Ein guter Reitlehrer beherzigt einen großen Teil der hier zusammengefassten Punkte. Tut er (oder sie) das nicht, sollten Sie über Ihre Wahl nachdenken.
Es gibt keine perfekten Reiter (auch wenn manche es glauben), keine perfekten Pferde (aber fast!) und keinen perfekten Reitlehrer. Wenn sich drei nicht-ganz-perfekte Lebewesen perfekt ergänzen, gibt es dennoch ein perfektes Team.
Vergleichen Sie!
Vor allem für Anfänger ist es schwierig, einen guten Reitlehrer zu finden. Denn: Anfänger haben keine Vergleichsmöglichkeiten, sie wissen oft noch gar nicht, was sie genau wollen, geschweige denn, worin derUnterschied zwischen gutem und schlechtem Reitunterricht besteht.
Unabhängig von der Reitweise gilt: Pferd, Reiter und Reitlehrer müssen zusammen passen. Das klingt nach einer Binsenweisheit, ist aber die Grundlage für das Gelingen einer guten Reitausbildung, die Pferd und Reiter weiterbringt.
Ein Reitlehrer muss in der Lage sein, dem Reiter die theoretischen Grundlagen der Hilfengebung zu vermitteln – das setzt voraus, dass er diese nicht nur kennt, sondern auch in der Lage ist, die teilweise komplexen Zusammenhänge in einfache, einprägsame und für den jeweiligen Reiter verständliche Sprachbilder zusammenzufassen.
Neben fachlicher Kompetenz braucht ein Reitlehrer daher auch das Feingefühl, die geistigen, seelischen und körperlichen Fähigkeiten und Grenzen eines Reiters (und seines Pferdes) einzuschätzen und darauf Rücksicht zu nehmen.
Ein neuer Reitlehrer – die erste Stunde lässt tief blicken
Gute Reitstunden beginnen vor dem Aufsitzen. Das gilt ganz besonders für die erste Reitstunde in einem neuen Stall. Ein verantwortungsvoller Reitlehrer…
- … gibt einem Neuling eine kurze Einführung in seinen Stall, zeigt ihm z. B. Sattelkammer, Reiterstüberl und Toilette. Das hat nicht nur informativen Charakter, sondern auch sozialen.
- … fragt einen neuen Reitschüler nach dessen Reiterfahrung und nach seinen Wünschen.
- … besteht auf einer Einzelstunde, um zu überprüfen, ob die Selbsteinschätzung des Reiters mit seinem eigenen Bild übereinstimmt.
- … wählt für einen Anfänger oder Neuling ein zuverlässiges, einschätzbares Pferd, das auch körperlich zum Reiter passt.
- … erklärt Anfängern das Putzen, Satteln und Auftrensen oder übergibt diese Aufgabe an eine qualifizierte Person.
- … kontrolliert vor dem Aufsitzen die Ausrüstung und weist gegebenenfalls auf Fehler hin.
Fachwissen und didaktische Kompetenz Reitunterricht
Ein guter Reitlehrer setzt erreichbare Ziele. Er baut seinen Unterricht logisch, in kleinen Schritten und von leicht nach schwer auf. Er …
- … erkundigt sich vor der Stunde nach der Tagesverfassung des Reiters und bespricht kurz das Lernziel der jeweiligen Stunde.
- … weicht von diesem Lernziel ab, wenn unerwartete Schwierigkeiten auftreten.
- … redet langsam, deutlich und so laut, dass er auch aus größerer Entfernung und bei Nebengeräuschen verstanden wird. Ein Headset-Mikrofon ist die bessere Wahl als lautes Schreien.
- … unterscheidet zwischen Anweisung („Angaloppieren bei C“), Korrektur („Außenschenkel eine Handbreit zurück!“) und Erklärung („Beim Angaloppieren wird der Außenschenkel eine Handbreit nach hinten gelegt. Dadurch wird das Reitergewicht auf den inneren Gesäßknochen verlagert. Der Außenschenkel begrenzt das Pferd außen, der Innenschenkel gibt den Impuls zum Angaloppieren. Etc. „)
- Korrekturen gibt der Reitlehrer während einer Übung und hält sie entsprechend knapp. Erklärungen gibt er vor der Lektion, mitunter auch danach im Zusammenhang mit einer Rückmeldung. Längere Ausführungen aus der Reitlehre überfordern die meisten Reiter, wenn sie sich zugleich aufs Reiten konzentrieren sollen. Das gehört dann eher in den Theorieunterricht.
- … vergewissert sich durch gelegentliche Rückfragen, ob seine Anweisungen und Erklärungen überhaupt verstanden wurden.
- … verzichtet auf Äußerungen ohne jeden Informationsgehalt oder Nutzwert, wie „Jetzt tun Sie mir doch den Gefallen, und reiten Sie endlich!“
Soziale Kompetenzen eines Reitlehrers
Ein guter Reitlehrer ist sich seiner Vorbildfunktion bewusst, und nimmt diese ernst. Er pinkelt nicht in die Box, raucht nicht im Stall und lässt sein Equipement nicht überall herumliegen. Er …
- …knurrt seine Schüler nicht nur an, sondern sucht das Gespräch. Er ermutigt seine Schüler, Schwierigkeiten anzusüprechen, Vorschläge zu machen und Wünsche zu äußern.
- … widmet in Gruppenstunden jedem seiner Reitschüler ähnlich viel Zeit. Wenn er einen lieber mag als den anderen, bevorzugt er ihn trotzdem nicht.
- … nimmt auf das individuelle Lerntempo und den Charakter des Einzelnen Rücksicht. Er ermutigt Ängstliche, fordert Ehrgeizige und bremst Ungestüme. Bei Gruppenstunden stellt er seine Schüler nach Können und Charakter möglichst „passend“ zusammen.
- … spart nicht mit Lob. „Nicht geschimpft ist genug gelobt“, hat im Reitunterricht nichts verloren. Kritik übt er konstruktiv. Er beendet die Stunde mit einem Erfolgserlebnis – egal, wie klein dieses ist.
- … kritisiert die Ausführung einer Übung, und nicht die ausführende Person. Er beschimpft weder Pferd noch Reiter als „faul“, „unfähig“ oder Ähnliches.
- … gestaltet seinen Unterricht abwechslungsreich und vielseitig.
- … beginnt und beendet seine Trainingseinheiten pünktlich.
- … kennt seine Schulpferde und reitet sie regelmäßig Korrektur.
- … geht verantwortungsvoll mit dem Partner Pferd um. Er achtet auf den einwandfreien Gesundheitszustand, die artgerechte Haltung und Fütterung, die sachgerechte Hufpflege und eine passende Ausrüstung.
- … legt vor, während und nach der Reitstunde größten Wert auf Sicherheit und weist auf potentielle Gefahrenquellen hin. Im Zweifelsfall bricht er eine Übung lieber ab, als einen Unfall zu riskieren.
Vermutlich ist es illusorisch, einen Reitlehrer zu finden, der all diese Punkte beachtet. Trotzdem sollten gerade Anfänger sich nicht einreden lassen, es sei „völlig normal“, wenn die Reitstunde immer eine halbe Stunde zu spät kommt, wenn er die Reitstunde nutzt, um seine privaten Telefongespräche zu führen, oder wenn er er seine Reitschüler regelmäßig anbrüllt.
Jeder Reitschüler hat das Recht auf einen Reitunterricht, der ihn weiterbringt – scheuen Sie sich nicht, auf diesem Recht zu bestehen. Immerhin bezahlen Sie dafür. Informieren Sie sich auch über die verschiedenen Unterrichstile und das Gelingen einer guten Reitstunde.
Anmerkung: Wenn wir hier von „Reitlehrer“ und „Reitschüler“ ausschließlich in der männlichen Form schreiben, ist das der sprachlichen Vereinfachung und besseren Lesbarkeit geschuldet. Wir meinen wir damit selbstverständlich auch die vielen Reitlehrerinnen und Reitschülerinnen.