Auf den Spuren Casanovas und Freuds: Die Kurstadt Karlsbad in Böhmen

Heiße Quellen, exklusive Hotels, hervorragender Kuchen und mondänes Publikum: Karlsbad gehört zu den traditionsreichsten und schönsten Kurstädten Europas.

Zwei Legenden ranken sich um die Entdeckung der heißen Quellen in Karlsbad: Ein durstiger Hirsch soll sie freigescharrt haben; ein jagender König soll sie zufällig entdeckt haben. Vielleicht jagte der böhmische König und spätere römisch-deutsche Kaiser Karl IV. aber auch einen durstigen Hirsch, welcher noch die Zeit hatte, auf seiner Flucht eine Heilquelle freizulegen. Das Wasser ebendieser Quelle soll eine Wunde, die sich Karl IV. auf der Jagd zugezogen hat, auf wundersame Weise geheilt haben. Daraufhin gründete der Kaiser eine Stadt, die sich schnell zu einem weit über die Landesgrenzen hinaus bekannten Kurzentrum entwickelte.

Karlsbad, Tschechien
Eingebettet in waldige Hügel liegt Karlsbad am Zusammenfluss von Eger und Tepla. Spuren weisen darauf hin, dass die Region bereits in der späteren Bronzezeit bewohnt war. Am 14. August 1370 verlieh Karl IV. der Stadt Karlsbad dieselben Freiheiten und Rechte, die das (damals sehr wichtige) benachbarte Loket (Elbogen) besaß. Karl IV. gilt damit als Gründer der nach ihm benannten Kurstadt. Die heißen Quellen wurden zunächst für Bäder, ab dem 16. Jahrhundert auch für Trinkkuren genutzt.

 

Karlsbad, Mühlbrunnenkolonade
Karlsbad besitzt zwölf warme Mineralquellen. Die bekannteste und stärkste wird „Sprudel“ genannt, ist 72° Celsius heiß, und schießt bis zu 14 Meter in die Höhe. Im zentralen Kurgebiet sind 89 Austritte von mineralisiertem Thermalwasser bekannt, neunzehn davon sind zugelassene Heilwässer. Bereits 1522 erschien die erste schriftliche Abhandlung über die Heilkraft des Karslbader Quellen. Die Kolonaden, in denen das Wasser in Brunnen zur Verfügung steht, sind die wichtigsten historischen Kureinrichtungen der Stadt. Hier die Mühlbrunnenkolonnade, die zwischen 1871 und 1881 von Josef Zitek erbaut wurde.

 

Karlsbad, Elisabethbad
1711 „entdeckte“ der russische Zar Peter der Große Karlsbad, was dem beginnenden Bäder- und Kurtourismus zu einem ersten Aufschwung verhalf. In diesem Jahr wurde in Karlsbad auch das erste Kurhaus erbaut. Das hier zu sehende Elisabethbad im Smetana-Park (mit tagesaktuellem Buchsbaum-Datum) wurde 1906 zu Ehren von Kaiserin Sissi gegründet, die 1892 einige Wochen in Karlsbad verbrachte. Sissis tägliche Spaziergänge führten sie weit ins Hinterland und über die Hügel und Täler komplett um Karlsbad herum – rund zwanzig Kilometer soll die Kaiserin täglich gewandert sein, immer überwacht von einem einheimischen Detektiv, der später für seine Ausdauer, Einsatzbereitschaft und körperliche Belastbarkeit das Verdienstkreuz verliehen bekam.
Tipp: Schönes Hotel mit tollem Frühstück
Tipp: Schönes Hotel mit tollem Frühstück in Loket Das kleine, familiär geführte Hotel "Stein Elbogn"* in Loket liegt nur 10 Minuten zu Fuß vom Marktplatz entfernt. Wir haben im sehr geräumigen und gemütlichen Dachgeschoss übernachtet und am nächsten Morgen auf der sehr schönen Terrasse ein fantastisches Frühstück, mit Eierspeisen, Brötchen, Pfannkuchen und Obst-Auswahl genossen. Sehr zu empfehlen! Von hier kann man tolle Ausflüge in die reizvolle Umgebung und nach Karlsbad machen.
Karlsbad, Schlosskolonnade
Seine erste Blütezeit erlebte der Badebetrieb ab Mitte des 19. Jahrhunderts – entscheidend dafür war auch, dass Karlsbad 1870 an das europäische Eisenbahnnetz angeschlossen wurde und besser erreichbar war. Es entstanden immer mehr Gesellschafts- und Zweckbauten: Hotels, Bäder, Kolonnaden, Kurhäuser und Pavillons. Die Schlosskolonnade wurde 1910-1912 gebaut – es ist Kurgästen und Patienten des Schlossbads vorbehalten, das Relief des Quellengeistes im Inneren des Bads zu bewundern. Der Pavillon ist hingegen auch für neugierige Tagestouristen frei zugänglich.

 

Karlsbad
Bereits Mitte des 19. Jahrunderts erlangte Karlsbad europaweite Bekanntheit und wurde ein beliebtes Ziel der Schönen und Berühmten. Die Anzahl der Besucher war beachtlich und überstieg die der Karlsbader deutlich: „Die Zahl der jährlichen Kurgäste Karlsbads, welche sich 1756 erst auf 134 Familien belief, ist seither fortwährend gestiegen und betrug in den letzten Jahren 20,000 Parteien mit 26,000 Personen“, heißt es in Meyers Konversationslexikon von 1885-1892. Die Einwohnerzahl von Karlsbad gibt Meyers Konversationslexikon mit 10.579 im Jahr 1880 an. Heute gehört Karlsbad mit zehn anderen Kurstädten zu den „Great Spas of Europe“, dem UNESCO-Weltkulturerbe der bedeutensten Kurstädte Europas.

 

Karlsbad, Kurpark
Es war schon immer weniger die Menge an Besuchern, die Karlsbad berühmt machte, als vielmehr die feine Gesellschaft, die sich hier einfand. Neben Zaren und Königen flanierten auch Dichter, Musiker und Ärzte durch den Kurpark. Casanova traf sich hier mit dem Grafen Zawoiski (in der vergeblichen Hoffnung auf finanzielle Unterstützung), Sigmund Freud fühlte sich hier deutlich wohler als im nahegelegenen Marienbad (das ihn mit dem feuchtkalten Wetter depressiv werden ließ), und Beethoven und Goethe tauschten bei einer Kutschfahrt ihren Respekt und ein paar Seitenhiebe aus. Als Goethe angesichts der vielen Kurgäste, die ehrfürchtig den Hut zogen, erklärte, wie sehr es ihn langweile, berühmt zu sein und ständig gegrüßt zu werden, soll Beethoven erwidert haben: „Eure Exzellenz brauchen sich nichts daraus zu machen. Vielleicht bin ich es, den die Leute grüßen!“

 

Karlsbad, Grandhotel Pupp
Beliebteste Unterkunft bei den illustren Gästen war und ist das Grandhotel Pupp. Das 5-Sterne-Hotel wurde zwischen 1896 und 1907 zu einem neobarocken Prachtbau von Weltruhm ausgebaut. Hauptaugenmerk lag bei der Innenausstattung: Jedes Zimmer verfügte über eine Badewanne und eine Warmwasserversorgung. Im Grandhotel Pupp logierten Ludwig van Beethoven und Kaiser Franz Joseph, Otto von Bismarck und Sigmund Freud, Franz Kafka und Napoleon. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es verstaatlicht und beherbergte als „Grandhotel Moskva“ unter anderem den Staatspräsidenten Ludvík Svoboda und den Kosmonauten Juri Gagarin. 1990 wurde das Pupp reprivatisiert und unter seinem alten Namen wiedereröffnet. Vor allem während der internationalen Filmfestspiele in Karlsband logier(t)en hier Filmstars wie Helen Mirren, Johnny Depp und Robert Redford. 2006 diente das Hotel als Filmkulisse für den James-Bond-Film „Casino Royale“: Hier wurde das Duell am Spieltisch gedreht, das laut Film im Hotel Splendide in Montenegro stattfand.

 

Karlsbad, Cafe Atlantic
Juweliergeschäfte, Boutiquen, Patisserien: Karlsbad ist auf zahlungskräftige Kundschaft ausgerichtet. Im Café Atlantic mitten im alten Bäderzentrum bezahlen wir für Milchshake, Kaffee und Kuchen fast ebensoviel wie auf Schloss Hrubá Skála für ein komplettes Abendessen mit Getränken. Dennoch liegt das Preisniveau nicht höher als in einer durchschnittlichen deutschen Innenstadt, und der etwas chemisch aussehende Kuchen war fantastisch lecker, schmeckte überhaupt nicht künstlich und war sein Geld eindeutig wert.

 

Karlsbad, Hirschsprung
Um den Kuchen wieder abzuarbeiten, entschieden wir uns für einen Schlenker in die umliegenden Hügel. Vorbei an prächtigen Villen führt der Weg durch den Wald zum Aussichtspunkt Hirschsprung. Dieser erinnert an die eingangs erwähnte Sage, ein Hirsch habe die heißen Quellen Karlsbads entdeckt. Warum dort eine Gämse und kein Hirsch steht, bleibt ein ungeklärtes Mysterium für uns. Statt zu grübeln genossen wir die Aussicht auf Karlsbad und das gegenüberliegende Hotel und Spa „Imperial“. Wer möchte kann vom Hirschsprung weiter den Berg hoch bis zum Dianaturm (Kudlichwarte), der Bergstation der Schmalbahn, die beim Granhotel Pupp startet.

 

Karlsbad, St. Peter und Paul
Der Rückweg führte uns zur russisch-orthodoxen Kirche St. Peter und Paul, die ich schon allein wegen ihrer golden glänzenden Zwiebeltürme unbedingt sehen wollte. Die Kirche wurde 1893-1898 nach Pänen des Architekten Gustav Wiedermann und nach dem Vorbild eines byzantinisch-altrussischen Kirchenbaus in Ostankino unweit Moskaus erbaut. Sie wird von fünf vergoldeten Kuppeln gekrönt. Sehenswert sind auch die zahlreichen ölgemalten Ikonen im Innenraum – sie wurden vom Maler Tjurin ursprünglich für die Pariser Weltausstellung von 1900 gemalt. Die Verbindung Russlands zu Karlsbad reicht bis in die Zeit der Zaren zurück, und besteht auch heute noch: Dass die Innenstadt so gut restauriert ist, liegt vor allem an den zahlreichen russischen Investoren, die sich in Karlsbad eingekauft haben.

 

Karlsbad, Westend
Die goldbekrönte Kirche liegt mitten im prestigeträchtigen Villenviertel Westend, das sich Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte. Hier reiht sich eine Prachtvilla an die andere, und auch das Villenensemble des Savoy Westend Hotels befindet sich hier. In den parkähnlichen Gärten finden sich Villen im klassizistischen, neugotischen, romantischen und Empirestil. Der kleine Schlenker lohnt sich nicht nur wegen der Villen, sondern auch wegen der Ausblicke, die man immer wieder auf Karlsbad und die umliegenden Wälder hat.

 

Karlsbad
Karlsbad musste sich im Laufe seiner Geschichte mehrmals neu erfinden und von vorne anfangen: Überschwemmungen, Brände und der Dreißigjährige Krieg zerstörten die Stadt mehrmals fast vollständig. In den beiden Weltkriegen hielten sich die Schäden an der Infrastruktur zwar in Grenzen, doch die darauf folgende Verstaatlichung aller Sanatorien und Heilquellen stellte eine massive wirtschaftliche Zäsur dar. Heute ist Karlsbad vom Bau-Boom des beginnenden 20. Jahrhunderts geprägt: Die Prunkbauten mit ihren Jugendstil-Fassaden bilden ein homogenes Stadtbild, das nur in Ausnahmefällen unterbrochen wird. Sozialistische und andere Bausünden wie das links gezeigte Hotel Thermal am Übergang zwischen Bäderviertel und Innenstadt finden sich zum Glück fast keine.

 

 

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