Reittherapeut – ein Traumberuf? Berufsbild und An­for­de­rungen

Mit Pferden und Menschen arbeiten ist für viele ein Traum. Der Reittherapeut tut bei­des. Für Träumer ist der abwechslungsreiche Beruf aber nicht geeignet.

Der Reitthera­peut be­glei­tet, beobachtet und „über­setzt“ die Reaktionen des Pferdes.

Neu ist sie nicht, die Idee, Tiere als Co-The­ra­peu­ten bei der Behandlung von psychischen Erkrankungen, Depressio­nen, psy­cho­so­matischen Störungen oder Sucht­er­kran­kungen einzusetzen. Auch bei körperlichen, geistigen und sozialen Defiziten wird die tiergestützte Therapie eingesetzt. Viele Alters- und Be­­hin­der­ten­heime machen seit langem gute Er­fah­run­gen mit dem therapeutischen Einsatz von Tie­ren – vom Huhn bis zum Al­pa­ka.

Sor­ge und Pfle­ge zu übernehmen, Ver­ant­­wor­tung zu tra­gen, ungefragt Zu­nei­gung ge­schenkt zu be­kom­men – das sind wich­ti­ge Aspek­te im täg­lichen Umgang mit Tie­ren. Un­ter den vielen tier­ge­stütz­ten Thera­pien hat die Reit­thera­pie eine Sonder­stel­lung. Schließlich lässt sich ein Pferd nicht nur pflegen, sondern auch reiten. Im wahrs­ten Sinn des Wortes kann man sich „tra­gen las­sen“.

Hippotherapie, Behindertenreiten und heilpädagogisches Reiten: Formen der Reittherapie

Das therapeutische Reiten gliedert sich in unterschiedliche Bereiche. Die drei häufigsten sind die Hippotherapie, das heilpädagogische Reiten und Voltigieren und das Reiten als Sport für Menschen mit Behinderung.

  • Die Hippotherapie ist als eine Art Krankengymnastik zu Pferd zu verstehen. Die ständigen Bewegungsimpulse des Pferdes übertragen sich auf den Reiter und stimulieren verschiedene Muskelgruppen und Nerven. Diese Art der Reittherapie eignet sich für Körperbehinderte, Rehabilitationspatienten und Menschen mit neu­ro­lo­gischen Störungen. Der Reittherapeut wird dabei von einem Kran­ken­gym­nas­ten be­gleitet und unterstützt.
  • Das Behindertenreiten ist das sportlich orientierte Reiten für Menschen mit kör­per­lichen oder geistigen Behinderungen. Als Hobby ausgeübt trainiert das Rei­ten die Fit­ness und erleichtert die soziale Kontaktaufnahme mit Gleichgesinn­ten. In spe­ziel­len Wettkämpfen können auch Menschen mit schweren Ein­schrän­kun­gen ihr Können messen. Der Reittherapeut hilft ihnen bei Aus­bil­dung und Trai­ning.
  • Das heilpädagogische Reiten und Arbeiten mit dem Pferd zielt meist auf Men­schen mit psychischen und psychosozialen Problemen ab. Depressionen, Kon­zen­trationsstörungen, Verhaltensauffälligkeiten, die Unfähigkeit, Bindungen zu­zu­las­sen, oder eine eingeschränkte Selbst- und Fremdwahrnehmung sind nur eini­ge da­von. Das Pferd, mit seinem unvoreingenommenen und einschätzbaren We­sen, re­flek­tiert das eigene Verhalten – der Reittherapeut dient dabei als „Über­set­zer“.

Das therapeutische Reiten ist eine ganzheitliche Behandlung, die Körper, Geist und See­le anspricht. Die Kontaktaufnahme mit einem anderen Lebewesen wird geübt, das Be­wusst­sein für eigene und fremde Grenzen geschult, Selbstbewusstsein und Kör­per­wahr­neh­mung können verbessert und die Beobachtungsgabe verfeinert werden. Das schenkt neue Le­bens­freude, fördert die Persönlichkeitsentwicklung und hilft, Selbst- und Fremd­vertrauen aufzubauen. Irgendwann mittels feinster Signale mit einem Wesen zu kom­mu­ni­zie­ren, das we­sent­lich größer und stärker ist, ist für viele Patienten ein Aha- Erlebnis, das sie bis zu einem gewissen Grad in den zwischenmenschlichen Be­reich mitnehmen können.

Der Weg zum Reittherapeuten: wer bildet aus?

Jeder der mit Pferden und Menschen arbeitet, darf sich als Reittherapeut bezeichnen, aber lange nicht jeder ist einer. „Reittherapeut“ ist in Deutschland keine geschützte Be­rufs­bezeichnung. Um diesem Missstand entgegenzuwirken, hat sich ein inter­na­tio­naler Dach­verband, das Forum der Ausbildungsträger einer Therapie mit Pferd (FATP), or­ga­nisiert. Aufgabe des FATP ist „die übereinstimmende Definition von In­hal­ten der Zu­satz­qualifikation als Maßnahmen der pädagogischen und psycho­so­zia­len Re­ha­bi­li­ta­tion und Entwicklungsförderung mit dem Pferd“. Was ge­spreizt klingt, ist der Ver­such, ein­heitliche Richtlinien für Reittherapeuten zu schaffen.

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In Deutschland ist neben dem Kuratorium für therapeutisches Reiten (DKThR) auch der Förderkreis für therapeutisches Reiten e. V. vom FATP anerkannt. Beide bieten eine Zusatzausbildung zum Reittherapeuten an, die sich in Ablauf und Dauer leicht un­terscheiden. Gemeinsam ist ihnen aber, dass sie auf zwei Pfeilern aufbauen: einer fun­dier­ten reiterlichen Ausbildung einerseits (meist mindestens Trainer C) und einer pä­da­go­gisch/psychologischen Qualifikation andrerseits.

Neben Ausbildungsseminaren für Pädagogen und Psychologen werden auch Wei­ter­bil­dungskurse für Physio- und Ergotherapeuten angeboten. Genaue Aus­bil­dungs- und Prüfungsrichtlinien stellen sowohl der Förderkreis für therapeutisches Rei­ten e. V. wie auch das Deutsche Kuratorium für therapeutisches Reiten zur Ver­fü­gung.

Persönliche Eigenschaften, über die Reittherapeuten verfügen sollten

Wer sich zum Reittherapeuten ausbilden lässt, muss damit rechnen, dass ein hoher per­sönlicher, zeitlicher und finanzieller Aufwand auf ihn zukommt. Ob es sich „lohnt“, muss jeder für sich selbst entscheiden. Wie bei den meisten Traumberufen rund ums Pferd, wird man auch als Reittherapeut in den seltensten Fällen Reichtümer anhäufen, ob­wohl The­rapieeinheiten im Durchschnitt besser bezahlt werden als Reitstunden.

Sehen, hören, spüren – Reittherapie ist eine ganzheitliche Behandlung.

So vielseitig die Einsatzmöglichkeiten des Pferdes in der Therapie sind, so vielseitig ist auch die Arbeit des Reittherapeuten. Neben dem nötigen reiterlichen und psycho­lo­gi­schen Know-how sind Belastbarkeit und ein wendiger Geist dabei un­ver­zicht­bar. Ob­wohl sich fast jeder Reittherapeut früher oder später auf einen der drei Be­rei­che spe­zia­lisiert, wird er immer wieder mit neuen Situationen konfrontiert, die es schnell ein­zu­schätzen gilt. Er muss auch in Krisensituationen den Überblick bewahren und darf sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen lassen.

Einem angehenden Reittherapeuten muss auch klar sein, dass er kein schnelles All­heil­mittel für jede Art von körperlichen, sozialen oder psychischen Defiziten zur Hand hat. Fort­schritte geschehen meist schleichend und in winzigen Schritten – damit um­zu­ge­hen erfordert Geduld und eine hohe Frustrationstoleranz.

Oft ist die Arbeit eine Grat­wan­de­rung. Die therapeutische Distanz zu wahren und trotzdem mit menschlicher Wär­me und Wert­schätzung auf den Patienten zuzugehen, kompetentes Pferdewissen zu ver­mit­teln ohne einen Anfänger damit zu überfordern, einen geschützten Rahmen für ängst­liche Patienten zu schaffen ohne ihnen die Möglichkeit der Selbsterfahrung zu neh­men, an leidvollen Lebensgeschichten Anteil zu nehmen ohne seine eigene psy­chi­sche Kons­ti­tution dabei zu ruinieren – all diese Dinge machen einen guten Reit­thera­peuten aus.

Wem dieser Brückenschlag gelingt, wer zudem bereit ist, auch bei der Pferde­ver­sor­gung und -ausbildung mit anzupacken, an Besprechungen und Supervisio­nen teil­zu­neh­men und Therapieberichte zu verfassen, der hat in der Reit­thera­pie sei­nen Traum­be­ruf gefunden, der an Vielseitigkeit und Abwechslungsreich­tum sei­nes­gleichen sucht. Alle anderen sollten den Traum über­denken.

Als weiterführende Lektüre empfehlen wir „Therapieren mit Pferden: Heilpädagogisches Reiten – Hippotherapie – Psychiatrie“ von Wipke C. Hartje und „Hautnah: Wie Pferde verletzte Seelen heilen“ von Ute Wilhelms.

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