Ernestus Weinrauch schrieb seine Musik dem Zwiefalter Münster auf den Leib. Seit 2005 werden die Werke des Klosterkomponisten hier wieder aufgeführt.
Ernestus Weinrauch wurde 1730 in Donauwörth geboren. Der älteste Sohn eines Glasermeisters kam schon in jungen Jahren in die Benediktinerabtei Zwiefalten, die damals in voller Blüte stand. Dort blieb er bis zu seinem Tod am 9. April 1793.
Zu seinen Lebzeiten bekleidete Ernestus Weinrauch das Amt des Subpriors und war als Ordenskapitular und Chorleiter tätig. Zu seinen Aufgagen gehörte auch die musikalische Ausbildung der Klosterschüler, von denen der Opernkomponist Conradin Kreutzer der bekannteste ist.
Der Komponist blieb in Zwiefalten, seine Werke gingen hinaus in die Welt
Weinrauch widmete sich, soweit heute bekannt, in seinen Kompositionen ausschließlich der Kirchenmusik. Bei der Vertonung liturgischer Texte legte er großen Wert auf Texttreue und Textverständlichkeit; Solisten und Chor stehen immer im Vordergrund des musikalischen Geschehens.
„Die Musik Pater Weinrauchs besitzt in weiten Teilen eine eigene musikalische Ästhetik. Häufig deckt sie sich nicht mit der viel bekannteren, so genannten ‚Wiener Klassik’. Sie geht oft eigene Wege und hat mehr mit der Musik des ‚empfindsamen Stils’ eines Carl Philipp Emmanuel Bach oder der ‚Mannheimer Schule’ gemeinsam“, erläutert Musikwissenschaftler Torsten Mario Augenstein in seiner Doktorarbeit „Musik des 18. Jahrhunderts im oberschwäbischen Raum, P. Ernestus Weinrauch (1730 – 1793), Zwiefalten“.
Obwohl Weinrauch das Kloster Zwiefalten praktisch nie verließ und keines seiner Werke drucken ließ, fanden diese schon zu seinen Lebzeiten große Verbreitung und wurden in der Schweiz, der Steiermark und in Polen aufgeführt. „Das zeigt deutlich Weinrauchs Bekanntheitsgrad“, so Augenstein. „Als Komponist ist er auf der Höhe seiner Zeit zu sehen.“
Seit 2005 finden alle zwei Jahre Weinrauchkonzerte in Zwiefalten statt
Rund dreißig Werke Weinrauchs sind erhalten geblieben – noch heute sind sie weit verstreut. Die Recherchen für seine Doktorarbeit führten Torsten Mario Augenstein nach Polen und Ungarn, nach Österreich und in die Schweiz, nach Regensburg und Berlin, wo er in Archiven stöberte. In Zwiefalten, wo Weinrauch lebte und wirkte, sind keine Schriften erhalten geblieben. Sie gingen in den Wirren der Säkularisation und der Klosterauflösung verloren oder wurden in alle Winde zerstreut.
Auch Ernestus Weinrauch selbst geriet in seiner Heimat in Vergessenheit. Erst 2005, anlässlich Weinrauchs 275. Geburtstags, kamen auf Initiative des Geschichtsvereins Zwiefalten erstmals wieder Stücke des Klosterkomponisten im Münster zur Aufführung. Ursprünglich als einmaliges Projekt geplant, fand dieses Weinrauch-Konzert so großen Anklang, dass 2007, 2009 und 2011 weitere Konzerte folgten; Aufführungen im Zwei- Jahres-Takt sind angedacht.
Weinrauchkonzerte im Zwiefalter Münster sind ein Gesamtkunstwerk
„Es ist fantastisch, dass diese Musik, die fast zweihundert Jahre lang ungehört blieb, nun wieder im Münster erklingt“, so Otto Reichhard, einer der Hauptakteure hinter den Weinrauchkonzerten. „Diese Musik wurde für das Münster geschrieben und gehört hierher. Die Münsterkonzerte spiegeln eine ganze Epoche wieder – Architektur, Malerei und Musik bilden eine Einheit.“
Auch der Geschichtsverein Zwiefalten sieht im Münster den idealen Rahmen für Weinrauchs Musik – immerhin ist diese hier entstanden und dem Münster sozusagen auf den Leib geschrieben. „Wir wünschen uns, dass sich die Bevölkerung auch mit der hier entstandenen Musik identifizieren kann. Es ist uns wichtig, dass das Projekt nicht in Konkurrenz mit dem musikalischen Vereinsleben in Zwiefalten gesehen wird“, betont Bürgermeister Hubertus-Jörg Riedlinger und Vorsitzender des Zwiefalter Geschichtsvereins.
„Dem Zwiefalter Geschichtsverein liegt neben der Dokumentation und Erforschung der Klostergeschichte auch die klösterliche Musik am Herzen. Diese wollen wir aufleben lassen. So soll eine Bereicherung des Musikschaffens über das Lokale hinaus möglich werden. Das ganze Projekt wird von Menschen aus der Region getragen – dieses identitätsstiftende Moment ist uns sehr wichtig.“