Heiße Tage sind ein guter Grund, sich die Kugel zu geben – eisgekühlt und im Waffelhörnchen. Schon Alexander der Große und Nero waren eiskalte Genießer.
Bereits vor rund 5.000 Jahren verwendeten die Chinesen Schnee und Natureis zur Kühlung von Getränken und stellten damit die Vorläufer des ersten Speiseeises her. Doch auch die Europäer entwickelten früh eine Leidenschaft für den kalten Genuss.
Alexander der Große und Kaiser Nero waren eiskalte Genießer
Alexander der Große ließ Erdlöcher ausheben und mit Holz verkleiden. Dort lagerte er Gipfelschnee und Gletschereis, welche er bei Bedarf mit Wein oder Honig, Milch oder Fruchtsaft mixte. Diese Mischung gab er seinen Offizieren zu trinken, um sie bei Laune zu halten.
Ein großer Eisesser war auch der römische Kaiser Nero. Er ließ von Stafettenläufern Eis und Schnee aus den vierhundert Kilometer entfernten Alpen nach Rom transportieren, um es dann zu verfeinern – mit Zitronen, zerdrückten Himbeeren und verschiedenen Gewürzen wie Ingwer, Zimt oder Rosenwasser.
Außer der Temperatur hatte das Eis der Antike allerdings wenig mit unserem heutigen Speiseeis zu tun. Es war einem Sorbet ähnlich und musste sofort gegessen werden, da es sich nicht konservieren ließ. Mit dem Ende des römischen Reiches endete vorerst auch der Eisgenuss in Europa. Erst der venezianische Kaufmann und Weltreisende Marco Polo (1254 – 1324) brachte im 13. Jahrhundert Eisrezepte aus Asien mit nach Hause. Von Venedig aus verbreiteten sich diese über ganz Europa. Daher glauben viele Menschen, die Italiener hätten das Speiseeis erfunden.
Revolution für die Eisherstellung: Kühlung durch Salpetersalz
Bis ein Zuckerbäcker aus Catania 1530 die kühlende Wirkung von Salpetersalz entdeckte, blieb die Herstellung von Speiseeis eine aufwendige Angelegenheit. Gibt man Salpetersalz oder genauer Kaliumnitrat (KNO3) in Wasser, löst es sich unter starker Abkühlung auf, wobei die Wärme von der Umgebung aufgenommen wird. Nun wurden Getränke in schlanke Phiolen gefüllt und diese in die Salpetersalzlösung gestellt; die Flüssigkeiten froren ein. Die Erzeugung künstlicher Kälte machte den Naturschnee für die Eisherstellung plötzlich zum Schnee von gestern.
Mit einer Sondergenehmigung Ludwig XIV. eröffnete Francesco Procopio de Coltelli im Jahr 1672 das Pariser Traditionscafé „Procope“ und ermöglichte erstmals auch der breiten Öffentlichkeit Zugang zu dem kulinarischen Erlebnis. Davor war der Eisgenuss einer privilegierten Oberschicht vorbehalten, und Eisrezepte wurden wie Staatsgeheimnisse gehütet – auf ihren Verrat hin rollten Köpfe.
1673 brachten geschäftstüchtige Berater den Sonnenkönig auf die Idee, eine Speiseeissteuer zu erheben und die Rezepte zu verkaufen. Damit gelangte die Spezialität über die Schlossmauern hinaus an die Öffentlichkeit und verbreitete sich von Paris aus schnell über ganz Frankreich und mit etwas Verzögerung auch über das restliche Europa.
George Washington: einer der ersten Besitzer einer Eismaschine
Auch in Amerika erfreute sich das Speiseeis bald großer Beliebtheit. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts erfand die amerikanische Hausfrau Nancy Johnson die erste brauchbare Speiseeismaschine mit Kurbel und Eisbecher.
Einer ihrer ersten Käufer soll der amerikanische Präsident George Washington gewesen sein, der selbst große Mengen Speiseeis für seine Gäste auf Gut Mount Vernon herstellte.
Die erste Speiseeisfabrik eröffnete 1851 in Baltimore (USA), und das erste Speiseeis, wie es heute gegessen wird, wurde 1864 hergestellt. Der Durchbruch in der industrieellen Speiseeisherstellung kam aber erst 1881, als die von Professor Carl von Linde erfundene Kältemaschine in Betrieb genommen wurde, nach deren Prinzip auch unsere heutigen Kühlschränke funktionieren.
Das Eis am Stiel, das aus den heutigen Tiefkühltruhen nicht mehr wegzudenken ist, ließ sich der Amerikaner Harry Rust am 9. Oktober 1923 patentieren. Etwas jünger ist das Softeis – bei dessen Entwicklung übrigens Englands eiserne Lady Margaret Thatcher ihre Finger mit im Spiel hatte.
Armer Goethe: seine Mutter verbot den Eisgenuss
1759 bekam der damals zehnjährige Goethe von einem Gast der Familie eine große Portion Speiseeis geschenkt. In „Dichtung und Wahrheit“ schreibt er darüber: „…dass die Mutter uns höchlich betrübete, indem sie das Gefrorene, dass man uns von der Tafel sendete, weggoß, weil es ihr unmöglich vorkam, dass der Magen ein wahrhaftes Eis, wenn es auch noch so durchzuckert sei, vertragen könne.“
Auch viele Mediziner glaubten, dass Eis dem Magen schade. Tatsächlich ist es beim Servieren etwa vier Grad Celsius kalt. Aber wenn es erst einmal im Mund angekommen ist, erwärmt es sich sofort auf acht bis zwölf Grad. Im Magen erreicht es bereits eine Temperatur von rund zwanzig Grad. In dieser Hinsicht ist der Eiskonsum ungefährlich – Goethes Mutter hätte sich eher wegen des kalorienreichen Zuckers Gedanken machen sollen.