Es klingt harmlos: Kinder bemalen ein Pony und haben Spaß. Tierschützer sehen darin eine respektlose Behandlung und Tierquälerei. Was spricht dafür – und was dagegen? Was sollten Sie beachten, wenn Sie Ihr Pferd bemalen (lassen)?
Im Rahmen des Kinder-Ferienprogramms in Hamm bot Reittherapeutin Ina Glomb das Bemalen ihrer beiden Pferde an, und handelte sich damit mächtig Ärger und Kritik ein. Die Hammerin Elke Kuhlmann kritisierte die Aktion nicht nur in einer persönlichen Email, sondern auch öffentlich. Es sei ein „fragwürdiger Trend“ und respektlos, ein „Tier als Staffelei auf vier Beinen“ zu benutzen, da dieses sich nicht dagegen wehren könne.
Tierschutzorganisation PETA: „Pferde bemalen ist Ausbeutung“
Kuhlmann beschwerte sich beim Oberbürgermeister, bei der Leiterin des Ferienprogramm, bei der Vorsitzenden des Kinder- und Jugendhilfeausschusses und beim Vorsitzenden des Tierschutzvereins. Letzterer lehnte die Aktion nach Rücksprache mit dem Tierschutzbund aus „tierschutzrechtlicher und pädagogischer Sicht“ ab. Die Reittherapeutin zog ihr Angebot aus dem Ferienprogramm zurück und lud ihre Kritikerin zu sich auf den Hof ein, um sich selbst ein Bild zu machen. Eine Antwort erhielt sie nicht.
Das Ereignis ist kein Einzelfall – in England fordern mehr als 340.000 Menschen ein Verbot von „Pony Paint Partys“. Hier ist nicht nur von einem „fragwürdigen“, sondern von einem „grausamen Trend“ die Rede. Die Petition wird von der Tierschutzorganisation PETA massiv unterstützt.
In einer Stellungnahme von PETA hieß es, „Das erste, was einem Kind beigebracht werden sollte, ist die Goldene Regel – nämlich andere so zu behandeln, wie man auch selbst behandelt werden möchte. So wie Kinder nicht gezwungen werden möchten, still zu stehen, während sie jemand anderer am ganzen Körper anmalt, so ist es auch falsch, Ponys genau dieser Behandlung auszusetzen. Kindern zu erlauben, Ponys wie Malbücher zu behandeln ist eine Schulstunde in Gefühllosigkeit und Respektlosigkeit, die verantwortungsvolle Eltern ihnen niemals zumuten würden.“ Pferde zu bemalen sei „Ausbeutung“.
Die renommierte Zeitschrift „Horse&Hounds“ positionierte sich deutlich gegen die Petition: Die Argumente beruhten auf falschen Annahmen und seien „nichts anderes als eine unzulässige Vermenschlichung“ des Lebewesens Pferd. In der Stellungnahme hieß es: „,Tiere wollen nicht angemalt werden’, heißt es in der Petition. Sagt wer? Die meisten Pferde lieben es, gepflegt und gestreichelt zu werden, sie lieben es, wenn man sie bürstet – es tut ihnen geistig und körperlich gut. Worin liegt denn der Unterschied, ob man nach einem Ritt Schweiß und Staub abwischt oder mit einem bunten Pinsel übers Fell fährt? Wieso soll es eine Rolle spielen, ob die Hand eines Kindes bemalt ist, wenn sie ein Pony streichelt? Ponys ist es herzlich egal, ob sie unterschiedliche Farben haben.“
Weiter hieß es: „Ironischerweise ist das Bild, das die Petition verwendet, um diese ,Grausamkeit’ zu illustrieren, ausgerechnet ein Pony, das im Halbschlaf vor sich hindöst und offensichtlich völlig unbeeindruckt von seinem bunten Äußeren ist. Den nicht-pferdeaffinen Menschen, die hier unterschreiben möchten, sei gesagt: Wenn dieses Pony wirklich irgendwelche Schmerzen hätte, würde es nicht so aussehen.“
Respekt und Bemalen schließen einander nicht aus …
Auch in den sozialen Netzwerken kocht das Thema immer wieder hoch. Meist wird die Diskussion um ein kontroverses Thema sehr emotional und unsachlich geführt. Statt sachkundiger Argumente und differenzierter Auseinandersetzung mit Pro und Contra liest man Verurteilungen von der einen und Rechtfertigungen von der anderen Seite. Punkte, die tatsächlich kritisch zu sehen sind, gehen dabei unter. Tatsächlich sind viele Argumente gegen das Bemalen aus Pferdehaltersicht schwer nachzuvollziehen oder sogar ärgerlich. Dazu zählen:
„Das erste, was einem Kind beigebracht werden sollte, ist die Goldene Regel – nämlich andere so zu behandeln, wie man auch selbst behandelt werden möchte.“ Nein. Das erste, das Neulinge am Pferd lernen sollten (egal ob Kinder oder Erwachsene) ist, dass Pferde andere Bedürfnisse haben als Menschen, und wie man diese Bedürfnisse erkennt und adäquat und artgerecht(!) erfüllt. Ein Pferd so zu behandeln, wie man selbst behandelt werden möchte, führt in vielen Fällen zu gut gemeinter Vermenschlichung und Fehlbehandlung. (z. B.: Pferde haben eine hervorragende Thermoregluierung: ihre Wohlfühltemperatur liegt zwischen fünf und fünfzehn Grad, und damit deutlich niedriger, als beim Menschen. Ein gut beheizter Stall, der für den Menschen „gemütlich“ und „kuschelig“ ist, macht das Pferd auf Dauer krank. So ist es auch bei vielen anderen Dingen: Gut gemeint und 1:1 von sich selbst übernommen, ist oftmals nicht nur falsch, sondern schädlich.) Hinterfragen Sie immer wieder: „Decke ich das Bedürfnis des Pferdes – oder decke ich mein Bedürfnis?“ Und wenn es Ihr Bedürfnis ist: „Schade ich meinem Pferd damit?“
„Pferde bemalen und sie als Staffelei zu benutzen ist Ausbeutung, weil das Pferd sich nicht dagegen wehren kann.“ Nein. Jeder, der mit Pferden zu tun hat weiß, dass diese sich sehr deutlich (und sehr effektiv) gegen eine unangenehme oder gar schmerzhafte Behandlung zur Wehr setzen können – bis hin zu lebensgefährlichen Situationen. Pferde haben ein breites Repertoire an Möglichkeiten, ihr Unbehagen zu zeigen: Von subtilem Naserümpfen bis offensivem Kopfschlagen, Drohen oder Treten. „Ausbeutung“ wird das Bemalen eines Pferdes dann, wenn das Tier Signale von Unwohlsein zeigt und diese zugunsten des eigenen Spaßes übergangen werden.
„Es ist wichtiger, Kindern einen respektvollen Umgang mit dem Pferd beizubringen, als sie alles bemalen zu lassen.“ Ja, natürlich ist das wichtiger. Aber: Respekt und Bemalen schließen einander nicht aus. Verantwortungsvoll begleitet, kann das Bemalen eines Pferdes bei Kindern Berührungsängste abbauen und die Sensibilität für das Pferd sogar verbessern. Das oben angesprochene Beobachten der Reaktion des Pferdes gehört dabei ebenso dazu wie haptische Erfahrungen: „Wo wechselt das Fell seine Richtung?“ (Das bemerkt man mit Farbe an den Fingern sehr viel deutlicher, als „nur“ mit der Bürste.) „Wo und wie verlaufen die Knochen unter dem Fell?“ (In Ausbildungsseminaren wird manchmal die Anatomie des Pferdes aufgemalt, um diese besser sichtbar und verständlicher zu machen.) „Wo ist das Pferd kitzlig und will lieber nicht angefasst werden?“ (Auch das kann man beim Bürsten rausfinden – viele Menschen bürsten aber schneller, als sie malen, und das automatisch gesenkte Tempo ermöglicht eine andere Beobachtung.) Diese und weitere Aspekte machen das Pferd begreifbar – auf spielerische und oft nachhaltigere Weise als ein Theoriekurs.
Was sollte ich beachten, wenn ich mein Pferd bemale?
Wenn Sie Ihr Pferd bemalen (lassen) sollten Sie ein paar Dinge beachten – und zwar nicht nur jene, die auf der Kritikliste von Tierschützern stehen, sondern auch ein paar ganz pragmatische:
- Verwenden Sie nur unbedenkliche Farben, die sich problemlos wieder auswaschen oder ausbürsten lassen. Gut bewährt haben sich Kinderfingerfarben – diese sind ungiftig und abwaschbar. Reitsportgeschäfte bieten auch Produkte wie Glitzerspray oder Glitzergel an. Alternativ können Sie die Farbe auch selbst herstellen. Dazu benötigen Sie Lebensmittelfarbe, die mit etwa vier Esslöffeln Mehl, einem Teelöffel Salz und hundert Milliliter lauwarmem Wasser angerührt wird. Die Paste lässt sich nach dem Trocknen gut wieder ausbürsten.
- Bemalen Sie keine Schleimhäute und empfindlichen Bereiche. Nüstern und Augen sind ebenso tabu wie Ohrinnenseite, Euter oder Schweifunterseite.
- Verzichten Sie auf das Bemalen, wenn Ihr Pferd zu Allergien oder Hautreaktionen neigt.
- Binden Sie das Pferd an einem Ort mit ausreichend Platz an, an dem nicht ständig jemand eine Schubkarre durchschieben oder ein anderes Pferd vorbeiführen will. Je weniger Ablenkung von außen, desto sicherer und ruhiger lässt sich die Aktion gestalten. Das gilt auch für Musik: Verzichten Sie auf laute Partymusik und unterbinden Sie es, wenn die Kinder allzu laut werden.
- Achten Sie auf die Signale Ihres Pferdes und brechen Sie die Aktion ab, wenn es Unwille oder Unbehagen zeigt. Leiten Sie auch beteiligte Kinder dazu an und „übersetzen“ Sie ihnen die Signale, mit denen das Pferd kommuniziert. Nutzen Sie die Gelegenheit, um Kindern etwas über das Pferd und seine Verhaltensweise zu erzählen. Das ist vor allem dann wichtig, wenn sie noch wenig Kontakt zu Pferden hatten.
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Lassen Sie Kinder nie unbeaufsichtigt ein Pferd bemalen und achten Sie auf die Einhaltung von Sicherheitsregeln. Im Eifer des Spielerischen vergessen selbst Profis manchmal gut etablierte Sicherheitsaspekte und knien sich z. B. neben dem Pferdebein hin, um es besser bemalen zu können.
- Halten Sie die Gruppe klein und achten Sie auch darauf, dass nicht zu viele Kinder gleichzeitig am Pferd sind. Ein bis zwei ist meistens die bessere Wahl als eine größere Gruppe.
- Begrenzen Sie die Aktion zeitlich und ziehen Sie sie nicht stundenlang in die Länge.
Ja, es stimmt: Es ist überflüssig, ein Pferd zu bemalen. Mit Bedacht ausgeführt schadet es dem Pferd aber nicht – und auch nicht der Mensch-Pferd-Beziehung. Gut gemacht kann es letztere sogar stärken und um gute Erfahrungen und schöne Erinnerungen erweitern.
Pferde zu bemalen hat übrigens eine lange Tradition: Die nordamerikanischen Indianer versahen ihre Pferde gerne mit künstlichen Abzeichen, um sie vor Schaden zu bewahren. Mehr darüber erfahren Sie im Artikel „Pferdefarben und Abzeichen – Glückssymbole und schlechte Omen„.