Wacholderdrosseln brüten gerne in Kolonien, haben einen „unbedeutenden Gesang“ und bescheißen Nesträuber.
Die Wacholderdrossel (Turdus pilaris) oder der Krammetvogel (Krammet = Wacholder) ist ein typischer Brutvogel der Taigalandschaften und ursprünglich in Asien und Nordeuropa heimisch. Seit dem 19. Jahrhundert hat sie ihr Brutgebiet in den Westen ausgedehnt. War die Wacholderdrossel bei uns früher nur ein Gastvogel auf dem Zug in den Süden, so sind die Vögel heute in ganz Deutschland regelmäßige Brutvögel.
Ihre Wanderungen sind unregelmäßig geworden und von der Witterung abhängig. In milden Wintern bleiben die Vögel sogar in Skandinavien. Die typischen Winterquartiere der Krammetvögel liegen in West- und Mitteleuropa, im südlichen Russland, seltener im Mittelmeerraum, in Nordafrika oder in Südostasien.
Wacholderdrosseln verteidigen sich mit Kotspritzern gegen Feinde
Wacholderdrosseln sind mit einer Größe zwischen zweiundzwanzig und siebenundzwanzig Zentimetern gleich groß oder nur unwesentlich kleiner als Amseln. Sie sind leicht an ihrem bunten Gefieder zu erkennen: Kopf und Nackengefieder sind beim Männchen blaugrau, Oberrücken und Schultern dunkel kastanienrot. Die helle, gesprenkelte, dreieckig gezeichnete Brust und der schwarze Schwanz sind typisch. Der Schnabel ist spitz und gelb; die Füße dunkelbraun, die Flügelunterseiten leuchten beim Fliegen weiß. Männchen und Weibchen sind fast gleich gezeichnet, allerdings sind die Weibchen etwas weniger kontrastreich und insgesamt grauer.
Die Wacholderdrossel brütet gerne in Kolonien; die Nester befinden sich für gewöhnlich hoch in den Bäumen, oft recht offen in breiten Astgabeln. Das Nest – ein etwas unordentlicher, mit Lehm verkleideter Napf aus Gras, Moos, Reisig und Wurzeln – wird vom Weibchen alleine gebaut. Auch die fünf bis sechs grünen, rotbraun gefleckten Eier werden nur vom Weibchen bebrütet (elf bis vierzehn Tage lang); die Jungvögel werden aber von beiden Elternteilen gefüttert.
Auffällig ist das soziale Verhalten der Krammetvögel am Brutplatz. Bei einer Störung entsteht in der Kolonie ein ungeheuerer Lärm – der gepresste, wenig melodische Gesang der Wacholderdrossel wird in Meyers Konversationslexikon (1885 – 1892) als „unbedeutend“ eingestuft, erfüllt aber den Zweck, sehr laut und sehr nervig zu sein.
Gegen Nesträuber verteidigen sich Wacholderdrosseln aber nicht nur akustisch, sondern haben eine außergewöhnliche und recht „beschissene“ Strategie entwickelt. Potentielle Räuber wie Bussarde, Krähen oder Weihen werden aus oder in der Luft angegriffen und mit gezielten Kotspritzern bekämpft. Es sind Fälle bekannt, in denen Greifvögel so mit Wachholderdrosselkot verklebt waren, dass sie flugunfähig am Boden saßen.
Krammetvögel galten als Delikatesse und wurden zu Millionen gefangen
Früher galt die Wacholderdrossel als Delikatesse und wurde besonders im Osten Deutschlands in speziellen Fangvorrichtungen, den „Dohnen“, gefangen. Diese Dohnen bestanden aus einem aus Zweigen gebogenen Bügel, der als Halterung für eine Pferdehaarschlinge diente. Als Köder wurden Vogelbeeren verwendet, und die Dohnen oft in großer Menge auf Lichtungen und an Waldschneisen aufgestellt. Weil neben den Wacholderdrosseln auch zahlreiche heimische Vögel in den Dohnen verendeten, wurde diese unsportliche Art der Vogeljagd 1908 durch das deutsche Reichsvogelschutzgesetz verboten.
Bis dahin war die Wacholderdrossel wegen ihres zarten Fleisches überaus beliebt. „Die Wacholderdrossel gilt im Spätherbst als besonders delikat, da sie um diese Jahreszeit sehr fett ist und einen angenehmen, schwach gewürzten, etwas bitteren Beigeschmack hat, welchen sie durch den Genuss der Wacholderbeeren bekommt. Diesen Beigeschmack verliert sie im Frühjahr“, heißt es in „Verschwundene und seltene Gäste der Speisekarte. Ein Kochbuch“ (erschienen 1992, Innsbruck; vergriffen) von Bernhard Kathan. Der Verzehr von Wachholderdrosseln ist heute verboten.