Spezialeinsatzkommando, Zwangsjacke, Geiselnahme: Wer Sebastian Fitzeks Lesungen besucht, muss auf alles gefasst sein. Nur nicht auf langweiliges Vorlesen.
Geht nicht gibt’s nicht. Zumindest dann nicht, wenn es um Sebastian Fitzek geht. Der Berliner Psycho-Thriller-Autor ist ein Phänomen in der deutschen Literaturszene. „Als ich Verlagen mein erstes Manuskript ‚Die Therapie‚ anbot wurde mir geraten, etwas anderes zu schreiben“, erinnert er sich. „Es hieß, ein deutscher Psycho-Thriller würde nicht funktionieren. Das Genre sei fest in amerikanischer und englischer Hand; ein deutscher Autor habe keine Chance, hier Fuß zu fassen.“
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Sebastian Fitzek: Ich bin furchtbar naiv
Sebastian Fitzek fasste Fuß. Zuerst beim renommierten Droemer Verlag, der den Jungautor, der so gar nicht wie ein Verfasser perfider Psycho-Thriller sondern eher wie Nachbars netter Junge aussieht, mit einer vergleichsweise kleinen Erstauflage unter Vertrag nahm, dann im Bewusstsein überraschend vieler deutscher Thriller-Leser, und schließlich auch auf dem ausländischen, insbesondere dem englischsprachigen Buchmarkt. Damit dürfte er der einzige deutsche Thrillerautor sein, dessen Bücher ins Englische übersetzt werden.
Wie er das geschafft hat? Mit einer gesunden Portion Naivität, Glück und Humor, mutmaßt der Autor selbst. „Dass heute Bücher von mir in der Buchhandlung stehen, verdanke ich meiner Naivität“, meint er. „Hätte ich gewusst, wie wenige Manuskripte gedruckt werden, hätte ich es wohl nie versucht. Es ist manchmal ganz gut, Scheuklappen aufzusetzen, und nicht darüber nachzudenken, was geht und was nicht geht. Ich schreibe meine Bücher so, wie ich sie gerne lesen würde und hoffe, dass ich am Ende nicht der Einzige bin, der das möchte.“
Sebastian Fitzek: Ich bin ein Weichei
Glück und ein wenig Realitätsfremde mögen helfen, doch das allein ist es nicht, was Sebastian Fitzek in die Bestsellerlisten bringt. Es ist auch nicht ausschließlich die Qualität seiner Bücher, die zwar durchaus in einer Liga mit John Katzenbach oder Douglas Preston spielen, diese aber keineswegs übertreffen. Vielmehr sind es der Fleiß, der Witz und die Fantasie, mit der Sebastian Fitzek sich selbst und seine Bücher vermarktet.
Die Buchpremieren des Thrillerautors haben mittlerweile Kultstatus. Bei der Premiere von „Amokspiel“ stürmte ein Geiselbefreiungskommando der SEK durch die geschlossene Tür. „Der Seelenbrecher“ feierte seine Premiere in einer psychiatrischen Klinik – mit einem Sebastian Fitzek, der in Zwangsjacke auf die Bühne geschafft wurde. Auf der Lesetour zum „Augensammler“ hatte Sebastian Fitzek eine fahrende Dunkelkammer dabei. Dort konnte man sich im Stockfinstern eine Szene aus dem Roman vorlesen lassen und sich so besser in die beklemmende Situation hineinversetzen. Der Autor selbst mag es lieber nicht beklemmend. „Ich bin ein Weichei, steigere mich in Situationen hinein und schreibe, um meine Alpträume loszuwerden. Ich stülpe sie quasi dem Leser über“, gesteht Sebastian Fitzek im Gespräch.
Sebastian Fitzek: Ich bin peinlicher als Guido Westerwelle
Auch bei „normalen“ Lesungen präsentiert sich der Autor als brillanter Entertainer, und Besucher müssen auf alles gefasst sein, auch darauf, dass Sebastian Fitzek ein Auge auf sie wirft – glücklicherweise nur eines aus Zuckermasse. „Ich bin ja mittleweile bekannt dafür, dass ich auf meinen Lesungen alles mache außer lesen“, flachst der Berliner.
Das stimmt zwar nicht ganz, aber beinahe. Mehr als zwanzig Minuten wird man Sebastian Fitzek auf einer zweistündigen Lesung nicht lesen hören. Die restliche Zeit erzählt er von skurrilen Begegnungen die ihn zu seinen Romanen inspirieren, beantwortet Fragen ebenso gut gelaunt wie weitschweifig, und scheut sich nicht, mit schrägen Geschichten und ebenso schrägen Fotos frohgemut Einblicke in sein Privatleben zu geben. Auf diese Weise schaffte er es immerhin auf Platz einundvierzig auf der „Liste der 100 peinlichen Berliner“ – noch vor Außenminister Guido Westerwelle und weit vor Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit. Eine Auszeichnung, auf die er stolz hinweist.
Sebastian Fitzeks Freundin beruhigt: „Eigentlich ist er ganz normal“
Ansonsten wirkt der Bestsellerautor immer ein wenig überrascht über seinen eigenen Erfolg, fast so, als hielte er das alles irgendwie für einen komischen Irrtum. Dabei schafft er das Kunststück, weder mit seinem Erfolg noch mit seiner Bescheidenheit zu kokettieren, und sich stattdessen ohne jede Überheblichkeit jedem einzelnen seiner Lesern zu widmen. Er schafft es, die Freude, die er selbst bei Lesungen hat, an seine Zuhörer weiterzugeben. Trotz steigender Leserzahlen schafft er es, Leser-Emails persönlich zu beantworten. Und er schafft es, akribisch für seine Thriller zu recherchieren und im Jahrestakt ein Buch zu veröffentlichen. Nur eins schafft der Berliner trotz aller Bemühungen (Kontaktlinsen statt Brille, hochgegelte Stirnfransen, aufgestellter Mantelkragen und irrer Blick) seines Verlags nicht: Wie ein Psychopath auszusehen.