Strafer­lass für Sünder: Ab­lass und Verge­bung sind zwei Paar Schuh

Sünden vergeben kann nach katholischem Glauben nur Gott. Einen Ablass ge­wäh­ren kann hingegen auch die Kirche. Dieser verkürzt die Zeit im Fegefeuer.

Sünde ist nicht gleich Sünde. Die katholische Kir­che unterscheidet je nach Schweregrad zwischen himmelschreiender Sünde, Todsünde und lässlicher Sünde. Sünden „die zum Himmel schrei­en“ sind im Katechismus „nur“ fünf auf­ge­führt – beginnend mit dem Blut, das Kain beim Mord an seinem Bruder Abel vergoss.

Die Hierarchie der Sünden

Beichtstuhl im Zwiefalter Münster.

Papst Johannes Paul II. formulierte 1999 diese „sozialen Sünden, die zum Himmel schreien“, neu: Gemeint sind damit alle Verhältnisse, die Gewalt erzeugen und den Frieden und die Har­monie zerstören. Im einzelnen nannte er Dro­gen­handel, Geldwäsche, Korruption, Gewalt, Aufrüstung, Rassendiskriminierung, Un­gleich­heit innerhalb sozialer Schichten und ver­nunft­lose Zerstörung der Natur.

Eine Todsünde liegt nach Definition der Kirche vor, wenn folgende drei Dinge zutreffen:

  • Es handelt sich um eine gewichtige Sache, meist einen Verstoß gegen die Zehn Gebote. Traditionell werden in diesem Zusammenhang Mord, Ehebruch und der Abfall vom Glauben genannt.
  • Der Sünder hat die Sünde aus freiem Willen („mit bedachter Zustimmung“) be­gan­gen.
  • Der Sünder handelte „mit vollem Bewusstsein“ – er wusste also bereits bevor er sündigte um die Schwere des Vergehens.

Nach dem Verständnis der Kirche entsteht eine Todsünde aus einer oder mehreren schlech­ten Charaktereigenschaften: Hochmut, Geiz, Wolllust, Zorn, Völlerei, Neid und Trä­gheit. Diese sieben Laster gelten an sich noch nicht als Sünde – dass sie landläufig als „Die sieben Todsünden“ bezeichnet werden, ist theologisch nicht korrekt. Theologen spre­chen gelegentlich von „Wurzelsünden“, weil in diesen schlechten Eigenschaften die Sünde wurzelt.

Ist eines der drei Kriterien einer Todsünde nicht erfüllt, so handelt es sich um eine lässliche Sünde. Im Gegensatz zu den Todsünden, welche eine bewusste Abkehr von Gott darstellen und die Höllenstrafe nach sich ziehen, ist bei der lässlichen Sünde die erneute und vollständige Hinwendung zu Gott möglich. Das erfordert die vollkommene Reue und die Beichte des Sünders – nur dann kann eine lässliche Sünde vergeben werden.

Die Beichte bewirkt Vergebung, doch erst der Ablass bewirkt Strafminderung

Mit der Beichte erlangt ein Sünder die göttliche Vergebung. Die Folgen der Sünde sind aber noch in der Welt, und diese wird der Sünder auch mit der Beichte nicht los. Er ist daher aufgerufen, während seines Lebens die Folgen seiner Sünden aus der Welt zu schaffen, Wiedergutmachung zu leisten und seine Schuld zu sühnen – mit guten Wer­ken, durch Gebete und Pilgerfahrten.

Gebete, Pilgerfahrten und gute Werke dienten nicht der Vergebung, sondern der Wiedergutmachung der begangenen Sünden.

Erst wenn Wiedergutmachung geleistet und Buße getan ist, ist die Seele von den Fol­gen der Sünde gereinigt. Stirbt jemand im Zustand der Sünde, so muss seine Seele erst gereinigt werden, bevor sie vor Gott treten kann. Das geschieht im Fegefeuer. Je nach Schwere und Menge der Sünden dauert diese Reinigung mehr oder weniger lang.

Hier setzt der Ablass an: Wer einen Ablass erwirbt, verkürzt die Zeit, die seine Seele im Fegefeuer verbringt. Der Ablass ist also als eine Art Strafminderung zu verstehen und steht unabhängig von der Vergebung. Allerdings wird ein Ablass nur gewährt, wenn vorher gebeichtet wurde – er ist der Vergebung also „nachgelagert“.

Kurze Geschichte des Ablasses und des Ablasshandels

Bereits ab dem 5. Jahrhundert wurden Sündern von der Kirche schwere Bußen zur Wie­dergutmachung der Schuld auferlegt. Mit der Zeit wurden diese Bußstrafen immer här­ter, und es entwickelte sich ein recht weltlich-juristisches Konzept, wie man seine Buße „ablösen“ konnte. So konnte statt der eigentlichen Buße eine angemessene Er­satz­lei­stung erbracht werden. Es wurde sogar stellvertretend gebüßt: Reiche schick­ten Arme gegen Bezahlung auf heilbringende Pilgerreisen oder ließen sie fasten.

In diesem Beicht­stuhl gibt es zur Zeit keine Sün­den­­ver­gebung.

Der Ablass durch die Kirche (welche die Bußstrafen ja überhaupt erst auferlegt hatte) begann im 11. Jahrhundert. Papst und Bischöfe konnten nun Strafen vermindern oder ganz erlassen. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass Jesus und die Heiligen so viele gute Werke wirkten und so viele Opfer brachten, dass der Kirche durch diese „über­schüs­sigen“ Dienste ein unerschöpflicher „Gnadenschatz“ zur Verfügung steht. Durch Vermittlung der Kirche könne jeder Gläubige (und durch Fürbitten sogar Tote) Zugang zu diesem Gnadenschatz erhalten, so die Idee hinter dem Ablass.

Im Laufe des Mittelalters wurde das Konzept des Ablasses von findigen Theologen als Geschäftemacherei missbraucht: Sie boten Ablassbriefe zum Verkauf an. Diese wur­den wie Wertpapiere gehandelt – Reiche kauften sich von ihrer Strafe frei, Bischöfe kauf­ten sich Paläste und finanzierten ihren ausschweifenden Lebensstil. Der Peters­dom in Rom wurde zu einem guten Teil mit Ablassgeldern finanziert. Zur Zeit Mar­tin Luthers erreichte der Ablasshandel einen Höhepunkt – die Kritik an den Miss­bräu­chen des Ablasses wurden zu einem wichtigen Auslöser der Reformation.

Auch heute können Sünder einen Ablass erwerben

1567 hob Papst Pius V. den Ablass gegen Geld auf; drei Jahre später verfügte er die Exkommunikation als Strafe für Ablasshändler. Dieser Erlass war noch bis 1983 gül­tig. Obwohl die katholische Kirche sich bereits zur Zeit der Gegenreformation be­müh­te, den Missbrauch des Ablasses abzustellen, hielt sie an dem grundsätzlichen Kon­zept des Ablasses fest. Seit 1967 wird zwischen einem vollständigen General­ab­lass und einem Teilablass unterschieden.

Generalablässe können nur unter bestimmten Voraussetzungen, an bestimmten Orten oder Tagen erworben und nur von bestimmten Personen erteilt werden. So erteilt etwa der Papst jedes Jahr an Ostern mit dem Segen „Urbi et Orbi“ einen Generalablass für alle „die guten Willens sind“ und den Segen sehen oder hören. Seit 1967 kann dieser Segen über Radio, seit 1985 übers Fernsehen und seit 1995 auch über das Internet gültig empfangen werden.

Die genauen Voraussetzungen für Teil- und Generalablässe sind heute im Enchiridion Indulgentiarum, dem Ablassverzeichnis, geregelt. Dort erfährt man zum Beispiel, dass der Besuch einer Katakombe nur einen Teilablass bewirkt, während die Anbetung des Allerheiligsten für wenigstens eine halbe Stunde einen Generalablass zur Folge hat (sofern die Voraussetzungen wie der Empfang des Bußsakraments und der Empfang der Kommunion erfüllt sind). Mehr zum Thema schreibt Christiane Laudage in ihrem Buch „Das Geschäft mit der Sünde: Ablass und Ablasswesen im Mittelalter„.

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