Typisch deutsch: Exportschlager Kuckucksuhr

Kuckucksuhren gelten als typisch deutsch und sind das beliebteste Souvenir von ausländischen Touristen. Vor allem Amerikaner begeistern sich für die „German Cuckoo Clock“, doch der Schwarzwälder Kuckuck hat es noch viel höher hinaus geschafft.

Es tickt. Langsam. Ewig. Mit einem leisen „Klick“ springt der Minutenzeiger weiter. Noch eine Minute. Es tickt. Ich zähle mit. Auf sechzig, hieß es, was schwierig ist, weil ich das Konzept mit den sechzig noch nicht verstanden habe. Ich kann erst bis zehn zählen, also zähle ich sechs Mal bis zehn und nutze Finger und Knöchel, um nicht durcheinander zu kommen. Irgendwo zwischen zwei-mal-zehn-und-acht und drei-mal-zehn-und-eins verzähle ich mich. Da bleibt nur Warten. Das dauert alles ewig, fast so lange, wie auf Weihnachten warten, nur dass man Weihnachten am Ende nicht so leicht verpasst, weil es wenigstens länger dauert.

Großelterliche Kuckucksuhren und kindliche Reizüberflutung

Und dann endlich, und trotz der angespannten Erwartung völlig überraschend, macht es „Klick“, der Zeiger springt auf die volle Stunde, die Tannenzapfen an den Ketten bewegen sich, das kleine Türchen im Dachgiebel geht auf, und der noch kleinere Kuckuck im Inneren ruft „Ku-ckuck! Ku-ckuck! Ku-ckuck!“ Zwei kleine Figuren, ein Männlein in Lederhose und eine Frau in Tracht drehen sich rechts unterm Ziffernblatt aus dem Bahnwärterhäuschen heraus und verschwinden kurz darauf auf der linken Seite.

Zwischen Kitsch und Krempel: Der Kindheitstraum Kuckucksuhr in einem Souvenirladen am Lago Maggiore.

Alles gleichzeitig, ich weiß gar nicht, wo ich zuerst hingucken soll, und dann ist der Spuk auch schon vorbei. Die Türen schließen sich, der Kuckuck ist verschwunden, die Uhr ist unbewegt, nur ein Ticken ist zu hören, und ich habe wieder nicht gesehen, ob der Kuckuck bei seinem Ruf tatsächlich den Schnabel öffnet, wie meine Schwester behauptet. Kuckucksuhren und die darin integrierte Reizüberflutung brachten mich schon damals zur Verzweiflung.

Besagte Kuckucksuhr hing in der „guten Stube“ meiner Großeltern. Sie war so ziemlich ihr spannendstes Besitztum und nicht nur für uns Kinder von hohem emotionalem Wert, denn die Uhr war eine Erinnerung an die Hochzeitsreise im Schwarzwald. Der Schwarzwald gilt als Heimat der Kuckucksuhr, ist aber nicht ihre Wiege. Erfunden wurde sie anderswo. Irgendwo, „im Dunkeln“, wie Wikipedia es außergewöhnlich lyrisch zusammenfasst. Ganz sicher nicht im Schwarzwald, aber möglicherweise in Deutschland. Immerhin.

Mechanische Vögel und automatische Orgeln

Bereits 1619 gelangte eine „Uhr mit einem Kuckuck, so verüldt und schreiet“ in die kurfürstliche Kunstkammer in Dresden. Mechanische Tiere waren im beginnenden 17. Jahrhundert in ganz Europa en vogue  – unter anderem beschäftigte sich René Descartes mit der (theoretischen) Erschaffung von Androiden. Der Mechaniker Salomon de Caus beschrieb bereits 1615, wie ein Kuckucksruf mit zwei Pfeifen nachgeahmt werden konnte. Auf diesen Ideen aufbauend fertigte der deutsche Jesuit Anthanasius Kircher um 1650 sprechende Statuen, automatische Theater und eine mechanische Orgel mit einem Kuckuck, der Flügel, Schwanzspitze und Schnabel bewegte und dabei den Kuckucksruf ausstieß.

Spätestens als der italienische Architekt Domenico Martinelli 1699 vorschlug, den Kuckucksruf zur Anzeige der Stunden zu nutzen, war der Mechanismus der Kuckucksuhr erfunden. In den Schwarzwald gelangte sie erst später. Die Chronisten sind uneins, auf welchem Weg das geschah: Der Pfarrer Franz Steyrer berichtet, die beide Uhrenhändler Joseph Ganter und Joseph Kammerer hätten 1740 auf einer Handelsreise einen böhmischen Händler getroffen, welcher hölzerne Kuckucksuhren verkaufte. Davon inspiriert sollen die ersten Uhrmacher mit dem Bau von Kuckucksuhren begonnen haben. Steyers Zeitgenosse Markus Fidelius Jäck schreibt hingegen, dass die erste Kuckucksuhr von Franz Anton Ketterer aus Schönwald stammt, der sich von den Blasebälgen einer Orgel inspirieren ließ.

Rädermacher und Drahtzieher – die ersten Kuckucksuhren im Schwarzwald

So oder so: Die ersten Schwarzwälder Kuckucksuhren ähnelten Omas Modell nur wenig – es waren Lackschilduhren und Rahmenuhren in deutlich schlichterem Design. Gegen 1750 wurde der erste Kuckuck in eine so genannte Schottenuhr mit Kuhschwanzpendel eingebaut – begehrte und teure Raritäten unter den ohnehin begehrten Schwarzwälder Uhren.

Die Bedeutung der Uhrmacherei stieg so sehr, dass sich der Beruf zunehmend spezialisierte. Wo die Uhrmacherei anfänglich eine typische Nebenerwerbstätigkeit für die langen Winter war, gab es mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts eine Reihe von eigenständigen Berufen rund um die Uhrmacherkunst: Gestellmacher, Uhrenkastenbauer, Schildermaler, Räderdreher, Schnitzer, Kettenrädermacher, Drahtzieher, Uhrenträger und Uhrenhändler arbeiteten Hand in Hand. Alleine in in der Gemeinde Gütenbach waren 181 der insgesamt 833 Einwohner in der Uhrmacherei tätig.

Kein Wunder, dass 1850 in Furtwangen die „Großherzogliche Badische Uhrmacherschule“ gegründet wurde. Zur Eröffnung der ältesten deutschen Uhrmacherschule rief der damalige Direktor, Robert Gerwig, zu einem Wettbewerb für zeitgemäßes Uhrendesign auf. Das war die Geburtsstunde der Kuckucksuhr, wie wir sie heute kennen. Der Entwurf für die „Bahnhäusleuhr“ stammte vom Architekten Friedrich Eisenlohr, der für die meisten Bauten entlang der badischen Staatseisenbahn verantwortlich war.

Ab 1860 wurde die ursprünglich streng grafische Form der Uhr zunehmend verspielter: Uhren mit verzierten Zeigern, geschnitzten und bewegten Figuren und Gewichten in Tannenzapfenform kamen auf den Markt und eroberten ihn rasant. Die Bahnhäusleuhr mit den üppigen Schnitzereien ist bis heute ein Dauerbrenner unter den Souvenirs. Besonders amerikanische Touristen lieben den Kuckuck – idealerweise kombiniert mit beweglichen Figuren wie jene Uhr, die in der Stube meiner Großeltern hing.

Hoch hinaus – Schwarzwälder Kuckucksuhren im Himalaya

Auch arabische und asiatische Touristen greifen gerne zur Kuckucksuhr – sie ist ein so „typisch deutsches Souvenir“ und als Plastikmodell mit Quarzuhrwerk mittlerweile für sehr wenig Geld in jedem Souvenir- und Flughafenladen zu kriegen. Wer auch sich hält, schwört auf die gute alte Handwerkskunst und lässt dafür einiges Geld liegen: Handgemachte Kuckucksuhren überschreiten die 1.000-Euro-Marke oft schneller, als man meinen würde. Zwischen Kitsch und Handwerkskunst behauptet sich die tradtionelle Kuckucksuhr tapfer: Rund 35.000 handgefertigte Kuckucksuhren verkauft der Weltmarktführer Hönes in Titisee-Neustadt jedes Jahr in alle Welt.

Tipp: Kuckucksuhren aus dem Schwarzwald
Tipp: Kuckucksuhren aus dem Schwarzwald Eine sehr gute Auswahl von Kuckucksuhren gibt es bei Eble Uhren - Park*. Die Familie Eble aus dem Schwarzwald pflegt schon über mehrere Generationen hinweg das traditionelle Handwerk der Uhrenfertigung.

Eine Original Schwarzwälder Qualitätsuhr hängt seit 2010 auch im Hauptgebetsraum des buddhistischen Klosters Rongbuk am Fuß des Himalaya. Die ursprüngliche Billiguhr mit Plastikquarzwerk (von der keiner weiß, wie sie in den Himalaya kam ….) ging unreparierbar kaputt, was die Nonnen und Mönche sehr betrübte. Die Triberger Uhrenfabrik Hubert Herr fertigte daraufhin eine Original Schwarzwälder Kuckucksuhr mit mechanischem Uhrwerk an und überreichte sie dem Kloster als Geschenk.

Die Freude der Beschenkten war so groß, dass ein „Uhrenbeauftragter“ bestellt wurde, der sich um die Pflege der Uhr kümmern sollte. In rund 5.200 m Höhe ruft nun ein Triberger Kuckuck die Stunde aus und erfreut nicht nur die Mönche, sondern auch die Touristen, die am anderen Ende der Welt ein wenig Deutschland finden.

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