Schäppel: Je prächtiger die Brautkrone, desto besser die Partie

Nur ledige Jungfrauen durften den Schäppel tragen. Die Brautkrone verkörperte Wohl­stand, sorgte für Kopfschmerzen und verpatzte manchmal die Hochzeit.

Frauen, die als gute Partie gelten wollten, muss­ten früher nicht nur etwas im, sondern auch ei­ni­ges auf dem Kopf haben. An Festtagen tru­gen sie Kränze aus Tannenzweigen, Getreide oder Kräu­tern, die mit Blumen, Bändern und reifen Früchten geschmückt waren. Im Laufe der Zeit wurden aus diesen vergleichsweise ein­fa­chen Kopfbedeckungen aufwendige Gebilde aus Glaskugeln, Perlen, Golddraht und Spie­geln.

Nur Jungfrauen durften einen Schäppel tra­gen

Nur ledige Jungfrauen durften den Schäppel tragen – Verstöße wurden bestraft. Wie das kontrolliert wurde, ist nicht ganz klar, aber bei der Schaufensterpuppe im Trachtenmuseum Haslach dürfte es keine Schwierigkeiten geben.

Mit diesen prunkvollen „Schäppeln“ zeigten die jungen Frauen, dass sie ledig, unberührt und im heiratsfähigen Alter waren. Das Tragen eines Schäppels war denn auch den ledigen Jungfrauen vorbehalten. Schwangere durften nicht mit einer solchen Brautkrone vor den Traualtar treten, und auch Witwen war es nicht erlaubt, bei ihrer Wiederverheiratung ei­nen Schäppel zu tragen. Das Einhalten dieser Vorschrift wurde streng kontrolliert (kei­ner weiß, wie), Übertretungen hatten un­angenehme Folgen.

Gebietsweise wurden dem Paar bei der Trauung Kerzen, Gesang, Glockengeläut und Orgelspiel verweigert, andernorts praktizierte man sogar eine frühe Form des Mobbing: Übelwollende Mitmenschen deuteten so lange mit den Fingern auf das Brautpaar, bis dieses aus dem Dorf wegzog. Im April 1700 wurde zudem festgelegt, dass „Bräute, wel­che sich bei der Trauung des Schäppels fälschlich bedienen, nebst ihren Ehe­män­nern mit Gefangenschaft und an Geld gebührendermaßen abzustrafen“ seien.

Mit der Hochzeit kamen Frauen „unter die Haube“

Nach der Hochzeit war die Frau „unter der Haube“.

Der Schäppel war Teil der Festtagstracht und wurde nur an hohen kirchlichen Feier­ta­gen, bei Prozessionen, Hochzeiten oder Taufen getragen. Die erste Gelegen­heit zum Tragen der Brautkrone war meist die Erstkommunion oder Kon­fir­ma­tion der Dorf­mädchen, in manchen Gemeinden auch die Schulentlassung. Die letzte Ge­le­gen­heit war immer die eigene Hochzeit. Danach kam die Frau im wahrsten Sinn des Wortes „unter die Haube“ und trug fortan die Haubentracht (Tracht mit Haube als Kopf­be­deckung).

Obwohl der Schäppel früher von allen Bevölkerungsschichten und in ganz Deutschland getragen wurde, sieht man ihn heute, wenn überhaupt, nur noch im Schwarzwald. Aus­ge­hend von den Städten wurde die Tracht allmählich durch das weiße Hoch­zeits­kleid und den Schleier abgelöst. Nur in ländlichen Gegenden blieb der Schäp­pel erhalten und entwickelte sich zum Prunkstück der bäuerlichen Tracht.

Das Trachtenmuseum Haslach im Schwarzwald zeigt Schäppel und Trachten.

„Bald war der Schäppel nicht mehr nur ein Zeichen der Jungfräulichkeit, sondern auch ein Statussymbol“, erklärt Alois Krafczyk vom Trachtenmuseum Haslach im Kinzigtal, in dem rund zwei Dutzend verschiedene Schäppel mit den dazugehörigen Trachten zu sehen sind. „Je wohlhabender eine Familie war, umso wertvollere Materialien wurden in den Brautkronen verarbeitet.“

 

Brautkronen: Kostbare Schäppel zeigten, wer eine gute Partie war

Auf den Köpfen ihrer Töchter demonstrierten die Bauern ihren Wohlstand und ihr An­se­hen in der Gemeinde. Ein Vorteil und eine enorme Zeitersparnis für Männer auf Braut­schau: Sie konnten auf den ersten Blick sehen, wo eine gute Partie zu machen war. Manch einer fiel wohl dennoch auf die Nase, denn nicht jeder Schäppel befand sich im Besitz der Braut oder ihrer Familie. Wer sich keinen eigenen Schäppel leisten konn­te, borg­te ihn aus. Gegen eine angemessene Menge an Naturalien waren Nach­barn meist gerne bereit, den Kopfschmuck für einige Stunden zu entbehren.

Auf den Köpfen ihrer Töchter zeigten die Bauern ihren Wohlstand.

Auch die Kirchen boten vielerorts einen „Leihservice“ an. In einigen Orten waren die Schäppel sogar ausschließlich in Kirchenbesitz und mussten dort gegen Gebühr aus­ge­lie­hen werden. Das führte 1651 in einer norddeutschen Gemeinde zu einem hand­fes­ten Streit. Weil sie die Leihgebühr nicht bezahlen wollte, ließ sich die Tochter des Bür­ger­meis­ters privat einen Schäppel anfertigen. Als sie damit vor den Traualtar trat, sta­tu­ier­te der Pfarrer ein Exempel und verweigerte dem Paar die Vermählung.

Wie die Geschichte ausging, ist nicht überliefert; das Recht auf den privaten Besitz ei­nes Schäppels setzte sich aber trotz solcher Maßnahmen durch. Weil das Material teu­er und die Herstellung des Schäppels langwierig und mühselig war, wurden die Braut­kro­nen für ge­wöhnlich über mehrere Generationen verwendet und von den Müttern auf die Töchter ver­erbt.

Der St. Georgener Schäppel wiegt bis zu vier Kilogramm

Die kunstvollen Brautkronen unterschieden sich regional stark; jede Talschaft hatte ihre eigen Tracht und ihren eigenen Schäppel. Allein im Schwarzwald gibt es mehr als ein Dutzend verschiedener Formen. Die größten Brautkronen gibt es in St. Georgen: So ein Schäppel kann knappe vier Kilo wiegen und die Größe eines Lampenschirms ha­ben.

Ein Schäppel aus St. Georgen konnte vier Kilo wiegen. Ihn auf dem Kopf zu balancieren erforderte Aufmerksamkeit und Übung.

Einen solchen Riesen-Schäppel zu tragen, ist eine Kunst für sich. Allzu große Sei­ten­sprün­ge darf man damit nicht machen. „Der Schäppel wird am Haarzopf und mit Ohr­bän­dern am Kopf befestigt“, erklärt Rosa Ringwald, eine der letzten Schäppel­ma­che­rin­nen. „Das ist besonders dann eine wacklige Angelegenheit, wenn die Haa­re dünn, kurz oder ganz frisch gewaschen und dadurch rutschig sind. Je größer und schwe­rer ein Schäppel ist, desto schwieriger wird es, ihn auszubalancieren.“

Die aufrechte und fast majestätische Haltung von Schäppelträgerinnen kommt also nicht von ungefähr. Dass das Tragen des Schäppels aber nicht nur mit Würde zu tun hat, sondern mitunter auch ganz schön anstrengend ist, zeigt eine Geschichte aus Scho­nach. Dort trugen Schäppelmädchen am Herrgottstag die Heiligenstatue der Mut­ter­gottes auf einem Umgang. Danach waren die ledigen Mädchen meist völlig er-le­digt. 1874 beschwerten sich die Jungfrauen über das Kopfweh, das die Schäppel er­zeug­ten. Seither werden in Schonach keine Schäppel mehr getragen, und frisch­ver­mähl­te Frauen haben eine Ausrede weniger, wenn sie der Hochzeitsnacht nichts ab­ge­winnen können.

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