Spinnen: raffinierte Jägerinnen mit Stolperschnur und Netz

Nicht jede Spinne spinnt ein Netz. Manche Arten setzen auf Falltüren, andere jagen unter Wasser oder verwenden Kescher.

Spinnenseide ist dehnbarer als Gummi und fester als Stahl. Als Biomaterial der Zukunft soll Spinnenseide Nervenzellen ersetzen und als leichtes, reißfestes Material in der Raumfahrttechnologie Anwendung finden. Die synthetische Herstellung ist schwierig – Spinnen erschaffen das „Wundermaterial“ ganz beiläufig: Um damit Beute zu machen. Seit Spinnen mit ihren Netzen den Luftraum er­oberten, ist es vorbei mit der Flugsicherheit he­rum­schwirrender Inskten. Im evolutionären Wett­rüs­ten zwischen Jäger und Gejagten ver­schaff­te das Radnetz den Achtbeinern einen enor­men Vorteil.

Mehr als ein Jagdgerät: das Netz liefert Informationen

Die Haare an den Beinen der Spinne reagieren auf kleinste Vibrationen und liefern ihr detaillierte Informationen über alles, was in ihrem Umkreis vorgeht.

Über die raffinierte Fanganlage sind Spinnen perfekt mit ihrer Umwelt vernetzt. Mühelos er­kennt eine Radnetzspinne noch kleinste Vi­bra­tionen im Netz. Die Flöhe husten hören kann sie nicht, aber vermutlich spürt sie den Luftzug, der dabei entsteht.

Anhand der Bugwelle eines fliegenden Insekts und der dabei entstehenden Ver­wir­be­lungs­muster kann sie erkennen, ob sich Beute oder Feind nähert. Fadenhaare auf Kör­per und Bei­nen messen bis an die Grenze des physikalisch Möglichen und mel­den es schon, wenn ein paar Luftpartikel die Geschwindigkeit oder Richtung ändern. In­ner­halb einer Viertelmeterzone ist eine Spinne genauestens im Bild über den bio­lo­gi­schen Luft­verkehr. Jenseits davon liefern die Fadenhaare nur ungenaue Daten.

Spinnen sind lernfähig und passen den Bau ihrer Netze an

Perfekt vernetzt: Über die Fäden ihres Netzes erfährt die Spinne, was in ihrer Umgebung vor sich geht.

Jede Spinnenart baut ihr Netz nach einem festgelegten Muster. Dennoch nehmen Indi­vi­du­en gezielte Änderungen an der Grundform vor. Während junge Radnetzspinnen sym­me­trische Netze weben, sind die Fanganlagen älterer und erfahrenerer Spinnen oft im un­te­ren Teil ausladender und hängen etwas durch. Die Tiere haben gelernt, dass es ef­fek­ti­ver und bequemer ist, mit der Schwerkraft zu jagen, statt gegen sie. Verfängt sich Beu­te im un­te­ren Teil des Netzes, ist die Spinne schneller zur Stelle.

Bücher über Spinnen

Der Kosmos Spinnenführer

Spinnen. Jäger am seidenen Faden (WAS IST WAS Band)

Spinnen-Alarm: Das große (Spinnen-) Angst-weg-Buch

Der neue Kosmos Spinnenführer

Welche Spinne ist das? (Kosmos-Naturführer Basics)

Dass Spinnen in der Lage sind, ihre Lebensqualität und ihren Jagderfolg durch fle­xib­les Verhalten zu verbessern, gehört zu den Überraschungen der Forschung. Denn fle­xib­les Verhalten und Lernfähigkeit werden traditionell nur Tieren mit hochentwickelten Ge­hir­nen zugeschrieben, nicht solchen, deren Denkorgan auf einer Nadelspitze Platz fin­det.

Der Bau eines Radnetzes erfolgt ausschließlich taktil und ohne visuelle Überprüfung. Trotzdem sind die Netze perfekt auf einer Ebene ausgerichtet. Die nötigen Winkel zum Setzen der Fäden berechnen Spinnen offenbar über die Stellung der Vorderbeine, in­dem sie den Abstand zwischen bestehenden Fäden ermitteln. Dass das sogar in der Schwe­relosigkeit funktioniert, bewies eine Spinne, die in den 70er Jahren im Rahmen ei­ner Skylab-Mission mit in den Weltraum genommen wurde. Wenn Spinnen unter Drogeneinfluss stehen, dann hapert es allerdings mit den Web-Fertigkeiten.

Raffinierte Netztypen: Kescher, Stolperschlauch und Falltüre

Etwa eine halbe Stunde benötigt eine Kreuzspinne zum Bau ihres Radnetzes. Manche Spinnen verzichten auf diesen Aufwand und haben minimalistischere Fangmethoden entwickelt.

Ein symmetrisches Radnetz wie das der Kreuzspinne ist zwar effektiv aber auch auf­wen­dig. Einige Spinnengattungen vereinfachten daher das System und entwickelten ganz neue Netztypen. Kescherspinnen etwa weben nur briefmarkengroße Netze. Diese tra­gen sie zwischen den vier Vorderbeinen und stülpen sie der überraschten Beute über den Kopf wie einen Sack.

Noch minimalistischer hält es die Bolaspinne. Sie beschränkt sich auf eine an einem einzelnen Faden befestigte klebrige Kugel, die sie wie einen Morgenstern nach der Beu­te schleudert. Haftet der Leimball, zieht sie ihn mitsamt der darin zappelnden Beute zu­rück.

Tapezierspinnen lauern in einer mit Seide austapezierten Erdhöhle, vor der sie einen gut getarnten Fangschlauch auslegen. Stolpert Beute über den Fangschlauch, schnellt die Spinne innerhalb des Schlauchs vor und beißt durch ihn hindurch in das ah­nungs­lose Opfer. Ähnlich verfahren Falltürspinnen. Sie verschließen ihre Erdlöcher mit Schar­niertüren. Nähert sich Beute, öffnen sie die Tür und zerren das Opfer in den Bau. Nähert sich hingegen ein Feind, halten sie die Türe von innen zu.

Wie lange braucht eine Kreuzspinne, um ihr Radnetz zu weben?

Knapp vier Stunden.

Bis zu zwei Tage.

Etwa dreißig bis fünfundvierzig Minuten.

Kleiner Tipp: Die korrekte Antwort finden Sie im Beitrag auf dieser Seite

Manche Spinnen jagen ohne Netz – springend und tauchend

Springspinnen verzichten ganz auf Netze. Ihr Name ist Programm: sie springen ihre Beu­te an. Manche Arten sichern sich dabei mit einem Seidenfaden, der auch zur Ori­en­tie­rung dient. Indem sie sich an dem Faden zurückhangeln, finden sie leicht zu ih­rem Aus­gangspunkt zurück.

Seit Spinnen ihre Netze spannen, ist es mit der Flugsicherheit von Insekten vorbei. Wer sich im Netz verfängt, wird erst eingewickelt, dann erst mit einem Biss gelähmt, betäubt oder getötet.

Auch Spinnen der Gattung Portia bauen keine eigenen Fangnetze sondern jagen in fremden Netzen. Ihre bevorzugte Beute sind andere Spinnen. Um dem ahnungslosen Opfer etwas vorzugaukeln, zupft Portia an den Fäden des Netzes wie an einer Harfe und imitiert ein zappelndes Insekt. Durch Ausprobieren lernt sie, auf welche Zupf­fre­quenz ihr Opfer reagiert, und lockt es so in den Hinterhalt.

Zur Beute der ebenfalls netzlosen Wasserjagdspinne gehören neben Fröschen und Heu­schrecken auch Fische. Zigtausende Härchen auf den Beinen verteilen ihr Kör­per­ge­wicht auf so viele Punkte, dass sie übers Wasser laufen kann. Bei der Jagd oder bei Gefahr taucht sie unter und kann bis zu dreißig Minuten unter Wasser bleiben. Er­staun­licherweise bleibt sie dabei trocken.

Mehr über Spinnen und ihre Fangmethoden gibt es in Stephen Daltens schön bebildertem Buch „Spinnen. Die erfolgreichen Jäger„. Der britische Naturfotograf gibt außerdem Tipps, wie man Spinnen und ihre Netze am besten fotografiert.

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