Kinderkaufläden sind ein bisschen nostalgisch und dennoch topmodern. Im Rollenspiel lernen Kinder wichtige soziale Komptenzen und einiges mehr.
Meine Schwester war eine Halsabschneiderin. Ein Kilo Mehl kostete bei ihr tausend Schillinge, was umgerechnet etwa siebzig Euro sind. Ein Kilo Zucker – ebenfalls tausend Schillige. Ein Ei? Auch tausend Schillinge. Hätte die Euroumstellung schon während unserer Kindheit stattgefunden, hätte sie vermutlich tausend Euro pro Artikel verlangt und damit die höchste Teuerungsrate der Neuzeit etabliert. Und ich hätte bezahlt. Was hätte ich auch sonst tun sollen?
Kaufläden schulen soziale Kompetenzen
Meine Schwester war nämlich nicht nur eine Halsabschneiderin, sie war vor allem eine konkurrenzlose Halsabschneiderin, die das Konzept von Angebot und Nachfrage schon als Zehnjährige intutiv verstanden hatte. Wo hätte ich mein „Mehl“ sonst kaufen sollen, wenn nicht auf dem Brett des Sandkastens, der unseren behelfsmäßigen Kinderkaufladen darstellte?
Natürlich – ich hätte verhandeln können. Das ist einer der Punkte, warum Kinderkaufläden als pädagogisch wertvoll gelten: Kinder können im Rollenspiel lernen, sich durchzusetzen und kleinere (oder größere) Konflikte zu lösen. Spielerisch schulen sie so ihr Selbstbewusstsein und erlernen wichtige soziale Kompetenzen wie Höflichkeit, Diplomatie und Kompromissbereitschaft.
Ich habe auf den pädagogischen Nutzen verzichtet, denn erstens ist meine Schwester gut vier Jahre älter als ich, und zwischen sechs und zehn ist ein unüberbrückbarer Quantensprung, und zweitens habe ich bis heute den Verdacht, dass sie sich ausgrechnet Harriet Oleson, die latent boshafte Intrigantin aus „Unsere kleine Farm“, als kaufmännisches Vorbild ausgesucht hatte. Kurzum: Es war wie bei der Mafia – besser man bezahlt den geforderten Preis einfach ohne Diskussion.
Meine Schwester hat später mit Bravour die Prüfung zur Einzelhandelskauffrau abgelegt, während ich bis heute an jedem südländischen Touristenstand Halsabschneiderpreise für orthopädisch fragwürdige Badelatschen bezahle und gar nicht auf die Idee komme, der Preis sei verhandelbar. So kann’s kommen …
Kinderkaufläden vermitteln ein Gefühl für Wert und Preis
Kinderkaufläden gehören zu den eher nostalgischen Spielsachen, werden aber auch von modernen Kindern gerne und ausdauernd bespielt. Die einfachen Rollenspiele, in denen Alltagssituationen geübt werden und sich Kinder „wie die Großen“ fühlen können, haben ihren Reiz nicht verloren. Für Kinder ist es faszinierend, sich die Welt der Erwachsenen zu erspielen.
Beim Kaufladenspiel lernen Sie unter anderem auch: Lebensmittel und Dinge des täglichen Gebrauchs sind nicht kostenlos, und sie stehen nicht grenzenlos zur Verfügung. Es ist auch mal ausverkauft (und dann gibt es auch heute noch eine Hanvoll Luft und Fantasie). Dinge haben ihren Preis – und Dinge haben ihren Wert. Den Unterschied lernen Kinder oft sehr schnell, ohne ihn zu benennen.
Während wir in den 70er-Jahren noch auf dem Sankastenbrett improvisierten und der Warenbestand meiner Schwester aus viel Sand und noch mehr Fantasie bestand, gibt es heute praktisch jedes Lebensmittel und jeden Haushaltsgegenstand auch in Kinderkaufladengröße – von der Aubergine bis zur Zahnbürste.
Die neue Vielfalt im Warenangebot für Kinderkaufläden genießen auch viele Eltern. Einerseits erinnert sie der Kaufladen an die eigene Kindheit und das damals eher begrenzte Warenangebot – andererseits lassen sich mit der Auswahl mehr oder weniger subtil auch die eigenen Werte an die Kinder vermitteln. Längst führt mancher Kinderkaufladen nur vegane Lebensmittel, frisches Obst und Gemüse (aus ökologisch einwandfreiem Holz) und fair gehandelten Kaffee.
Kaufladen kaufen oder selbst bauen?
Kinder haben Fantasie – ein guter Kinderkaufladen gibt dieser Fantasie Raum. Regalbretter, Schubladen zum Verstauen von Waren, Kistchen für Obst und Gemüse und eine Verkaufstheke gehören zur Grundausstattung. Zum Zubehör gehören eine Registrierkasse, Einkaufstüten, eine Lebensmittelwaage, ein Warenscanner, Preisetiketten und ähnliches. Dennoch muss der perfekte Kaufladen nicht alles bieten. Kinder improvisieren gerne – und basteln sich ihre Registrierkasse aus zwei Klorollen und einem Schuhkarton auch mal selbst.
Wer geschickte Hände und Spaß am Heimwerken hat, kann den ganzen Kaufladen selbst bauen. Holz bietet sich hier als Werkstoff an – es ist ökologisch unbedenklich und ermöglicht nicht nur formschöne, sondern auch stabile und langlebige Konstruktionen. Bauanleitungen für Kaufläden finden sich im Internet.
Wenn Sie den Eigenbau in Betracht ziehen, bedenken Sie: Weihnachten kommt immer so plötzlich! Planen Sie für den Bau lieber ein paar Tage (oder Wochenenden) zu viel als zu wenig ein. Wer weiß, welche Ideen Sie beim Bauen noch umsetzen wollen.
Wer sich die Mühe sparen lässt, findet eine breitgefächerte Auswahl an fertigen Kaufläden aus Holz oder auch Kunststoff. Einige Modelle stellen wir hier vor.