Leben am seidenen Faden: Spinnenseide soll be­schä­dig­te Nerven ersetzen

Spinnenseide ist dehnbarer als Gummi und fester als Stahl. Sie könnte bald ku­gel­si­chere Westen leichter machen und be­schä­dig­te Nervenzellen ersetzen.

Wenn Spinnen spinnen, werden Forscher nei­disch. Denn was die Herstellung reißfester, dehn­ba­rer und zugleich hauchdünner Netze an­geht, lassen sich Spinnen nichts vormachen. Ihre raf­fi­nierten Fanganlagen sind die Antwort der Evo­lution auf die Flugfähigkeit der Insekten, ihre Fäden belastbarer als Stahl und dabei dehn­barer als Gummi.

Spinnenseide wird schon lange von Menschen genutzt: Im 19. Jh. wurden daraus wertvolle Gewänder gewebt. 2012 stellte das Victoria and Albert Museum in London einen Umhang aus Spinnenseide aus. Achtzig Mitarbeitern hatten dafür fünf Jahre lang die Fäden unzähliger Spinnen gesammelt.

Spinnenfäden sind etwa acht- bis zehnmal dün­ner als ein menschliches Haar und wiegen fast nichts. Einmal um die Erde gespannt bräch­te einer der seidenen Fäden keine zwei­hun­dert Gramm auf die Waage. Erst bei ei­ner Län­ge von siebzig bis achtzig Kilometern wür­de er unter seinem Eigengewicht reißen – ein vergleichbar dünner Stahlfaden bei zehn bis dreißig Kilometern. Theoretisch könnte eine ehrgeizige Spinne mit ihrem Fa­den die Hoch­see­insel Helgoland mit Bremerhaven verbinden.

Durch diese Kombination aus Stabilität und Dehnbarkeit erreicht Spinnenseide in punk­to Belastbarkeit Maximalwerte. Sie kann, bevor sie reißt, dreimal mehr kinetische En­er­gie aufnehmen als zum Beispiel Kevlar, eines der stabilsten bekannten syn­the­ti­chen Fasermaterialien.

Spinnen in der Homöopathie: Grenzgänger zwischen Himmel und Erde.
Spinnen in der Homöopathie: Grenzgänger zwischen Himmel und Erde. Spinnen sind eine bedeutende Mittelgruppe in der Homöopathie. Sie stehen für Nervosität und Ruhelosigkeit, sie sind manipulativ und skrupellos. Sie haben sich bei einer Vielzahl von Erkrankungen bewährt, von ADHS und Aggressivität bis zu Krämpfen und Nekrosen. Obwohl es eine Vielzahl an Spinnenmitteln gibt, die geprüft wurden, ist es doch oft schwer, diese zu unterscheiden. Der englische Homöopath Peter Fraser vermag in wenigen Sätzen die Essenzen dieser hochinteressanten Mittelgruppe zu skizzieren und die einzelnen Mittel klar voneinander zu differenzieren.

Verwendung von Spinnenseide als Fadenkreuz und Fischernetz

Die einzigartigen Eigenschaften der seidenen Fäden haben Menschen schon früh zur Nutzung des Biomaterials inspiriert. Mit größtem Aufwand wurden im Mittelalter kleine Stoffstücke wie Schals aus Spinnenseide gewoben. Diese extrem teuren Sta­tus­sym­bo­le demonstrierten Reichtum und Macht ihrer Besitzer.

Spinnenseide ist dehnbarer als Gummi und fester als Stahl. Schon früh wurden die Fäden als Nahtmaterial bei Operationen benutzt.

Bis zum zweiten Weltkrieg wuden Spinnenseidenfäden wegen ihres geringen Durch­mes­sers und ihrer hohen Belastbarkeit zur Herstellung von Fadenkreuzen für U-Boo­te und Flugzeuge verwendet. Eine besondere Anwendung der Seide findet sich bis heu­te auf den polynesischen Solomon-Inseln. In Bambusrahmen gesetzt spinnen die dort le­ben­den Seidenspinnen bis zu sechs Quadratmeter große Netze. Die ein­ge­bo­re­nen Fi­scher haben die Spinne längst als ungewöhnliches Nutztier entdeckt und ver­wen­den die so erzeugten Kescher zum Fischfang.

Forscher arbeiten mit Hochdruck daran, Spinnenseide biotechnologisch herzustellen. Das Biomaterial könnte überall dort eingesetzt werden, wo die Kombination von Sta­bi­lität, Dehnbarkeit und geringem Gewicht erwünscht ist. Etwa in der Raum­fahrt­tech­no­lo­gie, im Brückenbau oder zur Herstellung leichter kugelsicherer Wes­ten und dehn­ba­rer Fangseile für Flugzeugträger. Auch profanere Einsatzgebiete sind denk­bar: Strumpf­ho­sen, Fallschirme oder Kletterseile.

Spinnenseide ist dehnbar und reißfest zugleich. Im Laufe der Zeit wurde sie vielseitig eingesetzt, zum Beispiel als antiseptisches Nahtmaterial bei Wunden. Wofür wurde die Seide noch verwendet?

Bis zum zweiten Weltkrieg wuden Spinnenseidenfäden wegen ihres geringen Durchmessers und ihrer hohen Belastbarkeit zur Herstellung von Fadenkreuzen für U‑Boote und Flugzeuge verwendet.

Bei Hexenprozessen im Mittelalter wurde die "Wahrheit" oft ausgependelt. Dafür verwendete man ein Pendel aus Silber, das an einer geflochtenen Schnur aus Spinneseide befestigt war.

Im alten Rom ließen sich besonders reiche Bürger schon zu Lebzeiten ihre Leichentücher aus Spinnenseide weben. Das dauerte viele Jahre und kostete ein Vermögen.

Kleiner Tipp: Die korrekte Antwort finden Sie im Beitrag auf dieser Seite

Erste Erfolge in der biotechnologischen Herstellung der Seide

Dem Biochemiker Prof. Dr. Thomas Scheibel und seinem Team von der Universität Bay­reuth ist es gelungen, das Seidenprotein, den Grundbaustein der Fäden, bioche­misch herzustellen. Auf diese Weise können bereits hauchdünne Ober­flächen­be­schich­tungen, biologisch rückstandslos abbaubare Kapseln für Medi­ka­men­te und Seiden­fi­la­mente in Form von Vliesstoffen hergestellt werden. Nur die Pro­duk­tion der Sei­den­fä­den ge­lingt noch nicht zufriedenstellend.

Das Netz der Riesenradnetzspinne (Nephila inaurata) hat oft ein goldenes Zentrum. Aus dieser goldenen Spinnenseide werden edle und aufwändige Teppiche gewebt. FOTO: Nicole Ernst, Seychellen

Was die Spinne mit Links macht, ist nicht so einfach nachzuahmen, denn das Protein liegt in den Spinndrüsen in wässriger Lösung vor. Erst durch komplexe chemische Vor­gänge im Spinnkanal, das gleichmäßige Herausziehen aus der Spinnwarze und die da­raus resultierende Ausrichtung der Seidenproteine wird daraus ein stabiler, dehn­ba­rer Faden.

„Die dafür benötigte genaue Abstimmung von chemischen Prozessen in Kombination mit einem kontinuierlichen Zugmechanismus stellt Wissenschaftler und Ingenieure vor eine große Herausforderung: Kein in der Industrie etabliertes Spinnverfahren lässt sich dafür adaptieren und anwenden“, erklärt Scheibel. Er ist dennoch zuversichtlich. „Bei der derzeitigen Entwicklung ist aber abzusehen, dass rekombinante Seidenproteine demnächst Einzug in neuartige Produkte und damit ins tägliche Leben halten werden.“ 2010 ist es ihm in Zusammenarbeit mit einem Team der TU München ge­lun­gen, das Geheimnis des komplizierten Spinnvorgangs aufzuklären. Ein wichtiger Durch­bruch für die Spinnenseidenforscher.

Leben am seidenen Faden: Spinnenseide als Ersatz für beschädigte Nerven

Die Fortschritte seiner Arbeit werden auch von Seiten der Medizin mit großem In­te­res­se verfolgt. Schon Römer und Griechen der Antike verwendeten Spinnenseide als Ver­­bands- und Nahtmaterial. Die Seidenfäden sind leicht antiseptisch, biologisch kom­plett abbaubar und biokompatibel. Dadurch lösen sie keine Abstoßreaktion des Im­mun­sys­tems aus. Bis Spinnenseide in zufriedenstellender Qualität und Menge bio­tech­no­logisch hergestellt werden kann, gibt es für ihre Gewinnung allerdings nur eine et­was ge­wöh­nungsbedürftige Methode – das Melken von Spinnen. Dazu werden die be­täubten Tiere unter einer Gaze fixiert, der Faden mit einer eigens entwickelten Spu­le he­raus­gezogen. 150 bis 200 Meter Seide lassen sich so „ernten“.

Für die beiden Spinnenforscherinnen Christina Allmeling und Dr. Kerstin Reimers-Fadh­laoui gehört das Melken der Goldenen Radnetzspinnen (Nephila clavipes) zum La­bor­all­tag. An der Medizinischen Hochschule Hannover erforschen sie seit 2004 die Ein­satz­mög­lich­keiten von Spinnenseide in der Neurochirurgie. 2007 wurde Christine All­me­ling für ihre Arbeit mit dem Innovationspreis der deutschen Bioregionen aus­ge­zeich­net.

Werden bei einem Unfall Nervenzellen an Gliedmaßen oder im Gesicht durchtrennt, blei­ben diese Partien oft gefühllos, obwohl periphere Nerven von Natur aus rege­ne­ra­tions­fä­hig sind. Bei großen Defekten finden die Nervenzellen aber oft nicht mehr zu­sam­men und sprießen in die falsche Richtung. Am Nervenstumpf bildet sich Narben­ge­we­be. Ein Transplantat aus Spinnenfäden, auf die Nervenenden aufgepfropft, weist nach­wach­sen­den Nerven den Weg und wird zur Rettungsleine fürs Gefühl. Erfolgreiche Ver­su­che mit Rat­ten lassen die Wissenschaftlerinnen hoffen, dass menschliche Nerven bald am seidenen Faden hängen könnten.

TIPP: Ebenfalls interessieren könnte Sie, was passiert, wenn Spinnen unter Drogeneinfluss stehen.

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner