Gut behütet: Muss ich auf der Pferderennbahn einen Hut tragen?

Zutritt nur mit Hut: In Ascot, auf Großbritanniens traditionsreichster Galopprennbahn, herrscht ein strenges Moderegiment, und wer keinen Hut trägt, muss draußen bleiben. Woher kommt der Dresscode, und wie sieht das in Deutschland aus?

Wenn in Royal Ascot die besten Vollblüter der Welt um den hochdotierten Gold Cup kämpfen, diskutiert die Presse am nächsten Tag nicht die Frage: „Wer hatte das schnellste Pferd am Start?“ sondern: „Wer trug den spektakulärsten Hut, und wer lieferte den peinlichsten modischen Fehltritt?“

Die schnellsten Pferde für den Krieg

1711 ließ Königin Anne das erste Pferderennen in Ascot austragen. Teilnehmen durfte damals jedes Pferd über sechs Jahre; als Siegerprämie lockten hundert Guineas.

Das Rennen diente der Sichtung des „Pferdematerials“ – man wollte die schnellsten und besten Pferde für den Krieg finden. Ob die damaligen Siegerpferde tatsächlich in die Schlacht zogen, ist nicht überliefert.

Pferderennen Baden-Baden
Schon in der Antike wurden Pferderennen ausgetragen, erst vor dem Wagen. Rennen waren ein Härtetest und dienten (und dienen) der Zuchtauslese. Das erste „moderne“ Pferderennen in Europa wurde 1622 in Englad ausgetragen. In Deutschland wurde das erste Pferderennen nach englischem Vorbild 1822 an der Ostsee gelaufen. Die Galopprennbahn in Iffezheim (hier im Bild) gibt es seit 1858. Sie zählt damit zu den traditionsreichsten Rennbahnen Deutschlands.

Die Pferderennbahn, nur wenige Kilometer vom königlichen Schloss Windsor entfernt, ist bis heute eng mit dem Königshaus verbunden. Seit mehr als dreihundert Jahren werden hier Pferderennen gelaufen, und seit mehr als dreihundert Jahren geben sich Könige und Prinzen, Lords und Ladys, Reiche und Schöne hier ein Stelldichein. Kein Wunder also, dass es hier nicht nur um flinke Pferdebeine geht, sondern darum, gesehen zu werden – Seite an Seite mit der Prominenz.

Hutmode Galopprennbahn Iffezheim
Sehen und gesehen werden: Ein Renntag ist die perfekte Gelegenheit, um Outfits und Hüte zu tragen, die sonst die meiste Zeit im Schrank liegen. Overdressed ist man in Baden-Baden jedenfalls nicht.

Royal Enclosure: Zutritt nur mit Patenschaft!

Frau auf Roller
Hut ist Pflicht im Royal Enclosure. Über Roller schweigt sich die Kleiderordnung aus …

Das ist gar nicht so einfach, denn der Zugang zum „Royal Enclosure“, dem exklusivsten , prestigeträchtigsten und damit begehrtesten Teil der Rennbahn, in dem sich die Mitglieder des Königshauses aufhalten, ist streng reglementiert. Wer hinein will, hat am besten schon immer dazu gehört. Neue Bewerber müssen eine Patenschaft von jemandem vorweisen, der schon mindestens seit vier Jahren Zutritt zum Royal Enclosure hat. Dieser Jemand ist dann eine Art Bürge für das gute Ansehen des Bewerbers, fast wie im viktorianischen Zeitalter.

Bewerbungen werden streng geprüft, wer angenommen wird, bekommt eine Einladung des Königshauses. Mit dieser Einladung kann ein Abzeichen für den Besuch des „Royal Meetings“ beantragt werden – das ist handgeschrieben und gilt nur für die benannte Person. Eintrittskarten auf Ebay einfach weiterverkaufen? Nicht im Royal Enclosure von Ascot! Ein Ticket für einen Renntag kostet übrigens zwischen hundert und sechshundert Pfund. Ohne Verpflegung, versteht sich.

Libellius Quiz

Dürfen die Herren auf der Pferderennbahn von Ascot auch gebrauchte oder geliehene Anzüge tragen?

Das ist nur gestattet, wenn der Anzug in einem von der Rennbahn zertifizierten Geschäft geliehen wird.

Ja, aus Gründen der Nachhaltigkeit wurde das inzwischen gestattet.

Nein, das ist definitiv nicht erlaubt.

Kleiner Tipp: Die korrekte Antwort finden Sie im Beitrag auf dieser Seite

Adel verpflichtet zur Kleiderordnung

Nicht nur die Zahl der Gäste ist im Royal Enclosure reglementiert – auch ihr Erscheinungsbild hat strengen Regeln zu folgen. Wer eine Eintrittskarte erhält, verpflichtet sich zur Einhaltung der geltenden Kleiderordnung, die schon Monate im Vorfeld mit der Eintrittskarte zugestellt wird. Wer das für eine reine Formsache hält, hat wenig von den Briten verstanden.

Fascinator
Elegant, aber im Royal Enclosure unerwünscht: Diese Dame würde gleich aus zwei Gründen abgewiesen – der Hut ist kein Hut, sondern ein Fascinator, und auch wenn das Kleid die Knie bedeckt und die Träger die vorgeschriebenen 2,5 cm haben, so ist der Ausschnitt doch deutlich zu tief, um für das royale Britannien als schicklich durchzugehen.

Im elitärsten Zuschauerbereich müssen Damenkleider und Kostüme mindestens die Knie bedecken. Miniröcke sind nicht erlaubt, tiefe Dekoltees, Spaghettiträger oder Neck-Holder ebenso unerwünscht. Bei Trägerkleidern wird die Breite der Träger (mindestens 2,5 cm) beim Einlass nachgemessen, wer die Anforderungen nicht erfüllt, wird abgewiesen oder gegen eine Gebühr mit dem Notwendigsten umgestyled.

Jedes Jahr wird der Dresscode überarbeitet und – moderat – an neue Entwicklungen angepasst. So ist seit ein paar Jahren zum Beispiel das Tragen eines Jumpsuits oder Hosenanzugs erlaubt, allerdings nur, wenn er einfarbig und bodenlang ist. Die Kleiderordnung soll das Erscheinungsbild des Publikums „optimieren“ und Fashion-Pannen schon im Vorfeld auszuschließen.

Elegant und ein bisschen konservativ sollte die Garderobe sein, was zu bunt oder zu schrill ist, ist verboten. Dennoch sind vor allem unter den Damen schillernde Paradiesvögel zu finden, die die Grenzen der Kleiderordnung ausreizen – was 2012 eine Verschärfung der Kleiderordnung zur Folge hatte. Dabei erschien sogar Queen Elizabeth II in gewagtem Pink.

Bei den Herren gibt es für stilistische Ausrutscher weniger Spielraum: Vorgeschrieben ist ein grauer oder schwarzer Anzug, Weste, Hemd und Krawatte, schwarze Schuhe, schwarze Socken, bitteschön ohne jeden Aufdruck. Bunte Assecoires? Verboten!

Ein eher neuer Aspekt ist Nachhaltigkeit. Der Dresscode ermutigt zum Tragen geliehener oder gebrauchter Garderobe – etwas, das für die High Society des 19. Jahrhunderts unvorstellbar gewesen wäre.

 

Wie kam der Hut auf die Rennbahn?

Egal ob Frau oder Mann: Zutritt zum Royal Enclosure hat nur, wer einen Hut trägt. Für Herren gilt Zylinder-Pflicht. Ablegen dürfen sie diesen nur in geschlossenen Räumen und beim Essen.

Frauen mit Hut
Diese Damen sind perfekt gestylt für den Royal Enclosure – dem Herrn fehl der Zylinder, den er in Ascot nur beim Essen und in geschlossenen Räumen ablegen darf.

Für Damen sind die Vorschriften lockerer – hier trifft schlichte Eleganz auf britische Exzentrik, bis hin zu Hutkreationen, die Schlagzeilen machen. Für alle gilt: Der Hut muss an der Basis einen Durchmesser von mindestens zehn Zentimetern haben. Der beliebte Fascinator, eine Art „Kopfgesteck“, bei dem Federn, Fusseln und diverse andere Matrielien an einem Haarreif befestigt werden, war nur kurzzeitig erlaubt. Die Kreationen waren wohl zu ungewöhnlich – der Fascinator wurde im Royal Enclosure wieder verboten. (In anderen Bereichen der Rennbahn ist er zwar nicht so gern gesehen, aber erlaubt.)

Fascinator
Erst erlaubt, dann verboten: Der Fascinator. Kurzzeitig erlaubt, wurde er im Royal Enclosure wieder von der Kleiderordnung gestrichen. Zu abenteuerlich wurden die „Haargestecke“, die bei weitem nicht immer so dezent daherkommen wie dieses Modell mit Spitze.

Eingebrockt hat den Briten die Sache mit dem Hut der Dandy George Bryan „Beau“ Brummell. Brummell, best gekleideter Mann Englands, Stilikone und enger Freund des Prinzregenten, brauchte eigenen Angaben nach rund fünf Stunden, um sich anzukleiden. Er polierte seine Stiefel mit Champagner und erfand den gestärkten Hemdkragen. Trotz aller Extravaganz bevorzugte er gedeckte Farben und machte den modernen, gerade geschnittenen Herrenanzug salonfähig.

Er war es auch, der der Krawatte zu ihrer Verbreitung verhalf, und der maßgeblich daran beteiligt war, dass der Hut das damals übliche Tragen von Perücken ablöste (oder zumindest ergänzte). Um 1800 herum soll er seine persönlichen Stil-Vorlieben als Dresscode in Ascot etabliert haben – damals bereits das wichtigste Ereignis im gesellschaftlichen Kalender. Beau Brummell starb verarmt, hinterließ aber ein Erbe, von dem moderne Influencer träumen: Auch zweihundert Jahre später ist sein Kleidungsstil in der feinen Gesellschaft der königlichen Rennbahn Gesetz.

Gibt es auf deutschen Rennbahnen auch einen Dresscode?

Frauen mit Hut Iffezheim
Auf deutschen Rennbahnen gibt es keinen offiziellen Dresscode. Mit Hut-Wettbewerben und freiem Eintritt für Hutträger(innen) wird das Tragen eleganter Garderobe mit Hut attraktiv gemacht.

Was den Briten heilig ist, ist in anderen Ländern weit lockerer. Auf deutschen Rennbahnen gibt es keine explizite Kleiderordnung. Elegante Garderobe ist erwünscht, aber nicht vorgeschrieben – Miniröcke oder Shorts sind zwar nicht besonders gern gesehen, aber auch nicht verboten.

Auf einigen Rennbahnen wie in Hamburg oder Baden-Baden gibt es einen Damentag – Frauen, die an diesem Tag mit Hut erscheinen, erhalten ermäßigten oder kostenlosen Eintritt. Beim Hutwettbewerb am Hamburger Derby locken attraktive Preise – ein Pferderennen ist auch ohne Dresscode immer eine gute Gelegenheit, Kopfbedeckungen zu tragen, mit denen man den Rest des Jahres overdressed ist.

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