Gut gemeint und schlecht gemacht: In Deutschland sind mehr Pferde überfüttert als unterversorgt. Stoffwechselstörungen und Leistungseinbußen sind die Folge. Wie wird Kraftfutter im Körper verarbeitet, und wann ist es sinnvoll?
Als ich vor fast vierzig Jahren mit dem Reiten angefangen habe, gab es in den Futtertrögen meiner Reitschule Hafer, gelegentlich eine Handvoll Mais, und in Ausnahmefällen eingeweichte Rübenschnitzel. Das war’s. Heute gibt es gefühlt acht Millionen verschiedene Kraftfuttermischungen gegen jedes Problem und für jeden Zweck. Aber wie sinnvoll ist die Fütterung von Kraftfutter überhaupt?
Ein Blick in die Geschichte: Ursprünge der Getreidefütterung
Bevor sich Pferdebesitzer fragen, welches Kraftfutter das Richtige für ihr Pferd ist, sollten sie sich fragen: Braucht mein Pferd überhaupt Kraftfutter? Für sehr viele Pferde gilt: Nein. Rauhfutter in ausreichender Menge und guter Qualität ist auch für heutige Freizeit- und Sportpferde die Basis der gesunden Pferdefütterung. Für viele Freizeitpferde ist das ausreichend.
Nur wenige Pferde arbeiten heute so schwer, dass sie ihren Bedarf an Energie nicht allein über Rauhfutter decken können. Und nur dann ist Kraftfutter sinnvoll bzw. notwendig – als konzentrierter Energielieferant für arbeitsreiche Phasen oder für schwerfuttrige Pferde.
Die Kraftfutterfütterung wurde notwendig, als der Mensch begann, Pferde als Arbeits-, Zug- und Kriegstiere zu nutzen:
- Eine reine Rauhfutterfütterung konnte den stark erhöhten Energiebedarf von Arbeitspferden nicht decken.
- Bis ein Pferd sich an Rauhfutter satt gefressen hat, vergehen bis zu sechzehn Stunden täglich. Fresspausen und damit Arbeitsausfälle dieser Länge waren schlicht indiskutabel und hätten das Pferd völlig unrentabel gemacht.
- Pferde brauchen große Mengen an Rauhfutter, um ihren Energiebedarf zu decken. Diese Mengen standen vielen Bauern nicht zur Verfügung (zu wenige Weideflächen zur Heuproduktion), und auf Reisen oder im Krieg war es logistisch nicht möglich, ausreichende Mengen an Rauhfutter mitzuführen.
Eine Alternative zum natürlichen, faserreichen und nährstoffarmen Rauhfutter musste her und wurde im Getreide gefunden. Im Vergleich hat Getreide weniger Volumen, weniger Gewicht, dabei deutlich mehr Energie als Rauhfutter. Obendrein war (und ist) es schneller gefressen und verdaut.
Getreiderationen bis zu acht Kilo pro Tag und Pferd waren früher durchaus üblich.
Ist Getreide überhaupt ein geeignetes Pferdefutter?
Als Kraftfutter gelten alle Getreidesorten und Getreidemischungen, auch in Form von Müsli oder Pellets. Auch wenn zunehmend mehr Pferdebesitzer auf die Fütterung getreidefreier Zusatzfuttermittel schwören, ist die Getreidefütterung nach wie vor Standard. Das ist auch nicht grundsätzlich verkehrt, sollte aber mit Sachverstand gemacht werden.
Getreide besteht zum größten Teil aus Stärke, zu einem geringeren Teil aus Einfachzucker. Die Verdauung von Pferden ist nicht für große Stärkemengen ausgelegt. Ein gesundes Großpferd mit Idealgewicht kann am Tag bis zu zweieinhalb Kilo Stärke und Zucker tolerieren. Diese Menge sollte aber nicht dauerhaft ausgereizt werden. (Zehn Kilo Heu liefern im Schnitt ein Kilo Zucker – beim Grasen auf jungem Gras können an einem Weidetag auch zwei Kilo Zucker zusammenkommen, und das ganz ohne zusätzliche Körnerfütterung.) Pro Mahlzeit sollten nicht mehr als ein Gramm Stärke pro Kilogramm Körpergewicht verfüttert werden.
Bereits im Magen wird Stärke anverdaut und dort zu organischen Säuren fermentiert. In dieser Form steht sie nicht als Energielieferant zur Verfügung – je mehr Stärke im Magen verarbeitet wird, desto mehr steigt der Säuregehalt im Magen, was die Magenschleimhaut schädigen kann.
Im Dünndarm wird Stärke aufgeschlossen und in Glucose umgewandelt. Je größer und komplexer die Stärkemoleküle sind, desto schwieriger ist das. Einfachzucker (Glucose, Fructose) müssen nicht mehr aufgeschlossen werden. Die Glucose geht durch die Darmwand rasch in die Blutbahn und in die Zelle, liefert rasch und konzentriert Energie, macht schnell satt, aber auch schnell wieder hungrig.
Wandert Stärke unverdaut in den Dick- und Blinddarm,stört sie dort das bakterielle Gleichgewicht, und der Dickdarm arbeitet weniger effektiv. Kotwasser, Durchfall und Koliken können die Folge sein. Das heißt konkret: Je mehr Stärke im Dünndarm verarbeitet wird, desto besser.
Zu viel stärke- und glucosehaltiges (Kraft)futter begünstigt zudem die Entstehung von „Wohlstandserkrankungen“ wie Übergewicht, EMS (Equine Metabolisches Syndrom) und Insulinresistenz (Diabetes). Auch bei Cushing und Hufrehe steht eine zu zuckerhaltige Ernährung als Auslöser unter Verdacht.
Die Gabe von Kraftfutter sollte daher immer hinterfragt und individuell an das Pferd angepasst werden. Wer es zum Sattfressen oder als Ersatz für fehlendes Rauhfutter einsetzt, wird über kurz oder lang ein Pferd mit Stoffwechsel-, Leistungs- oder Verhaltensproblemen bekommen.
Leichtverdaulicher Klassiker: Wenn der Hafer sticht
Der Klassiker in der Pferdefütterung ist Hafer. Das hat gute Gründe: Entgegen aller Vorurteile enthält Hafer weder besonders viel Eiweiß, noch besonders viel Energie. Der Stärkegehalt ist mit 45% sogar deutlich niedriger als bei Gerste (55-60%) oder Mais (70%). Zudem ist die Dünndarmverdaulichkeit der Haferstärke deutlich besser als bei Gerste oder Mais.
Trotz der guten Angreifbarkeit für Verdauungsenzyme wird Hafer nur zu einem geringen Prozentsatz im Magen fermentiert. Das bedeutet: Hafer wird (wie gewünscht) überwiegend im Dünndarm verdaut – das Risiko, dass Stärke in größeren Mengen in den Dickdarm gelangt und dort Problem macht, ist bei Hafer am Geringsten.
Dass der „Hafer sticht“ und Pferde unerwünscht munter macht, ist einer der Hauptgründe, warum trotz der vielen Vorteile gegenüber anderen Getreiden oft auf die Fütterung mit Hafer verzichtet wird.
Die genauen Zusammenhänge, warum Pferde auf Hafer „lustiger“ reagieren, als auf anderes Getreide, ist noch ungeklärt. Vermutet wird, dass der hohe Insulinanstieg (als Reaktion auf die erhöhte Glucosekonzentration im Blut) die Bildung von Serotonin im Gehirn begünstigt. Erste Untersuchungen deuten darauf hin, dass der beim Menschen als beruhigend geltende Botenstoff beim Pferd die gegenteilige Wirkung hat.
Der muntermachende Effekt von Hafer ist nach der ersten Mahlzeit am Tag übrigens am größten – die Reaktionen auf Folgemahlzeiten fallen meist deutlich milder aus.
Fazit: Hafer ist leicht verdaulich, enthält hochwertige Fette und Aminosäure und hat einen geringen Anteil an Stärke und Gluten. Das entlastet Nieren und Leber und sorgt für kurze Regenerationszeiten. Hafer ist das einzige Getreide, das auch als ganzes Korn gut verdaut wird – nur für Pferde mit Zahn- und Kauproblemen ist das Schroten oder Quetschen notwendig.
Schwere Kost: Gerste fördert Hufrehe
Gerste ist das älteste kultivierte Getreide. Sie enthält rund zehn Prozent mehr Energie als Hafer – diese kann vom Pferd aber deutlich schlechter genutzt werden. Wegen der unterschiedlichen Verfügbarkeit benötigt ein Pferd im Vergleich zum Hafer die dreifache Menge an Gerste, um dieselbe Energiemenge daraus zu gewinnen.
Gerste hat einen deutlich höheren Stärkeanteil als Hafer. Gerstenstärke ist für Pferde schwer verdaulich – nur etwa 22% werden im Dünndarm verdaut. (Zum Vergleich: Bei Hafer sind es 84%.) Die Gefahr von stärkebedingten Dickdarmproblemen ist daher erheblich größer als bei Haferfütterung.
Die schwerverdauliche Gerstenstärke und der höhere Gehalt an Gluten belasten Niere und Leber mehr als bei Hafer. Deutlich schlechter ist auch der Gehalt an essenziellen Aminosäuren und hochwertigen Fetten.
Dass Gerste Pferde nicht heiß macht, liegt also nicht an ihrem geringeren Energiegehalt, sondern an ihrer schlechten Verdaulichkeit: Mit einem belasteten Darm buckelt es sich nicht gut.
Ganze Gerstenkörner sind hart, haben viele Spelzen und werden von Pferden nicht gerne gekaut. Unzerkaut verschluckte Körner können im Dünndarm zu Krampfkoliken führen. Bei einer zu schnellen Umstellung von Hafer auf Gerste kann es zudem zu Hufreheschüben kommen, wenn die Stärke nicht hinreichend verdaut wird. Dieser Zusammenhang ist schon seit der Antike bekannt: 400 v. Chr. beschrieb Xenophen die Hufrehe als Crithiasis, also „Gerstenkrankheit“.
Durch das Quetschen und Schroten der Körner kann die Verdaulichkeit von Gerste erhöht werden, ist aber immer noch nicht ausreichend gut. Hydrothermisch aufbereitete Gerste kann deutlich besser verarbeitet werden.
Fazit: Wenn Gerste gefüttert wird, sollte diese thermisch behandelt sein und nicht mehr als ein Viertel bis die Hälfte der Haferration ausmachen. Besonders bei Pferden mit Stoffwechselproblemen sollte die Futtermenge im Verhältnis zum Hafer sehr bedacht gewählt werden. Von einer reinen Gerstenfütterung ohne Hafer ist abzuraten.
Viel Fett, wenig Faser: Mais mästet
Etwa seit dem zweiten Weltkrieg wird Mais bei uns an Pferde verfüttert. Maiskörner haben einen Stärkeanteil von rund 60%, sind rohfaser- und eiweißarm. Durch den hohen Gehalt an Fett im Maiskeim gilt das Korn als Dickmacher.
Mit einer Verdaulichkeit von 29% schneidet Maisstärke ähnlich schlecht ab wie Gerste. Ganze Körner sind kaum verdaulich – auch schroten oder Walzen reicht nicht für eine gute Verdaulichkeit aus. Mais sollte nur in wärmebehandelten Flocken oder gepoppt verfüttert werden.
Im Gegensatz zu anderen Getreidesorten enthält Mais kein Gluten (Klebereiweiß) – es eignet sich daher als „Mastfutter“ für Pferde mit Zöliakie.
Fazit: Wegen der schlechten Verdaulichkeit und dem hohen Fettgehalt sollte Mais nur gefüttert werden, um gezielt Mängel auszugleichen – zum Beispiel als Aufbaufutter für Pferde, die rasch Fett und Muskulatur aufbauen sollen. Sobald der gewünschte Zustand erreicht ist, sollte Mais, ebenso wie Gerste, wieder vom Futterplan gestrichen werden.
Hip und schwer verdaulich: Mode-Korn Dinkel
Der Dinkeltrend in der menschlichen Ernährung macht auch vor Pferdefuttertrögen nicht Halt. Der Wert des Getreides ist dabei umstritten. Dinkel ist verglichen mit anderen Getreiden energiearm – oft wird er dem Pferdefutter beigemischt, weil der Dinkelspelz zum Kauen anregen sollen. Dinkelspelz eignet sich auch zur natürlichen Mineralisierung – in manchen Ställen wird es sogar als Einstreu verwendet.
Dinkel enthält neben Weizen das meiste Klebereiweiß (Gluten). Gluten verklebt die Darmzotten und verändert die Darmschleimhaut. Das kann zu Verdauungsstörungen führen.
Fazit: Wegen des hohen Gehalts an Gluten ist roher Dinkel als Pferdefutter nicht geeignet. Dinkelflocken oder Dinkelspelzen können dem Futter in geringen Mengen zugefügt werden.
All inclusive: Müslis und Pellets
Pellets werden in einer speziellen Maschine mit Druck und Wärme geformt – das macht sie weitgehend keimfrei und lange haltbar. Sie sind nur selten sortenrein, sondern meist eine Mischung verschiedener Getreidesorten mit zugefügten Mineralstoffen und Vitaminen.
Müslis enthalten neben ganzen Körnern auch Körnerflocken, getrocknetes Obst, Gemüse, Nüsse, Kerne, Kräuter oder Häcksel. Oft sind Mineralstoffe und Vitamine zugesetzt. Sie sehen appetitlich aus, riechen lecker und schmecken gut – um dem Pferd eklige Medikamente unterzujubeln, sind sie neben Mash die besten Kandidaten.
Sowohl Müsli als auch Pellets enthalten Melasse – in Pellets ist der Melasseanteil oft höher, weil diese als Bindemittel dient. Melasse süßt das Futter und macht es schmackhaft, trägt aber auch zur Erhöhung der Zuckerzufuhr bei und hat einen ziemlichen „Suchtfaktor“.
Der Vorteil an Pellets und Müsli: Es ist alles enthalten, was das Pferd braucht. Der Nachteil: Pferdefütterung ist individuell, und trotz vorgeschriebener Deklaration ist es oft schwer zu sagen, was in einem Mischfutter wirklich in welcher Menge enthalten ist.
Fazit: Inhaltsstoffe und Nährwerte von Fertigfuttermischungen sind oft schwer zu berechnen, vor allem, wenn verschiedene Präparate kombiniert werden. Mischungen mit kurzen Zutatenlisten ist der Vorzug zu geben.
Kraftfutter individuell anpassen
Pferdefütterung ist eine höchst individuelle Angelegenheit – Alter, Nutzung, Rasse, Haltungsform und Ernährungszustand spielen dabei eine Rolle. Die Futterration muss für jedes Pferd entsprechend angepasst werden. Dazu müssen sich Pferdehalter zwei Fragen beantworten: 1. Was braucht mein Pferd? 2. Was ist drin im Futter?
Beide Fragen sind nicht so einfach zu beantworten und erfordern ein bisschen (oder auch mehr als ein bisschen …) Rechnerei, besonders dann, wenn verschiedene Fertigfuttermittel kombiniert werden. Dennoch sollten sich jeder Pferdebesiezter regelmäßig die Mühe machen, den Gesamtwert der enthaltenen Nährstoffe in der Futteration zu berechnen – einschließlich Heu, Leckerli und sonstigen Extras.
Wer sich unsicher ist und sich nicht mit komplexen Berechnungen herumschlagen will, macht mit einer Futterberatung eine sinnvolle Investition, die unterm Strich viel Geld und Ärger sparen kann. Achten Sie bei der Wahl eines Futterberaters darauf, dass dieser unabhängig arbeitet und nicht nur einen einzelnen Futtermittelhersteller vertritt oder am Verkauf des Futters gewinnbeteiligt ist.
Feed and Care Digest - getreidefreies Müsli
Digest ist ein getreidefreies und zuckerreduziertes Müsli mit verdauungsunterstützenden Komponenten, das sich insbesondere für Pferde mit empfindlicher Verdauung oder sensiblem Stoffwechsel eignet. Darmaktive Cellulose, Probiotika und Leinsaat unterstützen eine aktive Darmtätigkeit und eine stabile Darmflora. Zusätzlich werden durch die Leinsaat ungesättigte Fettsäuren, Schleimstoffe und Antioxidantien bereitgestellt, die im Zusammenspiel mit den im Apfeltrester enthaltenen Pektinen zur Stabilisierung der Magen-Darm-Schleimhaut beitragen. Durch eine spezielle PLUS-FORMEL aus hochwirksamen Kräutern und ausgewählten Wirkstoffen ¬ liefert Digest alle wichtigen Vitamine, Spurenelemente und Mineralstoffen sowie funktionelle Vitalstoffe, welche Magen, Darm und Leber gezielt unterstützen:
Feed and Care Nutrition - Strukturmüsli
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