Pilgern: Eine Seelenwanderung zu sich selbst

Zu Fuß nach Santiago de Compostela oder mit dem Flugzeug nach Rom: Pilgern boomt. Das wissen auch Reiseveranstalter und bieten spezielle Pilgerreisen an.

„Seit Stunden sind wir unterwegs. Meine Füße sind heiß, mein Rücken tut weh. Aber mein Kopf ist frei, weil er sich nur mit so wenigen Din­gen be­schäftigen muss. Ich habe Zeit, jeden Ge­danken zu Ende zu denken. Kein Autolärm, kein Te­le­fon­klingeln stört die Stille“, schreibt Ni­co­le Kunz im Herbst 2009 in ihr Tagebuch. Ge­mein­sam mit einer Freundin ist sie vier Wo­chen lang dem Jakobsweg gefolgt – über die Py­re­nä­en und quer durch Nordspanien. 550 Ki­lo­me­ter ha­ben die zwei zurückgelegt. Zu Fuß, so wie es auch die frühen Pilger machten.

Tipp: Weltweite Pilgereisen
Tipp: Weltweite Pilgereisen Eine große Auswahl von Pilgerreisen gibt es bei Viator*. Von Santiago de Compostela bis zum heiligen Pilgerweg der Inkas, vom Christentum bis zum Buddhismus, von Süd-Amerika bis Nepal - hier gibt es viele spannende Kulturen, Religionen und Orte zu entdecken.

Manche Pilger verdienten Geld, indem sie für andere liefen

Pilger in Pamplona
Unterwegs nach Santiago di Compostela: Pilger in Pamplona. Deutlich sichtbar am Gepäck, die Jakobsmuschel, die überall in der Stadt den Weg und die Infrastruktur für Pilger ausweist.

Die Idee des Pilgerns findet sich in allen Kulturen und Religionen und geht von der Er­fah­rung aus, dass an einem bestimmten Ort oder auf einem Weg die göttlichen Kräf­te in be­sonderer Weise wirksam werden. Ganz allgemein pilgerten Menschen, die durch ihren Glauben veranlasst wurden, zu einer heiligen Stätte zu wandern. Zu Anfang des Pil­ger­we­sens waren das hauptsächlich die reicheren Leute des Adels und natürlich die Geist­li­chen, den­en ihr Seelenheil besonders am Herzen lag.

Erst im 12./13. Jh. wurde das Pilgerwesen populär und entwickelte sich zum Mas­sen­phä­no­men. Nun nahmen alle Schichten der Gesellschaft an Pilgerfahrten teil: Ar­me und Rei­che, Alte und Junge, Kranke, die um Gesundheit baten, und Gesunde, die für ihre Genesung danken wollten, Menschen, die reiselustig waren und nach Abenteu­ern such­ten, und geschäftstüchtige Laufburschen, die gegen Entgelt für ande­rer Leu­te Seelen­heil pil­ger­ten und damit einen Sündenablass erwirkten.

Mit dem Boom des Jakobswegs ist das Pilgern wieder modern geworden. Alte, ver­ges­sene Pilgerwege vor der eigenen Haustüre werden wiederentdeckt. Denn jen­seits je­der Religion oder Konfession finden sich im Aufbrechen, in der Suche nach neu­en Ho­ri­zon­ten, in der Begegnung mit dem Heiligen und in den Mühen des Unter­wegs­seins mensch­liche Grundwahrheiten.

Beim Pilgern folgt die Zeit einem anderen Rhythmus

Pilgerdenkmal vor dem Kloster Beuron im Oberen Donautal.

Der Antrieb heutiger Pilger ist nicht immer religiöser Natur. Abenteuerlust, Freude an Natur und Kultur fremder Länder und die Sehnsucht nach Entschleunigung bewegen jedes Jahr tausende Menschen, sich auf den Weg zu machen. Das Ziel der Reise ist dabei oft nebensächlich – Pilgern ist immer auch eine Reise zu sich selbst, auf der „die Seele laufen lernt“. In einer Zeit der Übersättigung, der Schnelllebigkeit und des Stresses erlebt das Pilgern eine Re­nais­sance, denn auf einer Pilgerreise läuft die Zeit anders, langsamer. Im Rhythmus der ei­genen Schritte erschließen sich dem Pilger Ausblicke, Landschaften und eigene Gren­zen. Eine Erfahrung, die auch Nicole Kunz machte.

Zu Fuß übers Gebirge: Pilgern als Reise zum Ich.

„Ich habe noch nie einen vergleichbaren Urlaub gemacht“, erzählt sie. „Trotz der kör­per­lichen Anstrengung, die mich manchmal an den Rand meiner Leistungsfähigkeit brach­te, war ich vom ersten Tag an völlig entspannt. Die Tage sind klar strukturiert, und da­durch wer­den auch die Gedanken klar. Ich habe mich auf dieser Reise ziemlich gut ken­nen­ge­lernt und würde jederzeit wieder losziehen.“

Viel schwieriger als die körperliche Anstrengung der Pilgerreise empfand sie die Rück­kehr in ihr „normales“ Leben. „Das erste Mal Auto fahren war ein völliger Schock für mich“, erzählt sie schmunzelnd. „Alles war so furchtbar schnell. Ich habe fast zwei Mo­na­te gebraucht, um mich vollständig zu akklimatisieren.“

Einige Reiseveranstalter haben sich auf Pilgerreisen spezialisiert

Pilger in Pamplona sägt Kerbe in seinen Stab
Der Pilgerstab gehört dazu. Manche Pilger versehen den Stock für jeden geschafften Tag mit einer Kerbe – dafür kann man schon mal eine Laubsäge mit im Gepäck haben.

Wen die Lust auf eine Pilgerreise packt, dem empfiehlt sie „sehr gutes Schuhwerk, ei­nen passenden Rucksack und ein bisschen Konditionstraining“. Die meisten Pil­ger­we­ge sind gut ausgeschildert – ein Pilgerführer sollte aber trotzdem mit ins Ge­päck.

Über­nach­tungsmöglichkeiten gibt es überall entlang der Pilgerwege in güns­ti­gen Pil­ger­her­ber­gen. Diese sind allerdings oft überfüllt und man muss mit wenig Platz rech­nen. Das ist nicht jedermanns Sache. Gerade auf dem Jakobsweg ist man generell sel­ten allein.

Wer sich nicht in Eigenregie auf den Weg machen will, wendet sich am besten an Rei­severanstalter, die sich auf Pilgerreisen spezialisiert haben, etwa an das Bayri­sche Pil­ger­büro in München oder an das Tourismusreferat der Erzdiözese Salzburg. Die An­ge­bote für Pilgerreisen sind vielfältig. Sie reichen von Wanderungen über Vorträge bis hin zu Klosteraufenthalten, Vatikanbesuchen und Kreuzfahrten zu großen Festen des Glaubens.

Jakobsweg bei Weingarten: Nur noch 2.400 Kilometer!

Mittlerweile gibt es etliche Bücher über das Pilgern, insbesondere auf dem Jakobsweg. Der wohl bekannteste Reisebericht ist Hape Kerkelings „Ich bin dann mal weg – Meine Reise auf dem Jakobsweg„, in dem er ganz persönliche Erfahrungen erzählt.

Hilfreich für die Vorbereitung und Durchführung einer solchen Pilgerwanderung sind die beiden Bücher „Pilgern auf den Jakobswegen (Basiswissen für draußen)“ und „Pilgertipps & Packliste Jakobsweg: Was mit muss und was zu Hause bleiben kann„.

 

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