Steinreiche Mönche, selbständiger Klosterstaat und königliche Irrenanstalt: Das ehemalige Benediktinerkloster Zwiefalten hat eine bewegte Geschichte.
1089 stifteten die Grafen Kuno und Luitpold von Achalm das Kloster Zwiefalten und legten damit den Grundstein für den späteren immensen Reichtum.
Kuno und Luitpold von Achalm: Warum gründet ein Adeliger ein Kloster?
„In der damaligen Zeit herrschte große Unsicherheit. Der Investiturstreit, in dem es nur vordergründig um das Recht der Einsetzung von Bischöfen ging, spaltete die Gesellschaft in zwei Lager – das prokaiserliche und das propäpstliche“, erklärt Prof. Dr. Wilfried Setzler aus Tübingen. Die Kirche strebte nach Unabhängigkeit vom Kaiser, der Kaiser versuchte, das zu unterdrücken. Bischöfe setzten sich gegenseitig ab, Neutralität war nicht mehr möglich. Eine wichtige Reformrolle kam in diesen Unruhen dem Kloster Hirsau zu. Durch die Stiftung von Ländereien an Hirsau und die Gründung eines Klosters unter Hirsauer Führung bekannten sich die Fürsten von Achalm klar zu einer Seite – der propäpstlichen.
Das neu gegründete Kloster Zwiefalten erlangte schnell Selbständigkeit und Einfluss. In den ersten fünfzig Jahren vervielfachte sich nicht nur die Zahl der Mönche und Laienbrüder, sondern auch ein Frauenkloster wurde gegründet. Adelige aus den Häusern von Berg, von Zollern oder von Urach traten der Gemeinschaft bei und brachten dem Kloster weitere Ländereien, Reliquien, Gold-, Silber und Elfenbeinschätze und damit auch Ruhm, Reichtum und Einfluss.
Ein bedeutendes Scriptorium entstand, die ersten Steingebäude wurden errichtet. Etwa achthundert Bauernhöfe und Besitzungen in über einhundertzwanzig Dörfern gehörten in dieser Zeit dem Kloster. Die landwirtschaftliche Produktion ging weit über den Eigenbedarf hinaus, durch kluges Wirtschaften erlangte das Kloster bald weitere Besitzungen.
Kloster Zwiefalten: Erste Blüte und Niedergang im 12. und 13. Jahrhundert
Doch schon am Ende des 12. Jahrhunderts kündigte sich ein Niedergang an. Misswirtschaft, Verwicklungen in kriegerische Handlungen und Epidemien führten zu Stagnation und den ersten Verkäufen von Ländereien. Auch politisch hatte das Kloster einen schwierigen Stand, vermochte es aber, eine vergleichsweise große Selbständigkeit sowohl vom Mutterkloster Hirsau als auch vom Adel durchzusetzen. Dies zeigte sich etwa in dem Recht, sowohl den Abt als auch den Vogt selbst zu wählen und auch wieder abzusetzen. Zumindest theoretisch hatten die Zwiefalter Mönche viel erreicht.
„Das Zwiefalter Kloster hatte erstaunliche Freiheiten und Rechte, die aber immer gefährdet waren“, so Setzler. „Zwar konnte man den Vogt selbst wählen, zur Auswahl standen aber nur einige wenige Adelige – womit man wieder in Abhängigkeit geriet, denn nicht immer handelten die Vögte zum Wohle und Schutz des Klosters sondern wirtschafteten teilweise in die eigene Tasche.“
Der beste Schutz, den sich das Kloster schaffen konnte, bestand kurioserweise nicht in Bewaffneten, sondern im immensen Reichtum – und im strategisch geschickten Einsatz desselben. Das erkannten auch die Mönche schon früh. „Goldfuchs und Silberling sind zwei wunderbare Heilige, ihnen erschließt sich jede Tür“, heißt es in der Berthold-Chronik aus dem Jahr 1137. Und weiter: „Das Geld war schon immer unser bester Vogt.“
Dennoch kamen für das Kloster schwere Zeiten. Allgemeine Rechtsunsicherheit und Misswirtschaft gipfelten 1245 in einem Klosterbrand, der zu Zerstreuung der Mönche führte und einen allgemeinen Niedergang und „Verfall der Sitten“ nach sich zog.
14. bis 18. Jahrhundert: Das Kloster Zwiefalten wird souveräner Klosterstaat
Erst Ende des 14. Jahrhunderts gelang ein zweiter Aufschwung, der zur Blütezeit des Klosters im 15. Jahrhundert und zur Gründung eines eigenen Klosterstaates führte, der übrigens als einziger die Reformation in Württemberg „überlebte“. Zwar wurde das Kloster 1525 von Anhängern der Reformation geplündert, doch die Ausbreitung des neuen Glaubens auf dem Territorium des Klosterstaats konnten die Mönche verhindern.
Im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts geriet das Kloster zunehmend unter den Druck der Württemberger. Dennoch konnte es sich weiterentwickeln und setzte mit dem Bau des Zwiefalter Münsters (1739 bis 1765) ein weithin sichtbares Zeichen seines Reichtums.
1750 konnte sich die Abtei von den Württembergern freikaufen und erlangte die Reichsunmittelbarkeit – die Zwiefalter Äbte waren nun reichsfreie Landesherren. In dieser erneuten Blütezeit brachte das Kloster auch den Komponisten Ernestus Weinrauch hervor, dessen Werke seit einigen Jahren wieder im Münster Unserer lieben Frau aufgeführt werden.
Im 19. Jahrhundert wird das Kloster Zwiefalten aufgelöst und die Gemeinde gegründet
Im Zuge der Säkularisation wurde das Kloster Zwiefalten am 25. November 1802 gewaltsam aufgelöst, die Kirchenschätze geplündert und die dreiundfünfzig Mönche enteignet. Das imposante Barockmünster wurde seiner Kunstschätze beraubt, diente als Lagerraum, wurde dem Verfall preisgegeben und sollte abgerissen werden.
Dem damaligen Ortspfarrer Maurus Brauchle ist es zu verdanken, dass Zwiefaltens Wahrzeichen heute noch erhalten ist. Geschickt argumentierte er, dass es billiger war, das Münster zu renovieren und zur Pfarrkirche zu machen, als die zu klein gewordene Gemeindekirche (das Münster war immer nur Klosterkirche und den Mönchen vorbehalten) auszubauen. Wieder erwies sich so das Geld „als bester Vogt“.
Die Auflösung des Klosters war auch die Geburtsstunde der Gemeinde Zwiefalten, die damals etwa fünfundzwanzig Einwohner hatte. Durch die Privatisierung der ehemals klösterlichen Wirtschaftsbetriebe zogen bald auch Privatleute nach Zwiefalten; schnell entwickelte sich ein reges Gemeindeleben. 1812 wurde in den ehemaligen Klostergebäuden die königlich württembergische Irrenanstalt eingerichtet; eine der ersten psychiatrischen Kliniken im deutschsprachigen Raum. Sowohl das Zentrum für Psychiatrie als auch das Münster prägen das Gemeindeleben Zwiefaltens bis heute.