Schaukelpferde fördern die motorische Entwicklung, den Gleichgewichtssinn und die Vernetzung der Gehirnhälften. Sie unterstützen das fantasievolle (Rollen)Spiel und können Kindern über viele Jahre ein treuer Begleiter werden.
„Ein Pferd, ein Pferd, mein Königreich für ein Pferd“, lässt William Shakespeare den englischen König Richard III verzweifelt über das Schlachtfeld schreien, als dessen eigenes Pferd auf der Flucht getötet wird. Der Wunsch bleibt unerfüllt, und Richard III stirbt einen grausamen Tod.
Von Pferden, Bescheidenheit und Heintje
„Ein Pferd, ein Pferd, mein Taschengeld für ein Pferd“, war meine kindliche Interpretation des mir unbekannten Shakespeare-Zitats, das ich durchaus bühnenreif zur Aufführung brachte. Doch so oft ich den Wunsch auch wiederholte, es ging mir wie Richard: Kein Pferd. (Aber immerhin starb ich nicht auf dem Schlachtfeld!)
Der Wunsch war einfach zu groß, und meine Oma (eine flammende Verfechterin von Bescheidenheit und Peter-Alexander-Filmen) vermittelte mir mit bemerkenswerter erzieherischer Subtilität, dass große Wünsche nichts Gutes bringen: Sie spielte mir „Mamatschi, schenk mir ein Pferdchen“ vor. Mit Schmachtstimme sang Heintje von sehnlichem Pferdewunsch, Enttäuschung und großer Traurigkeit, als er die Kutschpferde bei der Beerdigung seiner Mutter sieht.
Mit meinem kindlichen Gemüt verstand ich das Lied dahingehend, dass ich meiner Mutter praktisch den Tod bringe, wenn ich mir ein Pferd wünsche. Jessas, hatte ich ein schlechtes Gewissen! Plus Angst, plus Schuldgefühle. Das wurde erst besser, als mir klar wurde, dass nicht der Wunsch das Problem im Lied war, sondern Heintjes Enttäuschung und Undankbarkeit.
Das war gut, denn ich war mir sicher: Ich freue mich auch über einen Marzipanschimmel (auch wenn der ungenießbar ist und beim Spielen an den Händen klebt, aber so ein Pferd hätte ich ohnehin nicht gegessen, sondern ins Regal gestellt) oder über die stolzen „vier Pferde aus lackiertem Holz“ (die in meiner Fantasie knapp kniehoch, rabenschwarz glänzend und wunderschön waren).
Also wünschte ich mir weiterhin ein Pferd, ein echtes. Außerdem wünschte ich mir ein Schaukelpferd, sicherheitshalber. So eins, wie es meine Cousine unbeachtet in ihrer Zimmerecke stehen hatte: Ein hochbeiniges Pony mit getupftem Plüschfell und einem ehemals seidigen Schweif, den ich bestimmt besser gepflegt hätte. Ich bekam ein Schaukelpferd – ein von einem Opa oder Uropa selbst gezimmertes Erbstück, mit dem schon meine Mutter die Welt erobert hatte.
Tiefer Schwerpunkt, großer Bogenradius – was Schaukelpferde schnell und sicher macht
Das Pferd entsprach, gelinde gesagt, nicht ganz meinen Vorstellungen: Beine und Rumpf waren „nur“ auf den durchgehenden Seitenbrettern aufgemalt, die gefalteten Lederohren waren zu groß für den ausgesägten Kopf, und der Kopf selbst zu klein für den Rest des Pferdes. Der Lack war an vielen Stellen abgerieben, und sofern es überhaupt jemals Mähne und Schweif gehabt hatte, waren diese längst nicht mehr vorhanden. Außerdem hatte das Tier das Exterieur eines Dackels: Niedrig und lang. Kurzum: Es war in meinen Augen ziemlich unansehnlich, fast schon hässlich.
Der kurze Stich potenziell lebensbedrohlicher Enttäuschung verging nach dem ersten Ritt auf der Holzwippe: Das Pferd mochte eigenwillig aussehen, aber der mir unbekannte Vorfahr hatte es nicht auf Schönheit, sondern auf Schnelligkeit getrimmt. Die langen, sanft geschwungenen Kufen sorgten für einen großen Schaukelradius, der tief angesetzte Schwerpunkt ließ mich selbst bei den wildesten Ritten sicher auf dem Pferderücken sitzen.
Beides sind wichtige Punkte für den Bau oder Kauf eines Schaukelpferdes: Der Schwerpunkt des Pferdes (oder, noch idealer, der des Reiters) sollte tiefer liegen als der Mittelpunkt des imaginären Kreises, den der Kufenradius vorgibt. Ist das der Fall, ist ein Überschlagen mit dem Schaukelpferd nahezu ausgeschlossen (glauben Sie mir – ich habe es oft genug probiert!) Wichtig ist auch ein ausreichender Kufenabstand, um ein seitliches Kippen zu verhindern – wählen Sie lieber ein etwas breitbeiniges Schaukeltier.
Ein Schaukelpferd als Kamerad im Rollenspiel
Fell und Tupfen hat mein Pferd nie bekommen (ein Proberitt auf dem hübschen Schaukelpferd meiner Cousine war im übrigen höchst enttäuschend …), aber es bekam einen Schweif aus Wolle (der dann baubedingt an der Rückenlehne doch recht albern aussah), ein Zaumzeug aus rotem Samtband, und einen Sattel aus einem ausrangierten Teppichbuch.
Nach zähen Verhandlungen mit meiner Mutter verpasste ich dem Holzpferd auch einen neuen Anstrich und machte aus dem „schönen Apfelschimmel“, dem meine Mutter in mir damals gänzlich unverständlicher Sentimentalität lange nachtrauerte, einen blütenweißen Araberhengst (das Schwarz, das mir eigentlich vorschwebte, überstieg die Kompromissbereitschaft meiner Mutter), der in Echt lange nicht so schön war, wie in meiner Vorstellung.
Auch wenn mein „Dackel-Pferd“ mit den Hängeohren nicht gerade elegant war: Auf seinem langen, stabilen Rücken konnte ich auch Turnübungen für die nächste Voltigierstunde üben und gefangen genommene Freundinnen aus dem Indianerlager retten.
Wie das Wunderpferd Bayard ließ sich nämlich auch mein namenloser Hengst bequem zu zweit oder sogar zu dritt reiten. Na gut, vielleicht nicht gerade „bequem“, denn der Hintermann musste schon sehr aufpassen, sich nicht die Zähne am Hinterkopf des Vordermanns einzuschlagen, aber so eine Flucht vor den Sioux ist nun mal kein Sonntagmorgenschönwetterritt!
Hufabdrücke im Parkett? Schaukelpferde mit Aufhängung schonen den Boden
Stundenlang träumte ich mich im Galopp durch Wälder und Schluchten, über Prärien und Berge, nur unterbrochen von den gelegentlichen Ermahnungen meiner Mutter, „nicht so wild“ zu reiten. Ich glaube, ihre Angst galt eher dem Teppich als meiner Gesundheit. Denn, das sei nicht verschwiegen: Ein Schaukelpferd mit Holz- oder Metallkufen belastet den Untergrund. Schafwollteppiche können sich auffusseln; Holz- oder Fliesenböden können Kratzer bekommen.
Kaufen Sie am besten gleich einen „Auslauf“ mit, wenn Sie ein Schaukelpferd für Ihre Kinder besorgen. Dafür reicht ein einfacher Spielteppich oder eine Stuhlunterlage. Auch Schaukelpferde mit Aufhängung vermindern die Abnutzung des Bodens. Bei solchen Modellen ist das Pferd mit einem Schwinggestell an einem stabilen „Gerüst“ befestigt.
Durch die Aufhängung an zwei Punkten bewegen sich solche Schaukelpferde in einem etwas anderen Auf und Ab als klassische Schaukelpferde (die korrekterweise gar keine „Schaukel-“ sondern „Wipppferde“ sind …). Ist die Aufhängung sehr kurz gehalten, ist auch die Schaukelbewegung „kurz übersetzt“ – empfindlichen Gemütern kann das bei schneller Reitweise auf den Magen schlagen. So konstruierte Pferde eignen sich damit besser für sanftes Schaukeln als für wildes Wippen.
Schaukelpferde für Jungen und Mädchen – das Temperament bestimmt die Wahl
Bedenken Sie bei der Auswahl eines Schaukelpferds das Temperament des Reiters. Auch wenn sich das nicht pauschal sagen lässt, bevorzugen viele Mädchen ein realistisch anmutendes, filigran gebautes Pferd, auf dem sie leicht schaukelnd vor sich hin träumen können. Viele freuen sich über ein weiches Fell und üppige Schweif- und Mähnenhaare zum Kämmen. Für Mädchen ist das Schaukelpferd oft eine Art Kamerad, mit dem sie schmusen, das sie versorgen und dem sie ihre Geheimnisse verraten.
Jungs neigen eher zu wilden Ritten – das Schaukelpferd ist nicht unbedingt der beste Freund, sondern eher ein „Vehikel“, das gerne auch mal ins Nachbarzimmer oder in den Garten mitgenommen wird. Schaukelpferde für Jungs (oder für Rabauken-Mädchen wie mich …) sollten daher in erster Linie stabil sein und auch bei kräftigem Schaukeln einen guten Stand haben.
Für sehr kleine Kinder eignen sich Schaukelpferde aus Holz gut – sie haben meistens keine verschluckbaren Kleinteile, und manche Modelle lassen sich mit einer Lehne oder einem Sitzgitter ausstatten. Das vermindert die Gefahr von Stürzen.
Schaukelgiraffen, Federwipptiere und automatische Schaukelrösser
Neben Schaukelpferden für die „Privathaltung“ findet sich heute auf fast jedem Spielplatz ein „Federwipptier“. Bei diesen modernen Schaukelpferden ist die Verletzungsgefahr deutlich höher als bei klassischen Modellen. Die Sprungfedern entwickeln in gebogenem Zustand eine hohe Spannung, und leichte Kinder können rasch „abgeworfen“ werden, wenn sie ihre Kraft falsch einschätzen.
Vor Einkaufszentren sieht man auch heute noch gelegentlich elektromechanische Schaukelpferde. Sie können nicht aus eigener Kraft geschaukelt werden, sondern werden automatisch angetrieben – sofern Geld eingeworfen wird.
Schaukelpferde gibt es heute in vielen verschiedenen Ausführungen, und nicht immer nur als Pferd: Wer ein bisschen stöbert, findet auch schön gemachte Schaukelschafe, -giraffen oder -flusspferde. Egal für welche Art von Schaukeltier Sie sich entscheiden: Das Schaukeln fördert die motorische Entwicklung und den Gleichgewichtssinn. Zudem soll Schaukeln jeder Art einen positiven Einfluss auf die Vernetzung der beiden Gehirnhälften haben.
Das Schaukelpferd als Symbol für (unerfüllte) Wünsche
Schaukelpferde wurden übrigens schon im 17. Jahrhundert benutzt. Vorläufer waren Pferde auf Rädern, die als Nachziehspielzeug oder zum Aufsitzen benutzt wurden. Solche Holzpferde sollen schon im antiken Griechenland benutzt worden sein (vielleicht war das Trojanische Pferd einfach eine etwas größenwahnsinnig geratene Ausführung?).
In Deutschland verbreitete sich das Schaukelpferd ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Vor allem in waldreichen Regionen wurde der Schaukelpferdbau zur Tradition – und Schaukelpferde wurden auch für ärmere Familien erschwinglich.
Weil frühe Schaukelpferde aus Papiermaschee und Metall sehr teuer waren, steht das Schaukelpferd bis heute symbolisch für (große) Wünsche – erfüllte, aber auch unerfüllte. Das mag ein Grund sein, warum sich das Schaukelpferdmotiv sowohl in Weihnachtsliedern wie auch als Christbaumschmuck findet.