Photosyn­these: Wie funk­tioniert sie und was ge­schieht im Blatt?

Bäume binden CO2 und liefern Sauerstoff. Klingt einfach, ist aber komplex. Ein Besuch im Waldlabor liefert Einblicke in den Vorgang der Photosynthese.

Wie funktioniert eigentlich die Photosynthese? Die Frage ist an Prof. Dr. Rainer Matyssek von der TU München gerichtet, und er wählt einen ungewöhnlichen Weg, um sie zu beantworten: nach oben. Hinauf in die Baumkronen, bis auf siebenundzwanzig Meter Höhe, denn im Wald­la­bor im Kranzberger Forst sind auch die oberen Etagen des Waldes bequem zugäng­lich. Na ja, mehr oder weniger bequem, denn der Aufstieg ist anstrengender als gedacht und der Tag wärmer als angenommen.

Photsynthese erfordert die komplexe Ab­stimmung verschiedener Regelkreise

Waldlabor im Kranzberger Forst bei Freising. In einer weltweit einzigartigen Lanzeitstudie wird hier die Wirkung von Ozon auf Bäume erforscht.

Oben, in der Lichtkrone des Mischwaldes, erschließt sich eine neue Welt. Die Sonne scheint, ein paar Wolken ziehen vorbei, es ist vollkommen windstill und angenehm ruhig. Überall sind Kabel und Messgeräte. Und Blätter, Unmengen von Buchenblättern, die augenscheinlich gar nichts tun, nicht einmal leise rascheln. Das ist nun doch ein wenig enttäuschend.

Gar nichts? Über diese unbedarfte Einschätzung kann Matyssek nur den Kopf schüt­teln. Denn die Maschinerie Baum ist in voller Aktion. Millionen winzig kleiner Spalt­öff­nungen an den Blattunterseiten (mehrere Hundert pro Quadratmillimeter) neh­men Koh­len­dioxid für die Photosynthese im Blattinneren auf – ein Vorgang, dessen Be­deu­tung und Ablauf etwas schwammig aus dem Biologieunterricht vor zwanzig Jahren hän­gen­geblieben sind.

Mikroklimakammer zur Photosynthesemessung. Die Daten werden direkt auf den Bildschirm übertragen und machen sichtbar, was im Baum passiert.

„Sie müssen sich diese Spaltöffnungen wie moderne elektronische Regler mit fünf verschiedenen Regelkreisen vorstellen“, erklärt der Ökophysiologe Matyssek. „Sie verarbeiten ständig eine Flut von Informationen über interne und externe Faktoren.“

Der Baum kann jede einzelne dieser Spaltöffnungen präzise regulieren, um die Ab­stim­mung zwischen dem Einstrom von Kohlendioxid (CO2) und dem Ausstrom von Was­ser­dampf infolge Transpiration zu optimieren. Ist es warm und hell, öffnen sich die Spalt­öff­nungen, nehmen Kohlendioxid auf und geben gleichzeitig Wasserdampf ab. Jede „Mahl­zeit“ kostet den Baum also Wasser.

Lieber nimmt der Baum Hunger in Kauf, als zu verdursten

Der Wassergehalt in den Blättern ist entscheidend, ob ein Baum Photosynthese betreibt oder nicht.

„Auf Molekularebene gemessen gibt der Baum hundert- bis tausendmal so viele Was­ser­moleküle ab, wie er CO2-Moleküle aufnimmt“, erklärt Matyssek. „Während der Baum genügend CO2 für die Photosynthese erhalten muss, um nicht zu ‚verhungern’, darf er gleichzeitig nicht zuviel Wasserdampf verlieren, um nicht zu ‚verdursten’, also zu ver­trock­nen.“

Damit der Baum nicht austrocknet, ist der Wassergehalt im Blatt die letzte Instanz im Regelkreis: Ist zu wenig Feuchtigkeit im Baum, bleiben die Spaltöffnungen zu, egal wie sonnig und warm es ist. Der Baum nimmt lieber eine Hungerperiode in Kauf als die akute Gefahr des Vertrocknens.

Bei langanhaltender Trockenheit bilden sich Stresshormone, welche die Fein­wur­zel­bil­dung anregen. Der Baum versucht, über den Boden mehr Wasser auf­zu­nehmen und den Feuchtigkeitsverlust über die Blätter auszugleichen.

Bäume spüren, was um sie herum vorgeht. Dauerbeschattung verheißt meist nichts Gutes – da wächst ein Konkurrent davon.

Auch der CO2-Gehalt in den Innenräumen der Blätter wird ständig überprüft. Ist er gering, gehen die Spaltöffnungen auf, um den Nachschub des Gases zu erhöhen. Ist das Blatt bereits gut mit CO2 versorgt, verengen sich die Spaltöffnungen. So kann Wasser gespart werden.

Bäume spüren, was um sie herum vorgeht

Das Licht gibt dem Baum Aufschluss darüber, was um ihn herum vorgeht. Ziehen Wol­ken vorbei, senkt das nicht nur die Photosyntheseleistung. Beschattung verändert auch die Lichtqualität, das Verhältnis von blauem zu rotem Licht verschiebt sich. Bei lang­fris­tig zunehmender Beschattung „weiß“ der Baum, dass er wachsen muss. Denn gleich­mäßi­ge Dauerbeschattung kommt für gewöhnlich nicht von den variablen Wolken, son­dern von Konkurrenten, die ihm davonwachsen.

Mit zunehmender Größe wird der Wassertransport im Baum schwieriger. Wenn die inneren „Wasseradern“ reißen, kommt es zu einer Embolie – der Baum vertrocknet innerlich.

Das gilt besonders für junge Bäume: Wachstum bedeutet, Raum einzunehmen, dessen Ressourcen genutzt werden können. Je älter der Baum wird, desto langsamer wächst er.

„Je höher ein Baum ist, desto schwieriger wird der Wassertransport“, berichtet Matys­sek. „Die Reibung wird immer größer, die Wasserfäden können reißen. Dann kann es zu einer Embolie kommen, und der Baum vertrocknet intern.“

Um diese Kata­stro­phe zu vermeiden, erhöhen große Bäume ihre „Betriebssicherheit“. Ihre Spalt­öff­nungen reagieren noch sensibler auf Umwelteinflüsse als bei jungen Bäumen – sie wachsen langsamer, auch wenn Konkurrenz droht.

Laub- und Nadelbaum: Zwei verschiedene Antworten auf dieselbe Frage

Einjährige Blätter bringen einen hohe Photosyntheseleistung. Der Nachteil: Sie jedes Jahr neu zu bilden, kostet Energie, und im Winter kann keine Photosynthese betrieben werden.

„Der Selektionsdruck durch die Konkurrenz erfordert eine effiziente Ressourcen­nut­zung, im Kronenraum um Licht, im Wurzelbereich um Wasser und Nähr­ele­mente“, so Matyssek. Untersuchungen an Buchen und Fichten zeigen, dass Laub- und Nadel­bäu­me dieser Konkurrenz anders begegnen. Laubbäume wie die Buche setzen auf ein­jäh­rige Hochleistungsblätter, die eine hohe Photosyntheseleistung erbringen, dafür aber jedes Jahr aus den Reserven neu gebildet werden müssen. Nadel­bäume wie Fich­ten haben weniger leistungsfähige Nadeln, dafür können diese mehr als zehn Jahre am Baum bleiben und, zumindest bei milder Witterung, in geringem Umfang auch im Win­ter Photosynthese betreiben.

Tannennadeln betreiben auch im Winter Photosynthese und bleiben bis zu zehn Jahre am Baum. Das spart Energie und gleicht die geringere Photosyntheseleistung auf längere Sicht wieder aus.

„Hier lassen sich zwei völlig unterschiedliche Lösungsansätze der Evolution für das­sel­be Problem, nämlich einen ausreichenden Kohlenstoffgewinn zu erzielen, beo­bach­ten“, stellt Matyssek fest. Bemerkenswertes Ergebnis der Untersuchung: Auf den ausge­beu­te­ten Raum bezogen erzielten Fichte und Buche im Testzeitraum einen ähn­lich großen Kohlenstoffgewinn. Beide haben also die zur Verfügung stehenden Ressour­cen ähnlich effizient genutzt.

Matysseks Ausführungen im Blätterdach lassen den immer noch reglosen Wald in ei­nem anderen Licht erscheinen. Sie liefern den Ansatz des Begreifens dafür, welches Wun­der sich hier abspielt. Eine Wolke zieht vor die Sonne. Millionen Spaltöffnungen ver­en­gen sich, ungehört und ungesehen. Erst der Computer macht in einem Diagramm sicht­bar, was hier vor sich geht, und eröffnet einen neuen und spannenden Zugang zum Baum.

Unentschlossen: Als einziger europäischer Nadelbaum wirft die Lärche ihre Nadeln jedes Jahr ab. Offenbar ist auch dieses Konzept für eine ausreichende Photosyntheseleistung möglich.

Eine Zusammenstellung wissenschaftlicher Texte zu allen wichtigen Aspekten der Photosynthese bietet das von Peter Härder herausgegebene „Handbuch Photosynthese“. Etwas weniger wissenschaftlich bieten Peter Wohllebens Bestseller „Das geheime Leben der Bäume: Was sie fühlen, wie sie kommunizieren – die Entdeckung einer verborgenen Welt“ und seine „Gebrauchsanweisung für den Wald“ mehr zum Thema.

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner