher Erscheinungen entstanden Bauernregeln und Sprichwörter: "Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer", "wenn die Esche blüht, gibt es keinen Frost mehr", und "wenn die Bienen ihre Stöcke früh verkitten, kommt bald ein strenger Winter".
Auch wenn manches davon abergläubisch klingen mag, so steckt doch in vielem mehr als ein Funken Wahrheit, denn Bauernregeln entstanden auf der Basis jahrelanger, genauer Natur-beobachtung. Viele dieser Bauernregeln sind an "Lostage" geknüpft – Tage, die erfahrungsgemäß eine stabile Wetterlage bringen.
In unserem Libellius-Magazin finden Sie die wichtigsten Lostage für das ganze Jahr, kurze Biographien der Heiligen, welche den Lostagen ihren Namen geben, und eine Auswahl von Bauernregeln.

Der phänologische Kalender teilt das Jahr in zehn Jahreszeiten

Apfelbaumblüte im Vollfrühling.

Aus der Beobachtung natürlicher Er­schei­nun­gen ent­stan­den viele Bauernregeln und Sprich­wörter: Eine Schwalbe macht noch keinen Som­mer, wenn die Esche blüht gibt es keinen Frost mehr, wenn die Bienen ihre Stöcke früh verkitten und die Birnen fest an den Stie­len sitzen, kommt bald ein strenger Winter. Auch wenn manches davon aber­gläu­bisch klingen mag; so steckt doch in vielem ein Funken Wahrheit.

Aus der Naturbeobachtung prägten Bauern, Gärtner und Wissenschaftler im 18. Jahr­hundert den phänologischen Kalender. Die Phänologie ist das „Studium der im Jah­res­verlauf periodisch wiederkehrenden Entwicklungsformen in der Natur“; der phä­no­lo­gi­sche Kalender unterteilt das Jahr in zehn „physiologisch-biologisch be­grün­de­te Jah­res­zeiten und orientiert sich an charakteristischen Entwicklungsstadien ty­pi­scher mit­tel­europäischer Pflanzen (phänologische Zeigerpflanzen)“.

Der Klatschmohn läutet den Sommer ein

Der Klatschmohn ist eine Zeigerpflanze für den Frühsommer.

Ein Bauer des 18. Jahrhunderts hätte es weniger gespreizt erklärt. Er hätte einfach ge­sagt: „Der Sommer beginnt, wenn die Süßkirschen reif sind und der Klatschmohn in vol­ler Blüte steht“. Das mag zwar wenig exakt klingen, ist im Endeffekt aber zuver­läs­siger als ein Datum. Denn je nach Region und Witterung beginnen der Sommer oder der Frühling nun mal immer an einem etwas anderen Termin. Witterungsbedingt gibt es häufig sogar starke „Ausreißer“ nach vorne oder hinten.

Für den Landwirt war die Beobachtung von Blüte- und Reifezeiten von großem Wert, denn so wusste er, wann er welche Arbeiten beginnen oder erledigen konnte.

Voll- und Spätherbst: Wenn die Rosskastanien Blätter und Früchte verlieren, ist es Zeit für die Kartoffelernte.

Zum Bei­spiel tat er gut daran, seine Kartoffeln nicht stur am 21. März einzugraben, sondern wäh­rend der Kirschblüte. Ernten konnte er sie dann, wenn die Rosskastanien, Eicheln und Buch­eckern reif waren.

Auf diese Weise wurde das Jahr in zehn Abschnitte aufgeteilt: Frühling, Sommer und Herbst bekamen jeweils drei Unterteilungen; einzig der Winter blieb als Zeit der Ve­ge­ta­tionsruhe „am Stück“. Hier eine Auswahl typischer Zeigerpflanzen

Die zehn Jahreszeiten und ihre phänotypischen Zeigerpflanzen

  • Vorfrühling: Haselnuss-, Märzenbecher- oder Schneeglöckchenblüte; Ende mit der Blüte der Salweide.

    Der Löwenzahn blüht bereits im Erstfrühling.
  • Erstfrühling: Beginn mit der Forsythienblüte und der Blattentfaltung der Stachel­bee­re. Auch Süßkirsche, Pflaume, Birne, Schlehe, Buschwindröschen und Lö­wen­zahn blühen im Erstfrühling; Birke und Rosskastanie entwickeln ihr Laub. Der Erst­frühling endet mit der Laubentfaltung von Rotbuche, Linde und Ahorn.
  • Vollfrühling: Flieder-, Rosskastanien-, Himbeer- und Apfelblüte; Laubentfaltung an Eiche und Hainbuche.
  • Frühsommer: Beginn mit der Holunder-, Roggen- und Robinienblüte. Blüte­hö­he­punkt der Wiesen und Getreidefelder, Klatschmohn und Hundsrose blü­hen. Die Süßkirschen sind reif. Am Ende des Frühsommers wird die erste Heu­mahd ein­ge­fahren, und Allergikern droht der erste Heuschnupfen.
  • Hochsommer: Linden-, Sonnenblumen- und Kartoffelblüte; Reife von Stachel­bee­ren, Sauerkirschen, Johannisbeeren und Winterroggen.

    Die Sonnenblume blüht phänologisch im Hochsommer.
  • Spätsommer: Die Heide blüht, frühe Obstsorten (Frühäpfel) und die Eberesche tragen reife Früchte, das Getreide kann geerntet und die Wiesen zum zweiten Mal gemäht werden.
  • Frühherbst: Herbstzeitlosenblüte; Reife von Schwarzem Holunder, sowie Höhe­punkt der Obst­ernte (Birnen, Zwetschgen, Apfel, etc.)
  • Vollherbst: Reife von Eicheln, Bucheckern und Rosskastanien; Blattfärbung von Kastanie, Süßkrische und Buche. Zeit für die Kartoffelernte.
  • Spätherbst: Zeit des allgemeinen Laubabfalls; die Lärche verliert ihre Nadeln, die Vegetation ruht.
  • Winter: Zeit zwischen dem Ende der Vegetationszeit und der Haselblüte. Win­ter­beginn mit dem Auflaufen des Winterweizens.

Der phänologische Kalender ist auch heute noch interessant

Der Frühherbst ist die Zeit der Apfelernte.

Für Landwirte ist der phänologische Kalender auch heute noch von Wert, und auch Gar­tenfreunde fahren gut, wenn sie bei der Aussaat von Pflanzen nicht nur die Rück­seite des Samenpäckchens studieren, sondern auch einen Blick in die Natur wer­fen.

Wer sich bei der Interpretation der Naturphänomene unsicher ist, findet Hilfe im Ratgeber „Hoch das Beet! – Der Hochbeet-Jahresplaner. Gewusst wann – Gärtnern nach dem phänologischen Kalender“ von Folko Kullmann.

Da es zu einigen Naturphänomenen wie etwa der Apfelblüte sehr lange zu­rück­rei­chen­de Auf­zeichnungen gibt, ist die Phänologie auch für Metereologen und Klima­for­scher in­te­res­sant, denn sie lässt Rückschlüsse und Ausblicke auf die Klima­entwicklung zu. So lässt sich damit etwa zeigen, dass sich der Frühlingsbeginn trotz Unregelmäßigkei­ten ten­dentiell nach vorne verschiebt. Nach einem ähnlichen Prinzip wie der phäno­lo­gische Ka­len­der funktioniert die Vogeluhr, mit der sich anhand verschiedener Vogel­stim­men die Uhrzeit bestimmen lässt.

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