Fegen bringt Segen, wenn man es richtig macht. Wird jedoch verkehrt gekehrt, dann droht Unheil. Alte Kehrvorschriften und Kehrverbote helfen. Vielleicht.
Fegen ist langweilig, Kehren eine lästige Pflicht und ein Besen ein wenig geliebter Alltagsgegenstand, könnte man meinen. Ein Blick in das Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens belehrt eines Besseren.
„Schmutz und Unrat sind dem Menschen etwas Lästiges und Widriges und müssen daher weggeschafft werden. Somit hat das Hinauskehren einen abweisenden, abwehrenden Sinn, zumal wenn primitiver Glaube in Staub und Kehrricht Schlupfwinkel und Verstecke unheimlicher und übelwollender Geister erblickt“, heißt es dort.
Das Kehren müsse daher „gleich von Anfang an als katharische, als magische Handlung überhaupt aufgefasst werden“ und „greife schicksalbestimmend in die verschiedenen Lebensbereiche ein“.
Kehrverbote, Kehrvorschriften und Kehrwoche
Entsprechend mannigfaltig und teilweise widersprüchlich sind die überlieferten Kehrvorschriften und Kehrverbote. Richtig ausgeführt, so glaubten unsere Vorfahren, bringt das Fegen Wohlstand und Segen. So sollten Treppen unpraktischerweise immer von unten nach oben gekehrt werden und Räume von der Tür zur Mitte hin, um das Glück ins Haus zu fegen.
Mancher Kaufmann kehrte den Staub vor der Tür in seinen Laden hinein, um den Absatz zu steigern. Um Mitternacht gesammelter und in die Wirtsstube gebrachter Kehrricht sollte Gäste anlocken. Wer allerdings über den Kehrricht hinwegstieg, machte die Wirkung zunichte oder ver-kehrte sie gar ins Gegenteil.
Kehren zur Mittagsstunde war nicht angeraten, denn dann wurde das Glück aus dem Haus befördert und der Tag brachte Zank. Wer nach Sonnenuntergang fegte, konnte nicht schlafen. Nächtliches Kehren war ganz und gar zu unterlassen, denn das motivierte finstere Unholde, den Kehrricht für allerlei Schadenzauber zu missbrauchen. Und niemals durfte hinter einem scheidenden Gast hergefegt werden, denn das brachte ihm den baldigen Tod.
Vor Weihnachten und hohen Feiertagen ist das Kehren laut Aberglaubenhandbuch zu unterlassen, über welchen Zeitraum sich dieses „vor“ erstreckt, wird allerdings nicht erklärt. Mittwochs und freitags darf ebenfalls nicht gefegt werden, zumindest nicht im Stall.
Bei so vielen komplizierten Vorschriften ist es leichter, es mit den Schwaben zu halten. Seit über fünfhundert Jahren kennen sie nur eine Kehrvorschrift: die samstägliche Kehrwoche, die im übrigen vor allerhand unangenehmen Dingen wie Verrat und Denunziation schützte. Wer auch dieser einfachen Vorschrift nichts abgewinnen kann, sollte vielleicht gar nicht mehr kehren und besser gleich einen Staubsauger kaufen. Das hat einen weiteren Vorteil und löst ein schwerwiegendes Problem: Was tun mit dem Kehrricht?
Kehrricht: Grabbeigabe und Unterpfand der Liebe
Denn das Häufchen Staub und Schmutz, das heute unbeachtet in den Mülleimer gekippt wird, will mit Vorsicht und Respekt behandelt werden. Je nach Auffassung galt der Kehrricht als Unterpfand der Liebe und des Glücks, als Unterschlupf wohlwollender oder übellauniger Geister, als Heimstatt von Flöhen und Ungeziefer, als aussagekräftiges Orakel oder als Aufenthaltsort der Seelen Verstorbener.
„Nach altem Volksglauben fiel die Seele nach dem Tod aus dem Körper und blieb am Boden liegen“, erzählt Christl Hirner vom Museum Besenwelten. „Wollte man sie sicher aus dem Haus fortbekommen, musste direkt nach dem Hinaustragen des Toten gründlich gefegt werden.“ Als befremdlich anmutende Grabbeigabe wurde der Kehrricht in den Sarg gekippt und mitbestattet.
Bei den alten Römern begleitete das Fegen nicht nur den Tod, sondern auch den Beginn des Lebens. Um böse Einflüsse fernzuhalten, kehrten die Hebammen die Schwelle eines Hauses, in dem eine Geburt stattfinden sollte, mit gesegneten Besen.
Hexenbesen und Besenwerfen
Im Mittelalter galt der Besen dann als Fluggerät der Hexen. Wer in der Walpurgisnacht einen Besen unbeobachtet stehen ließ, musste damit rechnen, dass er einer Hexe in die Hände fiel, die damit möglicherweise dem Scheiterhaufen entkam. Im übrigen wurden im Mittelalter nicht nur Hexen verbrannt, sondern auch die alten Reisigbesen, die diese als Fluggerät schätzten. So konnten sie nicht mehr von Hexen und bösen Geistern missbraucht werden. Der Brauch hielt sich, wenn auch mit anderer Bedeutung: Werden alte Reisigbesen im Sonnwend- oder Martinsfeuer verbrannt, so wird man damit auch das Alte, Abgenutzte und Abgelegte an sich los.
Mancherorts war der „Hexentest“ ein beliebter Hochzeitsbrauch und ließ sie über einen Besen springen. Gelang es, war alles in Butter, denn nicht ganz logisch wurde angenommen, dass eine Hexe zwar auf einem Besen fliegen, nicht aber über diesen steigen könne. Heute fliegen Besen nur noch in Harry Potter und in Ostfriesland. Dort allerdings ohne Stiel, beim Besenwerfen oder Bessensmieten.
Bei diesem Spiel versuchen zwei Mannschaften, den Kopf eines Reisigbesens möglichst weit zu werfen. Es handelt sich dabei um eine reine Spaßveranstaltung, die auf Feld-, Wald- und Wiesenwegen ausgeübt wird. Wundern Sie sich bei einem Spaziergang durch Ostfriesland also nicht, wenn Ihnen ein Besen hinterhergeworfen wird. Es ist nicht persönlich gemeint.