Soldaten und Schulpflicht: Die kurze Geschichte des Schulranzens

Der Schulranzen fand erst Ende des 19. Jh. Verbreitung, aber seine Geschichte beginnt deutlich früher. Dort, wo so manche Alltagserfindung ihren Ursprung hat: Beim Militär.

Was tun, wenn man mehr Zeugs zu transportieren hat, als man in den Händen tragen kann? Richtig: Man bindet es sich auf den Rücken. Das taten schon unsere Vor-Vor-Vorfahren und erfanden die Kraxe – ein einfaches, L-förmiges Gestell, das mit Trageriemen auf dem Rücken getragen wurde. Die Kraxe war leicht, einfach zu konstruieren, und gut geeignet für den Transport sperriger Güter wie Brennholz oder Zaunpfähle.

Heutige Schulranzen gehen auf Soldatentornister zurück

Für Dinge wie loses Obst oder Getreide war die Kraxe ungeeiget. Dafür wurde die Kiepe verwendet, ein geflochtener Korb mit zwei Schulter-Trageriemen. Die hielt schön dicht, hatte aber ein unerfreulich hohes Eigengewicht, das immer mitgeschleppt werden musste.

Erst die Armee kam auf den Gedanken, die Vorteile von Kraxe und Kiepe miteinander zu verbinden. Aus Holzleisten wurde ein Rahmen gebaut, der mit Fell oder Leder bespannt wurde. Diese Konstruktion war zugleich leicht, stabil und dicht. Der Tornister war erfunden. In ihm trugen Soldaten viele Generationen lang ihr Hab und Gut ins Feld.

Schulkinder und Pferd
Mit Schulranzen auf`s Pferd? Das hat Geschichte, immerhin wurden die Vorgänger der heutigen Schulranzen von der Kavallerie zum Transportieren des Pferdefutters verwendet.

Das Konzept des Tornisters war so einfach und effizient, dass es auch in der Zivilbevölkerung Anklang fand, und schließlich einem Verwendungszweck diente, den die Armee vermutlich nicht vorhergesehen hatte: Als Schulranzen, der in manchen Regionen bis heute „Tornister“ genannt wird. Das Wort stammt übrigens nicht, wie häufig angenommen, aus dem Französischen, sondern aus dem westslawischen Sprachraum und bezeichnete den Futtersack, den die Reiter der Kavallerie für ihre Pferde mitführten. Im 18. Jahrhundert wurde der Begriff in die deutsche Sprache übernommen.

Keine Schulpflicht – kein Schulranzen

Obwohl längst erfunden, war der Schulranzen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts ein eher seltener Anblick. Der Grund war einfach: Es gab zwar eine Unterrichtspflicht, aber noch keine Schulpflicht. Die Unterrichtspflicht war Sache des Hausvaters – der Unterricht fand daheim statt, was einen Schulranzen überflüssig machte. Der Besuch einer Schule war ein Privileg, das nur Kindern aus wohlhabenden Häusern offenstand. Ärmere Kinder wurden weiterhin zu Hause unterrichtet, sofern nicht Wichtigere Dinge wie Mithilfe in Haus, Garten und Feld anstanden.

Scout Schulranzen 90er
Klassisch-eckige Tornisterform, viele Neuerungen: Der „Scout“ revolutionierte die Schulranzenwelt. Dieses Modell aus den 90ern aus Nylon mit Pappkern hat reflektierende Schnallen und verstellbare Schultergurte.

Erst 1919 wurde flächendeckend die allgemeine Schulpflicht in Deutschland eingeführt. Damit wollte (und will) der Staat das „Grundrecht auf eine humane Bildung“ garantieren, für Kinder aus allen sozialen Schichten. Das ging nicht ohne Kontroversen und Widerstände. Die Bildung der eigenen Kinder in staatliche Hand zu geben sei ein „Eingriff in die bürgerliche Freiheit“ und die „Einschränkung der Elternrechte“, hieß es. Eine Diskussion, die im übrigen auch heute noch hier und da aufflammt.

Mit der Einführung der Schulpflicht gehörten Kinder mit Schulranzen auf dem Rücken quasi über Nacht zum alltäglichen Bild. Die Ansprüche an den Schulranzen waren gering: Er musste den Inhalt zuverlässig vor Beschädigungen schützen. Alles andere war zweit- oder drittrangig. Bis in die 1960er-Jahre waren Schulranzen starre, kastenförmige, mit Leder oder Leinen bespannte Tornister. Schulranzen für Jungen hatten eine lange Klappe und Riemchen mit Rollschließen; das Modell für Mädchen hatte eine kurze Klappe mit Verschlussriemen, die sich vor der Klappe kreuzen. Viel mehr Individualität gab es nicht, allenfalls die ein oder andere Fell-Verzierung.

Scout Schulranzen 90er
Eine ergonomische Rückenpolsterung und einen Bauchgurt gab es damals noch nicht.

Die damaligen Ranzen waren im Schnitt kleiner als heutige, und trotz des höheren Eigengewichts trugen Kinder weniger Gewicht zwischen Schule und Zuhause hin und her: Schulbücher waren teuer und befanden sich oft nicht im Besitz des einzelnen Schülers, sondern in dem der Schule. Dort blieben sie auch. Das galt auch für Schulmaterialien wie Atlanten und Arbeitsblätter.

Schulhefte gab es zwar, aber es waren weniger als heute, schon allein deswegen, weil sich der Unterricht vor allem in den Grundschulen auf einige wenige Kernfächer beschränkte: Deutsch, Mathematik, Religion, Sachkunde. Auch das Schreibmaterial fiel knapper aus – ein paar Stifte, vielleicht ein Füller, ein Anspitzer und ein Radiergummi. In manchen Gegenden waren in den Grundschulen noch bis 1970 Griffel und Schiefertafel in Gebrauch. Dinge wie Taschenrechner gab es nicht, und das Pausenbrot wurde in Butterbrotpapier eingewickelt, ganz ohne sperrige Dose.

Es wird bunt: Moderne Schulranzen erobern die Kinderrücken

Ende der 1960er-Jahre kommen mit der Flower-Power- und Pop-Art-Mode die ersten bunten Schulranzen auf den Markt. Lackglänzende Oberflächen und Aufdrucke sind in; auf den Ranzendeckeln prangen Tiere und Blumen, später dann auch Fernsehfiguren wie Donald Duck, Heidi oder Biene Maja. Damit beginnt eine Ära, in der ein Schulranzen nicht nur praktisch sein musste, sondern auch ein kindgerechtes Desing haben durfte, zumindest optisch. An Ergonmie wurde damals hingegen noch nicht groß gedacht.

Das änderte sich 1975, als die Firma Sternjakob den ersten „Scout“ auf den Markt brachte und damit die Schulranzenwelt revolutionierte und bis heute prägte. Der neue Ranzen bestand aus Nylon mit einem Innenkern aus Pappe. Verglichen mit früheren Tornistern war er ein Fliegengewicht. Fluoriszierender Stoff (erhältlich in Blau, Grün, Gelb oder Rot), Steckschlösser mit reflektierenden Katzenaugen und gepolsterte Tragegurte waren weitere Highlights. Statt quer wurden Bücher und Hefte hochkant untergebracht – ein erstes Zugeständnis an die Ergonomie und den Tragekomfort.

Schulranzen
Hauptsache cool! – Kinder haben bei Schulranzen klare Prioritäten – Eltern auch. Nicht immer sind diese mühelos kompatibel …

In den Neunzigern gesellten sich labberig-lässige Schulrucksäcke zum klassisch-eckigen Ranzen. Vor allem Jugendliche griffen zum Rucksack und hängten ihn cool über eine Schulter – sehr zum Schrecken von Orthopäden und Haltungsexpterten. Wieder war es die Firma Sternjakob, die als erste auf den Trend reagierte und den ersten ergonomischen Schulrucksack Deutschlands auf den Markt brachte.

Eine weitere Neuerung kam in der Mitte der Nullerjahre: Der Schulranzen-Trolley, der nicht mehr getragen, sondern gezogen wird. Beliebt ist der Trolley vor allem bei Mädchen im Grundschulalter, aber so richtig durchgesetzt hat er sich bisher nicht. Ob er wirklich rückenschonender ist, oder ob die meist einseitige Haltung beim Ziehen nicht doch mehr Schaden als Nutzen bringt, ist nicht abschließend geklärt und bleibt umstritten.

Heute sind eine Vielzahl an Modellen und Designs auf dem Markt, vom Retro-Tornister über den coolen Rucksack bis hin zum individuell bedruckten Schulranzen mit eigenen Fotos. Auch die Ansprüche an einen Schulranzen sind andere, als noch vor fünfzig Jahren. Robust, leicht und ergonomisch soll er sein, gerne auch nachhaltig hergestellt und nicht zu teuer. Und dem Kind soll er auch gefallen. Wer heute einen Ranzen kauft, sucht die eierlegende Wollmilchsau und  wird von der Auswahl fast ein bisschen erschlagen. Um Ihnen diese zu erleichtern, haben wir zusammengefasst, worauf Sie beim Kauf eines Schulranzens achten sollten.

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