Das freundlich-zurückhaltende Wesen von Alpakas hilft, Ängste ab- und Vertrauen aufzubauen. Das macht die Alpakatherapie auch für Angstpatienten geeignet.
„Die Widerspenstigkeit dieser Thiere gränzt ans Unglaublichste; wenn eines von der Heerde getrennt wird, wirft es sich auf die Erde und ist durch kein Mittel zum freiwilligen Aufstehen zu bewegen, und erleidet lieber den qualvollsten Tod, als dass es folgen würde“, schrieb Johann Jakob Tschudi auf seiner Perureise 1844/46 über das Alpaka.
Da hat der Naturforscher zum Glück maßlos übertrieben, obwohl Alpakas auch heute in dem Ruf stehen, reichlich stur und schwieriger als ihre größeren Verwandten, die Lamas zu sein.
Alpakas sind weniger menschenbezogen als Lamas
Tatsächlich sind viele Alpakas etwas scheuer als Lamas. Das hat historische Wurzeln: Als Pack- und Begleittier stand das Lama in dichtem Kontakt zum Menschen und musste entsprechend umgänglich und anhänglich sein. Das Alpaka hingegen wurde von den Inkas „auf Wolle“ gezüchtet und in großen Herden abseits der Siedlungen gehalten. Es reichte, wenn die Tiere „irgendwie zu handhaben“ waren.
Das blieb über Jahrhunderte so, auch als die ersten Tiere den Ozean überquerten. Erst seit sich das Alpaka auch bei Privathaltern zunehmender Beliebtheit erfreut und als Trekkingbegleiter oder Freizeitpartner gehalten wird, achten Züchter vermehrt auf ein menschenbezogenes Wesen.
Freundlich, zurückhaltend und angenehm unaufdringlich
Von Natur aus sind Alpakas Herden- und zugleich Distanztiere. Sie brauchen Sozialkontakt, wahren aber auch untereinander immer einen gewissen Abstand. Gegenseitiges Kraulen und intensive Fellpflege, wie dies etwa Pferde betreiben, kennen Alpakas nicht.
Menschen gegenüber sind die Tiere neugierig aber zurückhaltend und vorsichtig. Gut erzogene, bzw. richtig sozialisierte Alpakas drängeln und schubsen nicht, und anders als so manches Pferd stecken sie ihre Nase nicht in fremder Leute Jackentasche, weil sie dort eine Leckerei vermuten. Dieser zurückhaltende Wesenszug hilft vielen Patienten, Ängste abzubauen, Vertrauen zu fassen und dadurch Selbstwert zu entwickeln.
Durch ihre ruhige und freundliche Art wirken Alpakas ausgleichend, entspannend und motivierend. Die großen Augen, das kuschelige Fell und das ausgeprägte Kindchenschema machen die Tiere sympathisch und anziehend. Die geringe Körpergröße (Rückenhöhe rund ein Meter) ist ein weiterer Vorteil in der Therapie: Die Tiere befinden sich auch mit Kindern und Rollstuhlfahrern auf Augenhöhe. Da fällt es leichter, Vertrauen aufzubauen, als zu einem Tier, von dem man nur die Brust sieht.
Alpakas – Delfine der Wiesen?
Obwohl man mitunter das Gegenteil liest: Alpakas sind keine Wunderheiler und keine „Delfine der Wiesen“. Das Tier allein vermag nicht zu heilen. „Ausschlaggebend für den Erfolg einer Therapie sind immer die gute Mensch-Tier-Kombination, eine fundierte Berufsausbildung des Therapeuten und die Beziehung zwischen Klient, Alpaka und Therapeut“, betont Heike Höke, Ausbildungsleiterin am Institut für tiergestützte Therapie mit Lamas und Alpakas (AATLA).
So spricht sie auch nie von „Therapietieren“ sondern allenfalls von „Therapiebegleittieren“. Ein kleiner, aber wichtiger Unterschied, der hilft, keine falschen Erwartungen an eine Alpakatherapie zu stellen.
Mangel an Erfahrung ermöglicht Unbefangenheit
Heike Höke spricht noch einen weiteren Punkt an, weshalb sich Alpakas gut für den Einsatz in der Therapie eignen. Zu Hund oder Pferd, so ihre Erfahrung, fällt fast jedem ein negative Geschichte ein – sei es, dass diese selbst erlebt wurde, oder man sie erzählt bekam. Beim Alpaka ist das meist anders.
„Kaum jemand hat mit Alpakas schlechte Erfahrungen gemacht“, erklärt sie. „Dadurch können auch ängstliche Menschen unbefangen und unvorbelastet auf die Tiere zugehen und sich einlassen.“