Die Diepoldsburg bei Lenningen wird neben ihren bekannteren Nachbarn, der Burg Teck, der Ruine Reußenstein und der Festung Hohenneuffen gerne mal übersehen, ist für Burgenfans und Naturliebhaber aber ein lohnendes Ziel. Auch Freunde von Legenden und Geschichten kommen hier auf ihre Kosten, denn davon hat die angebliche Raubritterburg einige zu bieten.
Die Diepoldsburg ist eine Doppelburg
Doch von Anfang an: Die Diepoldsburg ist eine Doppelburg und besteht aus der Oberen und der Unteren Diepoldsburg, wobei die obere Burg die ältere ist. Sie soll gegen 1210 von den Rittern von Diepholdsburg erbaut worden sein. 1215 wird ein Ulrich von Dipoltsburc als Besitzer urkundlich erwähnt. Die Anlage erstreckt sich über rund 165 auf mehreren Felskämmen und wurde durch ein umfangreiches Grabensystem in mehrere Ebenen gegliedert.
Die Kernburg befand sich an der höchsten Stelle des Felsgrats. Hier finden sich noch die vier Meter hohen Reste einer 22 Meter langen und dreieinhalb Meter dicken Schildmauer, die bis auf acht Meter wieder aufgebaut wurde. Gesichert war die Kernburg zusätzlich durch Vorburgen, Gräben und Mauern, von denen heute allerdings so gut wie nichts mehr erhalten ist.
Etwa fünfzig Meter unterhalb, am Ende des felsigen Grats, befindet sich die Untere Diepoldsburg, die vermutlich schon kurz nach der Gründung der Oberen Diepoldsburg erbaut wurde. Urkundlich erwähnt wurde sie erst 1406.
Die Untere Diepoldsburg war mit einem Halsgraben vom umliegenden Gelände abgeschnitten. Heute führt eine Holzbrücke über den fünfzehn Meter breiten Graben zum Tor.
Ob das ursprüngliche Tor tatsächlich an dieser Stelle war, oder ob ein großes Mauerloch als Tor fehlinterpretiert wurde, ist unklar – denkbar wäre auch ein Zugang von der südwestlichen Grabenseite. Die Ringmauer der Unteren Diepoldsburg ist in großen Teilen erhalten und erreicht mit siebeneinhalb Metern eine beeindruckende Höhe.
Bereits 1535 wurde die Diepoldsburg als Ruine genannt und verfiel zusehends. Der Name „Burg Rauber“ taucht interessanterweise erst 1624 auf, also lange nach der Blütezeit der Burg. „Burg Rauber“ bezeichnet nur die Untere Diepoldsburg und soll auf ihre Nutzung als Raubritterburg zurückgehen.
Die Roßwager: Ein Pferd galoppiert den Turm hinab
Die Geschichtsbücher geben wenig Auskunft. Die Legende erzählt vom Herrn von Enzingen. Dem wurde ein edles Ross gestohlen. Er schlich sich in die Burg des Diebes, bestieg sein Pferd und wollte davonreiten, als er erwischt wurde. Das Tor schloss sich vor ihm, also trieb er sein Pferd auf die Mauern hoch, schrie laut „Ross, wag’s!“ und „sprengte turmtief hinunter“. Das eben erst zurückgewonnene Pferd blieb zerschmettert am Fuße der Mauer liegen, der Ritter entkam, und sein Geschlecht nannte sich fortan „die Roßwager“.
Seine Nachkommen sollen es gewesen sein, die als Raubritter auf dem Hasenberg bei Stuttgart ihr Unwesen trieben, bis es Kaiser Rudolf von Habsburg im Jahr 1287 gelang, sie von dort zu vertreiben. Die Roßwager zogen nach Lenningen, kauften die Diepoldsburg und befestigten sie. Sie verschwendeten nicht viel Zeit mit einem friedfertigen Leben und zogen bald erneut auf Raub aus.
Dabei war ihnen „alles recht, was auf dem Rücken der Krämer, an den Lenden der Bauern oder auf Frachtwagen des Weges daher kam“. Das Einzugsgebiet der Raubritter war beachtlich: Nicht nur die Städte Nürtingen und Kirchheim, die direkt unterhalb der Burg liegen, waren Opfer ihrer Raubzüge, sondern das gesamte Gebiet von Esslingen im Nordwesten, über Reutlingen im Südwesten bis Blaubeuren im Südosten und dem fünfzig Kilometer entfernten Schwäbisch Gmünd in Nordosten.
Verkehrt herum: Warum die Schurken nicht zu finden waren
Mehr als fünfzig Jahre lang gelang es den Städten nicht, die Raubritter zu finden. Alle Spuren führten in die Irre oder ins Leere. Endlich aber durchschauten die Gmünder, wie der Schurke sie an der Nase herumführte: Der findige Burgherr hatte all seinen Pferden, mit denen er auf Raubzug ritt, die Hufeisen falsch herum aufnageln lassen. So konnten seine Verfolger nie die rechte Spur finden, weil sie in der falschen Richtung suchten.
Als die Gmünder die List endlich durchschauten, überfielen sie das Raubnest, als die Raubritter auf Beutezug waren. Sie „brachen so viel sie konnten von den Mauern ab, nahmen auf Tragbahren mit, was sie konnten, dazu auch die Herrin nebst ihren zwei Knaben“.
Der Raubritter, nun selbst Opfer von Plünderung und Raub, war höchlichst entsetzt, als er seine Burg geplündert und leer vorfand. Er jagte den Gmündern nach, „wurde aber mit blutigem Kopfe heimgeschickt“.
Vom Saulus zum Paulus: Die überraschende Wandlung des Schurken
Wenige Wochen später ritt der Burgherr nach Gmünd, um dort friedlich mit seiner Familie zu leben. Wieso dem ehemaligen Räuber nicht der Prozess gemacht wurde, und er stattdessen freundlich aufgenommen wurde, ist unklar. Die Legende schweigt sich dazu aus. Vielleicht waren die Gmünder besonders großherzig (oder besonders vergesslich), jedenfalls lohnte sich ihr Vorschussvertrauen.
Bald war der Burgherr „wohlgelitten“ und von allen respektiert. Als „Edler von Rauber“ leistete er der Stadt als Kriegsbauherr jahrelang gute Dienste und starb als angesehener Mann, der in der Kirche der Stadt beigesetzt wurde.
Die ungleichen Brüder und das Ende der Roßwager
Zurück blieben seine beide unterschiedlichen Söhne. Der eine war aufgrund eines Rückenleidens nicht für den Kriegsdienst geeignet. Er ergriff die Laufbahn eines Gelehrten, wurde schon in jungen Jahren Stadtschreiber und später Stadtrichter.
Sein Bruder hingegen war ein kräftiger und stolzer Raufbold, der sich im Dienst der Stadt nicht wohlfühlte, sondern sich nach dem unabhängigen Leben auf der Burg sehnte, das er als Kind kennengelernt hatte. Unter Vermittlung seines Bruders ließ er sich von der Stadt Gmünd eine stattliche Abfindung zahlen, quittierte seinen Dienst, versprach, Frieden zu halten, und zog zurück auf Burg Rauber.
Vierundzwanzig Jahre später wurde ein gefangener Räuber nach Gmünd gebracht, der unter keinen Umständen seinen Namen verraten wollte. Der Namenlose wurde verurteilt, und nachdem ihm die Hand abgehackt worden war, wurde er 1399 auf Anweisung des Richters auf dem Marktplatz von Gmünd gehenkt.
Als der Henker ihm seine Kleidung abnahm, fand der auf dem rechten Arm den Namen des Räubers eingeätzt: Es war der Bruder des Richters. Dieser war so entsetzt darüber, unwissentlich seinen eigenen Bruder zum Tode verurteilt zu haben, dass er ein Jahr später vor Gram und Kummer starb. Mit ihm erlosch das Geschlecht der Roßwager.
Geblieben sind Legenden und Gedichte, und eine Burgruine, die einen Besuch lohnt. Und sei es „nur“, weil ihre räuberische Geschichte die Fantasie anregt und in frühere, wildere Zeiten zurückversetzt.
Einen Besuch wert ist auch die Ruine Reußenstein bei Neidlingen. Sie zählt zu den beeindruckendsten Burgruinen der Schwäbischen Alb. Wie ein Adlerhorst sitzt sie auf einem Felssporn über dem Lindachtal. Ein Riese soll ihren Bau beauftragt haben. Unser Libellius-Video auf YouTube vermittelt einen Eindruck von der Baukunst des Mittelalters.
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