Versteckt im Eyachtal herrschten Grafen und forschten Atomphysiker. Heute ist Haigerloch ein beschauliches Städtchen mit verblüffend vielen Attraktionen.
Es geht bergauf in Haigerloch. Ständig und auf vielen Stufen. Denn das Städtchen heißt nicht umsonst „Felsenstädtchen“. Geologisch hoch interessant liegt es in einer Doppelschlinge der Eyach, die hier einiges ausgefressen hat: Teilweise ragen die Felswände aus Muschelkalk über dreißig Meter senkrecht auf.
Die Landschaft des Flusstals erinnert dabei an Südfrankreich als an den Nordschwarzwald. Der wildwachsende Flieder, der hier im Frühjahr blüht, tut sein Teil, um Haigerloch einen südländischen Touch zu geben, und brachte der Stadt auch den Beinamen „Fliederstadt“ ein.
Haigerloch – barockes Kleinstädtchen mit viel Fachwerk
Obwohl Haigerloch mit seinen rund elftausend Einwohnern nicht unbedingt zu den Metropolen Süddeutschlands gehört, hat es an Sehenswürdigkeiten einiges zu bieten. Hoch oben thront der Römerturm, ein romanischer Bergfried aus dem 11. Jahrhundert.
Der Turm kann besichtigt werden; wer sich den Aufstieg antut, wird mit einer großartigen Aussicht über Stadt und Tal belohnt. Doch auch Fußfaule haben „Blick“: Gleich neben dem Römerturm steht die Wallfahrtskirche St. Anna, die der Fürst von Hohenzollern-Sigmaringen 1753-1757 bauen ließ; direkt davor ist an der Straße ebenfalls ein Aussichtspunkt.
Auf dem Hügel gegenüber steht das Haigerlocher Schloss. Bereits um 1200 wurde mit dem Bau begonnen; im 16. Jahrhundert wurde die mittelalterliche Burg von den Grafen von Hohenzollern-Haigerloch im Renaissance-Stil umgebaut. Die Gebäude, die sich heute auf dem Schlossberg gruppieren, stammen überwiegend aus dieser Zeit. Sie werden für Kongresse und Tagungen benutzt; in einem Teil der Anlage sind ein Hotel und ein Schlosscafé untergebracht. Nur wenige hundert Meter neben dem Schloss befindet sich der Aussichtspunkt „Kapf“. Von dort hat man einen guten Blick auf die Oberstadt und zum Römerturm.
Haigerloch, die „Wiege der Atomforschung“
In der Unterstadt ist besonders das Atomkeller-Museum einen Besuch wert. Als die Physiker des Berliner Kaiser-Wilhelm-Instituts aufgrund der Bombardierungen 1944 Berlin verlassen mussten, mieteten sie den Bierkeller des Schwanenwirtes Otto Merz aus Haigerloch. Dieser Keller war beim Bau der Hohenzollerschen Eisenbahn weit in den Berg hineingetrieben worden und eignete sich offenbar besonders gut für die Arbeit der Atomphysiker.
Unter der Leitung von Professor Werner Heisenberg wurden in Haigerloch die letzten deutschen Atommeiler-Versuche während des zweiten Weltkrieges durchgeführt. Im April 1945 besetzten amerikanische Truppen Haigerloch und demontierten die Anlage. Heute ist im Atomkeller ein Museum untergebracht, in dem es neben einer originalgetreuen Rekonstruktion des Reaktors auch viele Informationen zur Geschichte der deutschen Kernphysik gibt.
Rosige Zeiten: Rosengarten in Haigerloch
Die ehemalige jüdische Synagoge, der jüdische Friedhof und die evangelische Kirche mit ihrer Nachbildung von Leonardo da Vincis „Abendmahl“ sind einige weitere Haigerlocher Sehenswürdigkeiten.
Auch in den Gassen des Fachwerkstädtchens gibt es immer wieder interessante Details zu entdecken – etwa ein Vogelspiel am Giebel einer kleinen Bildergalerie.
Für Blumenfreunde lohnt ein Abstecher in den Rosengarten im Süden Haigerlochs (Richtung Gruorl). 2007 wurde hier die einzige Anlage zwischen Stuttgart und Bodensee eröffnet, die sich ausschließlich der Rose widmet.
Auf einer Fläche von fünftausend Quadratmetern sind hier rund zehntausend Rosen in dreihundert Sorten und allen Farben zu sehen. Parkbänke laden zum Ausruhen bei Rosenduft ein; nur die vorbeifahrenden Autos stören die Beschaulichkeit ein wenig.
Gut mit einem Ausflug nach Haigerloch verbinden lässt sich ein Besuch des etwa dreißig Kilometer entfernten Wasserschlosses in Glatt bei Sulz am Neckar. Dort befindet sich in einem der wenigen Wasserschlösser Süddeutschlands ein Kultur- und Museumszentrum.