Der Gartenzwerg gilt als „typisch deutsch“ und ist weltweit beliebt. Ausgerechnet in Deutschland wurde der Zipfelmützenträger mehrmals verboten.
Egal, wie hart die Zeiten auch sein mögen, Gartenzwerge sind immer gut gelaunt. Das ist doch sehr verdächtig, fanden die Nationalsozialisten. Überhaupt war ihnen der lächelnde Wicht ausgesprochen suspekt. Seine selbstgenügsame Kleinheit war unvereinbar mit dem Bild einer Herrenrasse, der subversive Spießbürger wurde ungefragt zum Antifaschisten und kurzerhand verboten. Gut gelaunt wartete er auf bessere Zeiten.
Sie kamen mit den Nachkriegsjahren. Der Zwerg erfreute sich einer nie gekannten Beliebtheit. Er erfüllte das Bedürfnis nach einer heilen Welt und war aus Schrebergärten nicht mehr wegzudenken. Zumindest in der Bundesrepublik. In der DDR wurde er erneut misstrauisch beäugt und als „zu spießig“ zum zweiten Mal verboten. Der Antifaschist wider Willen wurde, trotz roter Zipfelmütze, zum Anti-Kommunisten wider Willen und durfte nur noch für den Export hergestellt werden.
Die ersten Gartenzwerge waren grimmige Gesellen
Dabei ist der Original-Gartenzwerg ein klassenbewusster Arbeiter, und auch seine Wurzeln liegen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. In den Gräfenrodaer Terrakotta-Manufakturen von Philipp Griebel und August Heissner wurde er um 1870 zum ersten Mal hergestellt.
Sein Aussehen erinnerte an die Thüringer Bergleute, mit Spitzhacke und Schubkarre, Lederschürze und Grubenlaterne. Spuren harter Arbeit waren dem ursprünglichen Zwerg deutlich anzusehen. Wettergegerbte, grimmige Gesichter, Narben und Warzen waren durchaus üblich.
Heute sind rosige Wangen, glatte Haut, ein leuchtend weißer Bart und ein verträumtes Lächeln typisch für die Bewohner der Vorgartenwelt. Was für die einen längst die Kitschikone biederer Schrebergartengemütlichkeit geworden ist, ist für wahre Gartenzwergfreunde der Inbegriff selbstgenügsamer Zufriedenheit.
Botschafter deutscher Lebensart: Gartenzwerge boomen weltweit
Geschätzte siebenundzwanzig bis dreißig Millionen Gartenzwerge gibt es in Deutschland, jährlich kommen ein paar Hunderttausend dazu, etwa alle sechs Minuten wechselt einer über das Internet seinen Besitzer.
Und obwohl ihm Kritiker Nutzlosigkeit und fehlende Originalität vorwerfen, scheint auch sein weltweiter Aufstieg unaufhaltsam: der Exportanteil ist in den letzten Jahren auf dreißig Prozent gestiegen, Frankreich, Großbritannien und die USA gehören zu den Abnehmern. Selbst am Nordpol und in den Gärten der Scheichs von Dubai wurde die „Statue des kleinen Mannes“ schon gesichtet.
Fast scheint es, als sei der Gartenzwerg ein Botschafter für deutsche Lebensart geworden. Bei Ausländern gilt er als „typisch deutsch“ und rangiert in der Beliebtheitsskala direkt neben der Kuckucksuhr.
Besonders in Österreich und der Schweiz erfreut sich der Zwerg zunehmender Beliebtheit und vermehrt sich gebietsweise stärker als seine Besitzer.
Immer häufiger wird der gute alte Gartenzwerg mit Rauschebart allerdings von einem provokanten Modell abgelöst. Diese Gift- und „Antizwerge“ tragen Lack und Leder, pinkeln Besuchern per Bewegungsmelder ans Bein, entwickeln mörderische Tendenzen gegenüber Artgenossen, sind exhibitionistisch veranlagt und lösen verbissene Nachbarschaftskriege aus. Wie diese enden? Genau. Mit einem Verbot des aufrührlerischen Gartenzwergs. Aber das kostet ihn allenfalls ein Lächeln. Schließlich ist er es gewohnt.