Ringeln: Wenn Hornissen die Rinde das Flieders fressen

Eine große Anzahl Hornissen bevölkert plötzlich den Fliederbusch und schält die Rinde von den jungen Zweigen? Keine Sorge: Die Tiere bauen weder ein Nest, noch schaden sie dem Busch.

Neben unserer Haustüre steht ein schöner alter Fliederbaum. Letztes Jahr, gegen Ende des Sommers, füllte sich der Busch von einem Tag auf den anderen mit Hornissen. Mehrere Dutzend Tiere surrten und brummten, was das Zeug hielt, und bissen mit so viel Eifer Löcher in die Rinde, dass ich in Sorge um den den Baum war.  Vor allem aber stellte sich die Frage: Warum zum Kuckuck machen sie das? Warum jetzt, warum nur an diesem einen Busch?

Zuckersaft als Flugbenzin

Hornissen ringeln Flieder
Mit einer Körperlänge bis zu 2,5 cm sind Hornissen die größten einheimischen Wespen.

Das Phänomen nennt sich „ringeln“ und ist vor allem im Spätsommer zu beobachten, speziell in heißen und trockenen Sommern. Mit ihren kräftigen Beißwerkzeugen entfernen Hornissen die oberste Rindenschicht von jungen, maximal daumendicken Trieben und legen den darunterliegenden Holzkörper frei. Der Flieder ist dabei ihr beliebtestes Ziel, aber auch an Eschen und Obstbäumen kann man sie gelegentlich beobachten.

Obwohl Hornissen ihre Nester aus zerkauten Holzfasern bauen, sind sie nicht an der Rinde interessiert. Zum Nestbau bevorzugen sie morsches Totholz – das ist deutlich leichter zu lösen und zu kauen.

Hornissen ringeln Flieder
Mit ihren kräftigen Beißwerkzeugen gelangen Hornissen an den begehrten Zuckersaft im Pflanzenbast.

Die Insekten haben es auf den zuckerhaltigen Saft abgesehen, den Pflanzen bei der Photosynthese erzeugen, und der in den Leitungsbahnen im Rindenbast transportiert wird. Ausgewachsene Hornissen ernähren sich fast ausschließlich von solchen zuckerhaltigen Säften. Um an den Rindensaft zu gelangen, müssen sie die oberste Rindenschicht entfernen – ein hoher Aufwand, den sie vorallem dann in Kauf nehmen, wenn andere Nahrungsquellen (z. B. überreifes Obst) rar sind.

Der Rindensaft stellt für die Insekten eine Art Superkraftstoff dar. Vor allem im Spätsommer benötigen Hornissen energiereiche Nahrung, um am Ende ihrer Lebenszeit die kälter werdenden Nächte gut zu überstehen. Auch die jungen Hornissenköniginnen werden mit dem Saft versorgt, um voll gefressen in die Winterstarre zu gehen. Je mehr energiereiche Nahrung die Jungköniginnen im Spätsommer fressen, desto höher sind ihre Überlebenschance.

Konkurrenz im Fliederbusch

Hornissen ringeln Flieder
Der beste Platz ist immer da, wo schon jemand anders ist … Das Aufbeißen der Rinde ist mühsam – auch Hornissen sparen es sich lieber.

Rindensaft ist nicht nur bei Hornissen eine begehrte Energiequelle – auch andere Insekten nutzen ihn als „Energy-Drink“, haben aber oft nicht die entsprechenden Beißwerkzeuge, um sich die Nahrungsquelle zu erschließen. Und auch Hornissen wählen gerne Stellen, die bereits von jemand anders vorbereitet und freigelegt wurden. Das führt immer wieder zu kräftigem Gerangel um die besten Plätze.

Gelegentlich kann man beobachten, wie Hornissen Fliegen, Wespen oder Ameisen töten, die vom austretenden Zuckersaft angelockt wurden. Die so erbeuteten Insekten dienen als proteinreiche Nahrung zur Aufzucht der Hornissenlarven, die sich im Gegensatz zu ausgewachsenen Hornissen nicht vegetarisch ernähren.

Schadet es meinem Flieder, wenn die Hornissen Löcher in die Rinde beißen?

Flieder von Hornissen geringelt
Borke, Bast und Kernholz: Der zuckerhaltige Saft wird im Bast transportiert (die hellen „Zähnchen“ an den Rändern der Löcher). Um an ihn zu gelangen, müssen Hornissen auch die beim jungen Flieder recht weiche Borke entfernen. Größere Beschädigungen können ein Absterben des Triebes zur Folge haben, vor allem, wenn Borke und Bast rundherum entfernt wurden und der obere Teil des Triebs nicht mehr ausreichend versorgt werden kann.

Die Rinde stellt für den Baum eine schützende Außenhaut dar. Wird diese aufgerissen, können Feuchtigkeit, Pilze und Keime leichter in die Pflanze eindringen und diese krank machen. Dennoch stellen die Schäden, die Hornissen beim Ringeln an der Baumrinde verursachen, keine nennenswerte Gefahr für gesunde Pflanzen dar.

Die Insekten beschränken sich beim Ringeln auf die dünnen Jungtriebe – wenn sehr intensiv geringelt wird, und die Rinde an einem Ast ringsherum komplett entfernt ist, kann so ein Trieb auch mal absterben. Kleinere Verletzungen der Baumrinde wachsen rasch wieder zu. In einem gesunden Fliederbusch stellt das Ringeln der Hornissen allenfalls einen Bagatellschaden dar.

Ist es gefährlich, wenn Hornissen in meinem Garten sind?

Fliederbusch
Heißgeliebter Fliederbusch: Trotz der Nähe zur Eingangstür und dem regen Flugverkehr mehrerer Dutzend Hornissen, hatten wir kein Problem mit den Tieren. So lange man sich unagressiv und unaufgeregt verhält, tun das auch die Hornissen.

Hornissen haben kein besonders gutes Image. Den Spruch „Sieben Stiche töten ein Pferd, drei Stiche einen Menschen!“, haben sicher viele schon gehört. Die Aussage ist inhaltlich falsch. Hornissengift ist deutlich weniger konzentriert, als das von Bienen – letzteres ist etwa sechzehn mal so stark.

Hornissen stechen, um Beute zu machen – um eine Fliege zu töten, reicht ein schwach konzentriertes Gift, dessen Abgabemenge die Hornisse zudem dosieren kann. Bienen hingegen stechen, um ihre Honigvorräte zu verteidigen – ihr Gift soll auch einem Bären etwas entgegensetzen und ist daher hocheffektiv. Zudem bleibt der Stachel von Honigbienen nach dem Stich stecken – so entleert sich die daran hängende Giftblase vollständig.

Wie viele Hornissenstiche für einen Menschen tatsächlich lebensbedrohlich sind, ist nicht abschließend geklärt – aufgrund der extremen Seltenheit massiver Hornissenangriffe, ist die Datenlage dafür zu dünn. Angenommen werden Zahlen von 500-1000 Stichen. Zwanzig bis dreißig Menschen sterben in Deutschland jedes Jahr an Bienenstichen – von Hornissenstichen ist bisher kein Todesfall bekannt.

Dennoch sind Hornissenstiche recht schmerzhaft. Das liegt nicht nur am größeren Stachel, sondern auch daran, dass in Hornissengift im Gegensatz zu anderen Wespen- oder Bienengiften der Neurotransmitter Acetylcholin enthalten ist. Dieser reizt die Nervenzellen und verstärkt das Schmerzempfinden. Die gute Nachricht: Hornissenstiche haben eine steile aber kurze Schmerzkurve – während Bienenstiche manchmal noch tagelang schmerzen, ist der Spuk bei Hornissenstichen deutlich schneller wieder vorbei.

Hornissen ringeln Flieder
Unverdient schlechtes Image: Hornissen sind keine Sympathieträger, dabei sind sie weder aggressiv, noch besonders gefährlich.

Hornissenstiche sind nur für Allergiker gefährlich – Allergien gegen Hornissen sind aber wesentlich seltener, als gegen Bienen. Oft wird eine Allergie auch erst beim zweiten Kontakt ausgelöst, und die Wahrscheinlichkeit, zweimal von einer Hornisse gestochen zu werden, ist gering.

Hornissen sind zudem wenig aggressiv – sie stechen nicht ohne Provokation, und nur, um ihr Nest (oder ihr Leben …) zu verteidigen. Weil Hornissen ihre Larven mit anderen Insekten füttern, sind sie zudem nützliche Helfer: Ein Hornissenvolk frisst an einem Tag bis zu einem halben Kilo Wespen, Mücken, Fliegen u. ä. Das sichert nicht nur die Obsternte, sondern macht auch das Frühstück auf der Terrasse entspannter.

Wer sich trotzdem von Hornissen bedroht fühlt, sollte einen Experten hinzuziehen, der sich im Zweifelsfall um eine Umsiedlung kümmert. Denn: Hornissen stehen deutschlandweit unter Naturschutz. Das Töten, Verletzen und Fangen der Tiere, oder die Beschädigung und Zerstörung ihrer Fortpflanzungs- und Ruhestätten sind verboten. Wer sich nicht daran hält, muss mit empfindlichen Strafen bis zu 65.000 Euro rechnen. Das bundesländerabhänige Strafmaß kann im Bußgeldkatalog Hornisse nachgeslesen werden.

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