Ab die Post: Briefkästen im Wandel der Zeit

Steine dienten als erste „Briefkästen“ und Löwenmäuler stellten Beschwerden zu. Echte Briefkästen gibt es in Deutschland offiziell seit 1824 – Hausbriefkästen setzten sich gebietsweise erst nach dem zweiten Weltkrieg durch.

Der Anfang war steinig: Seefahrer, die im 17. Jahrhundert nach Indien unterwegs waren, machten in Südafrika halt, legten ihre Briefe unter (oder in) hohle Steine und markierten diese mit dem Namen ihres Schiffes, ihres Kapitäns und dem Datum ihrer Landung. Dann hofften sie, dass ein Schiff, das in der Gegenrichtung unterwegs war, die Briefe mitnahm und ans Ziel brachte. Die Steine wurden damit zu einer Art erster Briefkasten – ein Konzept, das Generationen von Spionageagenten später mit dem toten Briefkasten wiederentdeckten und perfektionierten.

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Revolutionäre Einrichtung: Franzosen bringen den Briefkasten nach Deutschland

Derweil gab es in Europa bereits die ersten Briefkästen aus Holz: 1633 wurde in Liegnitz, an der Postverbindung Breslau-Leipzig der erste Briefkasten aufgestellt und urkundlich erwähnt. 1641 folgte Hamburg, 1653 Paris, und 1766 Berlin.

„Herrliche Einrichtung“: In zusammenhängend bebauten Gebieten soll der Weg zum nächsten Briefkasten der Deutschen Post AG nicht mehr als eintausend Meter betragen.

So recht durchsetzen konnte sich in Deutschland keiner der Kästen – man übergab seine Post lieber weiterhin dem Zusteller oder brachte sie direkt zur Poststelle. Die lag ohnehin näher als einer der wenigen Briefkästen, außerdem erfuhr man dort auch gleich den neuesten Tratsch.

Erst die französische Revolution verhalf dem Briefkasten in Deutschland zum Durchbruch. Von Paris ausgehend wurden die Kästen in ganz Frankreich und auch in den französisch besetzten linksrheinischen Gebieten aufgestellt. Als die Franzosen um 1815 die preußisch gewordenen Gebiete verlassen mussten, blieben die praktischen Kästen hängen, ohne Wissen oder Genehmigung des Berliner Generalpostamts.

Dort erfuhr man erst drei Jahre später aus einem Brief von der „herrlichen Einrichtung“, die „zu jeder Stunde der Nacht wie des Tags dem korrespondierenden Publikum, dem Reisenden und jedem Vorübergehenden zum sicheren Empfang der Briefe und Briefpakete bereit“ stand.

Nach vierundzwanzig Jahren mit Briefkästen glaube das Publikum, ein Recht auf die Kästen erworben zu haben, heißt es in dem Brief, der unmissversändlich warnt: „Bei Abschaffung würden die lebhaftesten Reklamationen unausbleiblich sein.“ Statt die Briefkästen der Franzosen abzubauen, griff der preußische Generalpostmeister die Idee daher auf und wies im Herbst 1823 die Postämter an, überall in Preußen Briefkästen aufzustellen.

Ein Briefkasten für 200.000 Menschen

„Überall“ hieß 1823 konkret, dass  „… an allen Orten der Monarchie, wo der Briefwechsel von einiger Bedeutung ist, Briefkasten an den Posthäusern, und in grossen Städten auch an anderen schicklichen Stellen, angebracht werden, …“ Ab dem 1. Januar 1824 gab es dann weiß gestrichene hölzerne Briefkästen, mit einem Einwurfschlitz oben, einer Entnahmeklappe unten und einer Gebrauchsanweisung auf der Vorderseite.

Briefkästen an Amerikas berühmter Route 66. Diese Art Briefkästen wird sowohl zum Empfang als auch zum Versand von Briefen genutzt: Wird die rote Fahne senkrecht gestellt, weiß der Postzusteller, dass im Kasten Post liegt, die er mitnehmen soll. Nach dem selben Konzept funktionieren die „Hausbriefkästen auf dem Lande“ (auch: Landbriefkasten) in Deutschland – sie werden aber nur für Haushalte bereitgestellt, die mehr als hundert Meter vom öffentlichen Straßennetz entfernt sind und mit einem Kraftfahrzeug nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen erreicht werden können.

Düsseldorf erhielt einen Briefkasten, Köln und Aachen je zwei, Magdeburg sogar sechs. Offenbar schrieben die 36.000 Magdeburger am meisten – oder sie hatten die besten Verbindungen zum Generalpostmeister. Im sichtlich schreibfaulen Berlin musste ein Kasten für 200.000 Einwohner ausreichen.

1896 notiert Brockhaus Konversationslexikon für Berlin bereits 1.655 Briefkästen – ziemlich genau einer für je tausend Einwohner. Heute gibt es in Berlin zwar mehr als zweitausend Briefkästen, aber nur noch circa einen Briefkasten pro 1.500 Einwohner. Der Abbau von Briefkästen in den letzten Jahren hat der Deutschen Post genau das eingebracht, wovor schon Anfang des 19. Jahrhunderts gewarnt wurde: Die lebhaftesten Reklamationen, denn niemand nimmt gern lange Wege zum Briefkasten in Kauf.

Hausbriefkästen setzten sich in Deutschland erst nach dem zweiten Weltkrieg durch. Bis dahin hielten die meisten Hausbesitzer sie für überflüssig. Warum?

Hausbriefkästen waren sehr teuer. Da die meisten Menschen ohnehin kaum Post bekamen, wurde das Geld gespart.

So wie heute noch in ländlichen Regionen der USA standen auch in Deutschland die Briefkästen gesammelt an den Straßen.

Die klassische Rollenverteilung sorgte dafür, dass die Hausfrau ohnehin zu Hause war und die Post entgegennehmen konnte.

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Die Post-Universaldienstleistungsverordnung (PUDLV) regelt übrigens, dass Briefkästen in zusammenhängend bebauten Wohngebieten so ausreichend vorhanden sein müssen, dass Kunden „in der Regel nicht mehr als 1.000 Meter zurückzulegen haben, um zu einem Briefkasten zu gelangen“. Darüber, ob diese Kästen auch heute noch an „schicklichen Stellen“ aufgestellt werden müssen, schweigt sich die PUDLV aus.

Denunzationen, Bittschriften und Post für den König

Heute dürfen alle Sendungen in den Briefkasten, die korrekt adressiert und frankiert sind und durch den Einwurfschlitz passen. In den Anfängen der Briefkastenära war das anders. Briefe wurden unfrankiert eingeworfen, schon allein deswegen, weil Briefmarken erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts erfunden wurden.

Denunziationen und Anklagen ins Löwenmaul – Zeitungen ins missmutige Chamäleon. Hausbriefkästen gibt es längst in allen erdenklichen Formen, Farben und Materialien.

Die Beförderung in den definierten Regionen war für den Absender kostenlos – Briefe ins Ausland, eingeschriebene Briefe und Geldsendungen mussten weiterhin (gegen Gebühr) auf der Poststelle abgegeben werden.

Löwenmaul, Bocca di leone, Alquezar, Spanien
Bocca di leone: Früher dienten Löwenmäuler wie dieses in Alquezar als Denunziationsbriefkasten, heute sind sie nur noch Deko-Element.

Briefe an den König oder an die Fürstenhäuser der Hohenzollern durften ab 1846 nicht mehr in den Briefkasten geworfen werden. Nachdem König Ludwig I. eine Affäre mit der irischen Tänzerin Lola Montez begonnen hatte, nahmen die Bettel- und Schmähbriefe an seine Majestät dermaßen zu, dass ihr Versand schlicht verboten wurde.

Das gegenteilige Konzept wurde in Italien benutzt: Hier wurden Briefkästen speziell dafür angebracht, um Denunziationen und Bittschriften an die obersten Gewalthaber befördern zu lassen. Besonders eindrücklich gestaltet waren die Beschwerdebriefkästen in Venedig: Angelehnt an das Fresko „Bocca della Verità“ (Mund der Wahrheit) bildete der Einwurfschlitz oft das aufgerissene Maul eines steinernen Löwen.

Wer eine schriftliche Anzeige in so ein „Bocca di Leone“ (Löwenmaul) warf, durfte davon ausgehen, dass sein Name geheimgehalten wurde. Anonyme Anzeigen wurden vernichtet und nur in schwerwiegenden Ausnahmefällen geprüft und weiterverfolgt.

Hausfrauen machen private Hausbriefkästen überflüssig

Der Postbriefkasten zum Einwurf von Briefsendungen setzte sich rasch durch – waren es 1828 noch überschaubare 112 Briefkästen auf preußischem Gebiet, zählte das Deutsche Reich achtzig Jahre später rund 153.000 Briefkästen (heute sind es fast 50.000 weniger).

Keine Post einwerfen – auch wenn der offene „Briefschlitz“ dazu verleitet. Der Besitzer dieses Autos hat Humor – oder schlechte Erfahrungen gemacht. Mobile Briefkästen gibt/gab es in öffentlichen Verkehrsmitteln. In Frankfurt am Main ist ein Motorroller als Briefkasten unterwegs.

Vor allem in den beiden Weltkriegen wurden die Kästen ausgiebig genutzt – mehr als dreißig Milliarden Feldpostkarten gingen während des Ersten Weltkrieges zwischen Heimat und Front hin und her. Dreißig bis vierzig Millarden waren es während des Zweiten Weltkriegs.

Am anderen Ende der Postbeförderung ging es deutlich langsamer voran. In den 1950ern bis 1970ern zahlte die Bundespost dem Eigentümer von Mehrfamilienhäusern einen Zuschuss in Höhe von zehn Mark je Briefkasten, als Anreiz dafür, Hausbriefkästen im Erdgeschoss anzubringen, damit die Zusteller nicht jeden Brief bis an die Haustüre tragen mussten.

An Einfamilienhäusern und in ländlichen Gebieten wurde bis nach dem Zweiten Weltkrieg oft auf den Briefkasten verzichtet. Er schien überflüssig – bis in die Fünfzigerjahre war die klassische Hausfrau tagsüber ohnehin zu Hause und konnte die Post direkt entgegennehmen.

Normen und Pflichten …

Ein Briefkasten am Haus ist bis heute keine Pflicht. Trifft der Postbote bei der Zustellung („… zwischen 8 und 18 Uhr …“) niemanden an, können Sendungen dann aber als unzustellbar behandelt werden. Die PUDLV sieht dazu vor: „… fehlt eine geeignete und zugängliche Vorrichtung für den Empfang von Briefsendungen, kann der Empfänger von der Zustellung ausgeschlossen werden“.

Ein Briefkasten am Haus ist keine Vorschrift – mehrere sind nicht explizit verboten. Hier erwartet jemand offenbar viel Post. Oder hat Freude am Suchen der Post …

Wie eine „geeignete Vorrichtung“ auszusehen hat, ist über die EU-Norm EN 13724 geregelt. Ein Umschlag im Format C4 muss unbeschädigt und ungefaltet eingeworfen werden können. Die Einwurföffnung muss mindestens drei mal dreiundzwantzig Zentimeter messen.

Wird diese Norm an einem vermieteten Haus nicht erfüllt, und hat der Briefkasten nicht die notwendige Mindestgröße, dann kann ein Mieter auf Mietminderung klagen. Schon mehrfach sprachen Gerichte eine solche Mietminderung zu, selbst dann, wenn der Mieter den mangelhaften Briefkasten beim Einzug kommentarlos hingenommen hatte. Es sei nicht üblich, dass man beim Anmieten einer Wohnung zuerst den Briefkasten vermesse, so die Begründung.

Egal, ob ein Briefkasten am Haus oder an der Straße montiert wird: Der Weg dorthin muss gefahrlos möglich sein. Wird ein Gartenweg im Winter nicht schnee- und eisfrei gehalten, dann haftet der Hauseigentümer, falls der Zusteller zu Schaden kommt.

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