,

Burgen der Schwäbischen Alb: Diepoldsburg „Rauber“ bei Lenningen

15.08.2024

Über die Diepoldsburg bei Lenningen gibt es wenig Informationen, aber viele Geschichten: Sie soll ein Raubritternest gewesen sein, mit einem findigen Burgherren, der seine Verfolger gewieft in die Irre zu leiten wusste

Die Diepoldsburg bei Lenningen wird neben ihren bekannteren Nachbarn, der Burg Teck, der Ruine Reußenstein und der Festung Hohenneuffen gerne mal übersehen, ist für Burgenfans und Naturliebhaber aber ein lohnendes Ziel. Auch Freunde von Legenden und Geschichten kommen hier auf ihre Kosten, denn davon hat die angebliche Raubritterburg einige zu bieten.

Die Diepoldsburg ist eine Doppelburg

Diepoldsburg Rauber
Burg Rauber wurde durch einen15 m breiten Halsgraben geschützt, über den heute eine Brücke führt. Ob der Eingang zur Burg tatsächlich an dieser Stelle war, oder ob ein großes Loch in der Mauer fälschlich als Tor angenommen wurde, ist unklar.

Doch von Anfang an: Die Diepoldsburg ist eine Doppelburg und besteht aus der Oberen und der Unteren Diepoldsburg, wobei die obere Burg die ältere ist. Sie soll gegen 1210 von den Rittern von Diepholdsburg erbaut worden sein. 1215 wird ein Ulrich von Dipoltsburc als Besitzer urkundlich erwähnt. Die Anlage erstreckt sich über rund 165 auf mehreren Felskämmen und wurde durch ein umfangreiches Grabensystem in mehrere Ebenen gegliedert.

Die Kernburg befand sich an der höchsten Stelle des Felsgrats. Hier finden sich noch die vier Meter hohen Reste einer 22 Meter langen und dreieinhalb Meter dicken Schildmauer, die bis auf acht Meter wieder aufgebaut wurde. Gesichert war die Kernburg zusätzlich durch Vorburgen, Gräben und Mauern, von denen heute allerdings so gut wie nichts mehr erhalten ist.

Etwa fünfzig Meter unterhalb, am Ende des felsigen Grats, befindet sich die Untere Diepoldsburg, die vermutlich schon kurz nach der Gründung der Oberen Diepoldsburg erbaut wurde. Urkundlich erwähnt wurde sie erst 1406.

Die Untere Diepoldsburg war mit einem Halsgraben vom umliegenden Gelände abgeschnitten. Heute führt eine Holzbrücke über den fünfzehn Meter breiten Graben zum Tor.

Ob das ursprüngliche Tor tatsächlich an dieser Stelle war, oder ob ein großes Mauerloch als Tor fehlinterpretiert wurde, ist unklar – denkbar wäre auch ein Zugang von der südwestlichen Grabenseite. Die Ringmauer der Unteren Diepoldsburg ist in großen Teilen erhalten und erreicht mit siebeneinhalb Metern eine beeindruckende Höhe.

Diepoldsburg Rauber
Die Ringmauer von Burg Rauber erreicht bis zu sieben Meter.

Bereits 1535 wurde die Diepoldsburg als Ruine genannt und verfiel zusehends. Der Name „Burg Rauber“ taucht interessanterweise erst 1624 auf, also lange nach der Blütezeit der Burg. „Burg Rauber“ bezeichnet nur die Untere Diepoldsburg und soll auf ihre Nutzung als Raubritterburg zurückgehen.

Die Roßwager: Ein Pferd galoppiert den Turm hinab

Die Geschichtsbücher geben wenig Auskunft. Die Legende erzählt vom Herrn von Enzingen. Dem wurde ein edles Ross gestohlen. Er schlich sich in die Burg des Diebes, bestieg sein Pferd und wollte davonreiten, als er erwischt wurde. Das Tor schloss sich vor ihm, also trieb er sein Pferd auf die Mauern hoch, schrie laut „Ross, wag’s!“ und „sprengte turmtief hinunter“. Das eben erst zurückgewonnene Pferd blieb zerschmettert am Fuße der Mauer liegen, der Ritter entkam, und sein Geschlecht nannte sich fortan „die Roßwager“.

Seine Nachkommen sollen es gewesen sein, die als Raubritter auf dem Hasenberg bei Stuttgart ihr Unwesen trieben, bis es Kaiser Rudolf von Habsburg im Jahr 1287 gelang, sie von dort zu vertreiben. Die Roßwager zogen nach Lenningen, kauften die Diepoldsburg und befestigten sie. Sie verschwendeten nicht viel Zeit mit einem friedfertigen Leben und zogen bald erneut auf Raub aus.

Diepoldsburg Rauber
Raubritternest: Von Burg Rauber aus sollen die Roßwager die umliegenden Landstriche mit ihren Raubzügen geplündert haben.

Dabei war ihnen „alles recht, was auf dem Rücken der Krämer, an den Lenden der Bauern oder auf Frachtwagen des Weges daher kam“. Das Einzugsgebiet der Raubritter war beachtlich: Nicht nur die Städte Nürtingen und Kirchheim, die direkt unterhalb der Burg liegen, waren Opfer ihrer Raubzüge, sondern das gesamte Gebiet von Esslingen im Nordwesten, über Reutlingen im Südwesten bis Blaubeuren im Südosten und dem fünfzig Kilometer entfernten Schwäbisch Gmünd in Nordosten.

Verkehrt herum: Warum die Schurken nicht zu finden waren

Hufabdruck
Raffiniert: Der Burgherr ließ die Hufeisen falsch aufnageln und legte damit falsche Spuren. Ob das in der Realität so funktionieren würde, ist mehr als fraglich – zwar werden Hufeisen bei manchen Huferkrankungen tatsächlich verkehrt herum aufgenagelt, aber die Gangmechanik sorgt für Abdrücke, die einen guten Spurenleser nicht in die Irre führen könnten.

Mehr als fünfzig Jahre lang gelang es den Städten nicht, die Raubritter zu finden. Alle Spuren führten in die Irre oder ins Leere. Endlich aber durchschauten die Gmünder, wie der Schurke sie an der Nase herumführte: Der findige Burgherr hatte all seinen Pferden, mit denen er auf Raubzug ritt, die Hufeisen falsch herum aufnageln lassen. So konnten seine Verfolger nie die rechte Spur finden, weil sie in der falschen Richtung suchten.

Als die Gmünder die List endlich durchschauten, überfielen sie das Raubnest, als die Raubritter auf Beutezug waren. Sie „brachen so viel sie konnten von den Mauern ab, nahmen auf Tragbahren mit, was sie konnten, dazu auch die Herrin nebst ihren zwei Knaben“.

Der Raubritter, nun selbst Opfer von Plünderung und Raub, war höchlichst entsetzt, als er seine Burg geplündert und leer vorfand. Er jagte den Gmündern nach, „wurde aber mit blutigem Kopfe heimgeschickt“.

Vom Saulus zum Paulus: Die überraschende Wandlung des Schurken

Wenige Wochen später ritt der Burgherr nach Gmünd, um dort friedlich mit seiner Familie zu leben. Wieso dem ehemaligen Räuber nicht der Prozess gemacht wurde, und er stattdessen freundlich aufgenommen wurde, ist unklar. Die Legende schweigt sich dazu aus. Vielleicht waren die Gmünder besonders großherzig (oder besonders vergesslich), jedenfalls lohnte sich ihr Vorschussvertrauen.

Bald war der Burgherr „wohlgelitten“ und von allen respektiert. Als „Edler von Rauber“ leistete er der Stadt als Kriegsbauherr jahrelang gute Dienste und starb als angesehener Mann, der in der Kirche der Stadt beigesetzt wurde.

Die ungleichen Brüder und das Ende der Roßwager

Zurück blieben seine beide unterschiedlichen Söhne. Der eine war aufgrund eines Rückenleidens nicht für den Kriegsdienst geeignet. Er ergriff die Laufbahn eines Gelehrten, wurde schon in jungen Jahren Stadtschreiber und später Stadtrichter.

Sein Bruder hingegen war ein kräftiger und stolzer Raufbold, der sich im Dienst der Stadt nicht wohlfühlte, sondern sich nach dem unabhängigen Leben auf der Burg sehnte, das er als Kind kennengelernt hatte. Unter Vermittlung seines Bruders ließ er sich von der Stadt Gmünd eine stattliche Abfindung zahlen, quittierte seinen Dienst, versprach, Frieden zu halten, und zog zurück auf Burg Rauber.

Diepoldsburg Rauber
Der Burghof mit der Zisterne. Die Diepoldsburg liegt auf mehreren Felsenkämmen am Albabbruch. Der Spaziergang zur Burg lohnt sich auch wegen der – angeblich – sehr schönen Aussicht ins Tal. Bei Schnee, Raureif und Nebel konnten wir das nicht überprüfen, dafür sorgte das Wetter für eine mystische Stimmung.

Vierundzwanzig Jahre später wurde ein gefangener Räuber nach Gmünd gebracht, der unter keinen Umständen seinen Namen verraten wollte. Der Namenlose wurde verurteilt, und nachdem ihm die Hand abgehackt worden war, wurde er 1399 auf Anweisung des Richters auf dem Marktplatz von Gmünd gehenkt.

Als der Henker ihm seine Kleidung abnahm, fand der auf dem rechten Arm den Namen des Räubers eingeätzt: Es war der Bruder des Richters. Dieser war so entsetzt darüber, unwissentlich seinen eigenen Bruder zum Tode verurteilt zu haben, dass er ein Jahr später vor Gram und Kummer starb. Mit ihm erlosch das Geschlecht der Roßwager.

Geblieben sind Legenden und Gedichte, und eine Burgruine, die einen Besuch lohnt. Und sei es „nur“, weil ihre räuberische Geschichte die Fantasie anregt und in frühere, wildere Zeiten zurückversetzt.
 

Einen Besuch wert ist auch die Ruine Reußenstein bei Neidlingen. Sie zählt zu den beeindruckendsten Burgruinen der Schwäbischen Alb. Wie ein Adlerhorst sitzt sie auf einem Felssporn über dem Lindachtal. Ein Riese soll ihren Bau beauftragt haben. Unser Libellius-Video auf YouTube vermittelt einen Eindruck von der Baukunst des Mittelalters.

Lust auf noch mehr Burgen? Dann stöbern Sie in unserer Übersicht der vorgestellten Burgen und Schlösser auf der Schwäbischen Alb.

 

Literatur über Burgen und Schlösser

Die Welt der Burgen

Zum Ange­bot*

Burgen: Berühmte Festungen und prachtvolle Schlösser

Zum Ange­bot*

Burgen, Zeugen des Mittelalters (WAS IST WAS Sachbuch, Band 106)

Zum Ange­bot*

Burgen und Schlösser – Reisen zu den schönsten Meisterwerken der Baukunst in Deutschland und Österreich

Zum Ange­bot*

Die schönsten Burgen Österreichs

Zum Ange­bot*

Burg Hohenzollern: Großer Burgführer

Zum Ange­bot*

Kleine Burgenkunde: In Zusammenarbeit mit der Deutschen Burgenvereinigung

Zum Ange­bot*
WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner