Gotische Architektur, jüdisches Ghetto und alchimistischer Touch: Prag, die „goldene Stadt“ an der Moldau, begeistert Kultur-, Geschichts- und Architekturfans gleichermaßen.
Prag hat Charme. Zu jeder Jahreszeit. Im Herbst, wenn die Nebelschwaden über den jüdischen Friedhof wabern, im Winter, wenn die Weihnachtsmärkte festliche Stimmung in den Gassen verbreiten, im Frühjahr, wenn die Kastanienbäume blühen, und im Sommer, wenn gefühlt die halbe Welt auf den Plätzen Kaffee trinkt.
Prag ist mehr als einen kurzen Zwischenstopp wert – planen Sie lieber einen Tag mehr als einen weniger ein. Wer aber nicht viel Zeit hat, und sich auf ein paar wenige Sehenswürdigkeiten beschränken muss, findet hier eine Auswahl besonders sehenswerter Örtlichkeiten. Die vorgestellte Tour ist etwa dreizehn Kilometer lang – plus die Wege, die man rechts und links beim Entdecken noch zusätzlich läuft. Bei uns waren es am Ende etwa siebzehn Kilometer, das war gut an einem Tag zu schaffen. Einige Strecken lassen sich auch mit der U-Bahn oder Straßenbahn abkürzen.
1. Königswachen und Alchimisten: Die Prager Burg mit dem goldenen Gässchen
Mit einer Grundfläche von rund sieben Hektar ist die Prager Burg die zweitgrößte geschlossene Burganlage der Welt (nach der Marienburg des Deutschen Ordens). Sie liegt auf dem Hradschin, dem Burghügel, der sich über der Moldau erhebt. Die Burg ist UNESCO-Welterbestätte und Sitz des tschechischen Präsidenten. Bereits im 9. Jahrhundert gegründet und über die Jahrhunderte immer weiter ausgebaut, vereint die Burg Baustile aller Epochen: St.-Georgs-Basilika und Schwarzer Turm aus der Romanik, Veitsdom und Alter Königspalast aus der Gotik, die barocke Heilig-Kreuz-Kapelle, die einst den Domschatz beherbergte, und das Goldene Gässchen mit Häusern aus Gotik und Renaissance.
Im Ludwigsflügel des Schlosses befindet sich der Raum, aus dessen Fenstern 1618 die Statthalter Kaiser Ferdinands II geworfen wurden. Dieser Zweite Prager Fenstersturz markierte den Beginn der Aufstände der protestantischen Böhmen gegen die katholischen Habsburger, und damit auch den Beginn des Dreißigjährigen Krieges. Sehenswert ist auch die Wachablösung vor dem Schloss. Zu jeder vollen Stunde gibt es eine „kleine“ Wachablösung; mittags um zwölf eine „große“ mit Pomp und Fanfaren. Das Spektakel lockt große Menschenmengen an – wer es sehen will, muss sich rechtzeitig einen Platz sichern.
Ein weiteres, gut besuchtes Highlight auf dem Burggelände ist das Goldene Gässchen, das an der nordöstlichen Burgmauer vom Weißen Turm zum Daliborka-Turm führt. Der Bau der Gasse geht ins 15. Jahrhundert zurück: Die 24 Burgwachen Kaiser Rudolf II benötigten eine Unterkunft, also ließ der Kaiser Häuser für sie errichten. Sehr kleine Häuser, die mit ihren bunten Fassaden einen fast ländlichen Charakter ausstrahlen.
Ab dem 16. Jahrhundert ließen sich hier Gastwirte, Handwerker und vor allem Goldschmiede nieder. Letztere sollen der Legende nach in Wahrheit Alchemisten gewesen sein, die das Geheimnis ewigen Lebens und der Verwandlung von Blei in Gold gesucht haben. Unter Kaiser Rudolf II, der eine große Leidenschaft für die Alchemie hatte, entwickelte sich Prag zu einer Hochburg der Alchemie – mit dem Goldenen Gässchen als Zentrum.
Im 19. Jahrhundert verkam die Gasse zum Arme-Leute-Wohnsitz und Treffpunkt der intellektuellen Szene. Im Haus Nummer 22 lebte von 1916 bis 1917 der berühmteste Bewohner: Franz Kafka. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Gasse renoviert und beherbergt heute Souvenirshops oder Ausstellungen. Der Zugang zur Gasse kostet Eintritt – wir haben auf einen Besuch verzichtet, da es in Prag auch kostenlos umwerfend viele schöne Gassen gibt. Ab achtzehn Uhr ist auch das Goldene Gässchen kostenlos zu besuchen, allerdings sind die Gebäude dann alle geschlossen.
2. Kronjuwelen und Königsgräber: Der Veitsdom
Umgeben von der Prager Burg thront der monumentale Veitsdom auf dem Hradschin. Hier fanden die Krönungen der böhmischen Könige und Königinnen statt, und hier wurden die Mitglieder von Kaiser- und Königsfamilie bestattet, unter anderem die römisch-deutschen Kaiser Maximilian II. und Kaiser Rudolf II. Auch der böhmische Heilige Johannes von Nepomuk fand hier seine letzte Ruhestätte in einem eindrucksvollen Hochgrab.
Im südlichen Seitenschiff des Doms befindet sich die mit Halbedelsteinen und vergoldetem Stuck ausgekleidete Wenzelskapelle. Wertvolle Fresken mit Szenen aus der Leidensgeschichte Jesu und dem Leben des Heiligen Wenzel, des Schutzpatrons des Landes, schmücken die Kapelle. Der Dombaumeister Peter Parler schuf mit der Kapelle nicht nur ein einzigartiges Grabmal für den Heiligen Wenzel, sondern auch ein Denkmal für sich selbst: Die Wenzelskapelle gehört zu seinen bedeutendsten Arbeiten.
Im Veitsdom werden außerdem der Domschatz und die Kronjuwelen aufbewahrt. Der Domschatz in der Heilig-Kreuz-Kapelle gehört zu den größten und wertvollsten in Europa und umfasst etwa vierhundert Stücke, darunter den Kopf des Heiligen Veit und das Schwert des Heiligen Wenzel. Die Kronjuwelenkammer, in der sich neben den Kronjuwelen auch die Krönungsinsignien mit der Wenzelskrone, dem Zepter und dem Reichsapfel befinden, ist mit sieben Schlössern verschlossen. Sieben hochrangige Persönlichkeiten des Landes verwahren je einen Schlüssel – zum Öffnen der Kammer ist die Zustimmung aller sieben Personen notwendig. Aus naheliegenden Gründen ist es also recht unwarhscheinlich, einen Blick auf die Kronjuwelen werfen zu können.
Wer das Treppensteigen nicht scheut, kann die 287 Stufen des 99 Meter hohen Domturms erklimmen. Auf dem Weg lohnt ein näherer Blick auf die Glocken des Turms. „Sigmund“, die größte Glocke Tschechiens, wiegt etwa fünfzehn Tonnen. Um sie zu läuten, sind sechsl Glöckner nötig. Oben angekommen wird man mit einem schönen Panorama über Prag belohnt.
3. Imagine: Die John-Lennon-Mauer
Unweit der Karlsbrücke findet sich in einer Seitenstraße eine mit Graffitti versehene Mauer. Was zuerst einfach nur wie ein typisches „Hinterhofambiente“ wirkt, gilt als wichtigstes politisches Symbol der Tschechischen Republik.
Bis heute kommen immer wieder neue Graffiti hinzu, alte werden übersprüht, verändert und ersetzt. Die Mauer ist ein beliebter Selfie-Point bei jungen Menschen, Influencern und ein Must-see für eingefleischte Beatles-Fans.
4. Den Hund des Heiligen streicheln: Flanieren auf der Karlsbrücke
Die Karlsbrücke wurde Mitte des 14. Jahrhunderts gebaut und gehört zu den ältesten erhaltenen Steinbrücken in Europa. Kaiser Karl IV soll höchstpersönlich den Grundstein gelegt haben. Als großem Anhänger der Numerologie war ihm der Zeitpunkt der Grundsteinlegung wichtig: Dieser sollte eine auf- und absteigende Zahlenreihe bilden. Er wählte 5:31 Uhr am neunten Tag des siebten Monats im Jahr 1357. So bildete sich die Zahlenfolge 1-3-5-7-9-7-5-3-1. Die Fertigstellung der Brücke erlebte der Kaiser nicht mehr – ihr Bau dauerte 45 Jahre.
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurden über den Brückenpfeilern dreißig barocke Statuen aufgestellt, die der Brücke auch heute noch ihr unverwechselbares Aussehen geben. Eine davon stellt den Brückenheiligen Johannes Nepomuk dar. Er soll der Legende nach in der Moldau ertränkt worden sein, weil er einem eifersüchtigen Ehemann nicht die Geheimnisse seiner liebreizenden Gattin erzählen wollte, die diese ihm in der Beichte offenbart hatte. Unterhalb der Statue befindet sich ein Relief mit dem Beichtstuhl, davor der Heilige Nepomuk in voller Rüstung, der den Kopf eines Hundes krault.
Die Figuren auf der Brücke sind zum größten Teil Kopien – die Originale stehen vor Wind und Wetter geschützt im Prager Nationalmuseum. Auch sonst stammt vieles längst nicht mehr aus dem Mittelalter: 2010 gab es einen handfesten Streit um die Renovierung der Brücke und eine saftige Geldstrafe von 130.000 Euro, weil das Denkmalamt eklatante Fehler feststellte. Die Behörde kritisierte unter anderem, dass die traditionellen Steinmetzmethoden nicht respektiert, überflüssig viele Originalsteine entfernt, der Untergrund für die Pflastersteine betoniert und zudem der falsche Mörtel benutzt wurde. Die Fugen seien „mit handelsüblichem Kunststoffkitt verschlossen [worden], wie er auch bei der Sanierung von Plattenbauten verwandt wird.“ Eine Aberkennung des Status als Weltkulturerbe war im Gespräch.
Trotz dieser Querelen ist die Karlsbrücke auch heute noch ein Wahrzeichen der Stadt und die Haupt-Fußgängerverbindung zwischen Altstädter Markt und Burg. Entsprechend voll ist sie, mit einem bunten Publikum: Touristen aus aller Herren Länder, die meisten mit Handy und Selfie-Stick, Straßenmusiker, Zeichner, Souvenirverkäufer und Taschendiebe. Von der Brücke hat man einen schönen Blick auf den Fluss (und die zahlreichen anderen Brücken), die Burg und die Altstadt. Die beiden Brückentürme können besichtigt und bestiegen werden.
5. Ginger und Fred: Das tanzende Haus
Gar nicht mittelalterlich, sondern sehr innovativ und modern präsentiert sich das „Tanzende Haus“ an der Moldau. Das löste nach der Fertigstellung 1996 heftige Diskussionen und Kontroversen aus, die mittlerweile weitgehend abgeflaut sind. Das tanzende Haus entstand auf einem Brachgrundstück, in dessen Nähe der damalige tschechische Präsident Václav Havel jahrzehntelang gewohnt hatte. Die Pläne dazu stammen vom tschechischen Architekten Vlado Milunić und seinem kanadischen Kollegen Frank Gehry.
Im Haus haben internationale Firmen ihre Büros – im Erdgeschoss zeigt die „Dancing House Gallery“ wechselnde Ausstellungen junger, zeitgenössischer Künstler. Im siebten Stockwerk bietet das exklusive Restaurant „Ginger & Fred“ gehobene, französisch beeinflusste Küche zu gehobenen Preisen. Ganz oben im Gebäude befindet sich eine Glasbar mit einer kleinen Aussichtsterrasse. Seit 2016 ist es zudem möglich, in einem der modernen 21 Zimmer zu übernachten.
6. Partymeile und Shopping-Boulevard: Der Wenzelsplatz
Etwa sechshundert Meter vom Altstädter Ring entfernt befindet sich der Wenzelsplatz. Mit einer Gesamtlänge von rund 750 Metern gehört er zu den größten städtischen Plätzen Europas. Er ist das Zentrum der 1348 gebauten Prager Neustadt und ein beliebter Treffpunkt für Einheimische und Touristen. Zahlreiche Einkaufsmöglichkeiten, Boutiquen, Cafés, Bars, Restaurants und Clubs machen ihn für Shopping-Queens ebenso attraktiv wie für Party-Gänger.
Der Platz, der eigentlich eher eine seh breite Prachtstraße ist, ist von gut erhaltenen Barockhäusern umgeben. Zwischendurch finden sich hier auch Jugendstilelemente in den Fassaden. Am Kopfende des Platzes steht mit dem Nationalmuseum der größte und älteste Museumskomplex Tschechiens. Ein weiteres Museum findet sich in einem ehemals geheimen Luftschutzbunker im Keller des Luxushotels Jalta: Im Museum des Kalten Krieges sind unter anderem Uniforme, Gasmasken, Zeitungen und Abhörgeräte der Geheimpolizei zu sehen.
1989 war der Wenzelsplatz Schauplatz einer Massenkundgebung, bei der Václav Havel und Alexander Dubcek die politische Umgestaltung des Landes und den Rücktritt des Politbüros forderten. Die „samtene Revolution“, die weitgehend gewaltfrei ablief, führte zum Sturz des kommunistischen Regimes und in weiterer Folge zum Fall des Eisernen Vorhangs.
7. Cafés, Märkte, Trubel: Der Altstädter Ring
Der Altstädter Ring ist der älteste Platz in Prag und der zentrale Marktplatz, um den herum sich eine ganze Reihe von Sehenswürdigkeiten gruppiert: Rathaus, Teynkirche und St.-Nikolaus-Kirche sind die Auffallendsten. Am Altstäder Ring starten nicht nur Stadtführungen in allen erdenklichen Sprachen (und mit verschiedenen Themenschwerpunkten), sondern auch Kutschfahrten. Diverse Märkte laden zum Stöbern ein.
Pastellfarbene Häuser mit zahlreichen Cafés säumen den Platz – sie gehören zu den teuersten in Prag (sind aber immer noch günstiger als in vielen deutschen Städten) und ermöglichen einen guten Blick auf das bunte Treiben auf dem oft sehr vollen Marktplatz. Wer keine Lust auf Menschenmassen hat, sollte ihn in den frühen Morgenstunden besuchen, bevor sich der Platz mit Touristengruppen füllt.
8. Adam, Eva und der Heilige Nikolaus: Teynkirche und St.-Nikolaus-Kirche
Zwei Kirchenbauten prägen den Altstädter Ring: Die gotische Teynkirche, die an der Ostseite des Platzes ein wenig versteckt hinter der ersten Häuserreihe steht, und die lichtdurchflutete barocke St.-Nikolaus-Kirche mit ihrer 46 Meter hohen Kuppel.
Die Teynkirche wirkt streng und fast ein wenig düster. Sie wurde in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts auf den Resten einer romanischen Kirche gebaut. Der Bau zog sich bis ins 16. Jahrhundert hinein. Im Innenraum findet sich das Grabmal des dänischen Astronomen Tycho Brahe, der vor seinem Tod in Prag arbeitete. Brahe wurde nicht nur für seine astronomischen Entdeckungen berühmt, sondern auch für seinen extravaganten Lebensstil als Adeliger: Bei einem Duell (es ging um einen Streit wegen einer mathematischen Formel) verlor Brahe als Zwanzigjähriger einen großen Teil seiner Nase, und trug seitdem eine Nasenprothese aus einer Gold-Silber-Legierung. Er liebte das Feiern und soll in seinem Schloss in Dänemark einen zahmen Elch gehalten haben, welcher nach einem festlichen Gelage und reichlich Biergenuss die Treppe hinunterstürzte und sich das Genick brach.
Ganz anders präsentiert sich die St.-Nikolaus-Kirche an der nordwestlichen Ecke des Marktplatzes. Beherrschend ist die gewaltige Kuppel, die mit einer Höhe von 70 Metern nur neun Meter niedriger ist, als die beiden flankierenden Kirchtürme. Ursprünglich war nur einer der beiden Kirchtürme über eine Treppe zu besteigen – der zweite war mit dem ersten durch einen Holzsteg an der Außenfassade verbunden. Der Steg in schwindelerregender Höhe hatte kein Geländer, und seine Passage stellte eine akrobatische Leistung und einen Nerventest gleichermaßen dar. Jean-Pierre, der französische Ballonfahrer und Bezwinger des Ärmelkanals, stellte dort im Jahr 1791 seine aeronautischen Gerätschaften aus. Es ist anzunehmen, dass der Publikumsandrang überschaubar war …
9. Hoch hinaus: Die astronomische Uhr und der Rathausturm
An der Südfassade des Prager Rathauses befindet sich die älteste funktionierende astronomische Uhr der Welt. Ihre ersten Teile wurden 1410 an der Fassade angebracht. Das Zifferblatt stellt Sonne und Mond in ihrer jeweiligen Himmelsposition dar; auf dem Zifferblatt sind Medaillons mit den Sternzeichen für die jeweiligen Monate angebracht. So richtig lesen kann die Uhr kaum einer; dennoch gehört sie zu den beliebtesten Fotomotiven der Stadt. Auf den Erhalt und das Wohlergehen der Uhr wird akribisch geachtet, denn die Legende sagt: Was der Uhr an Ungemach zustößt, stößt auch der Stadt zu.
Wer den fast siebzig Meter hohen Rathausturm erklimmt, wird mit einem fantastischen Blick über den Marktplatz, die Teynkirche und die Prager Burg auf der anderen Flussseite belohnt. Für Gehbehinderte (oder einfach nur Regungsfaule) gibt es im Turm auch einen Lift – der Rathausturm ist der einzige mittelalterliche Turm, der barrierefrei ist. Der Eintrittspreis beinhaltet zudem den Zugang zu den unterirdischen Sälen und der Marienkapelle.
10. Historische Bücher und alte Globen: Die Barockbibliothek im Clementinum
Das Clementinum zwischen dem Altstädter Ring und der Karlsbrücke ist nach der Prager Burg der zweitgrößte Gebäudekomplex der Stadt – es nimmt eine Fläche von mehr als zwei Hektar ein. Es wurde im 16. Jahrhundert als Bildungszentrum der Jesuiten gegründet. 1556 kamen diese auf Einladung Kaiser Ferdinands nach Prag und erhielten von ihm ein baufälliges Dominikanerkloster und den Auftrag, eine neue Hochschule als Konkurrenz zur Karls-Universität zu gründen.
Die heutigen Bauten wurden zwischen 1653 und 1726 errichtet (mit der Finanzierung von Renovierung und Neubau war Kaiser Ferdinand zurückhaltender …) Damals beherbergte das Clementinum die Wohnräume der Mönche, eine Schule, eine eigene Druckerei, eine Sternwarte und gleich drei Kirchen. 1654 veranlasste Kaiser Ferdinand III die Vereinigung des Clementinums mit der bis dahin konkurrierenden Karls-Universität. Nach der Auflösung des Ordens im Jahr 1773 mussten die Mönche das Clementinum verlassen – der Bau wurde verstaatlicht. 1837 wurde im Clementinum die weltweit erste Gedenkstätte zu Ehren Mozarts gegründet.
Die Innenräume sind nur im Rahmen einer offiziellen Führung zu besichtigen – zu sehen sind wahlweise die Spiegelkapelle (sofern nicht wegen Vorbereitung auf ein Konzert geschlossen) oder der astronomische Turm mit der barocken Bibliothek. Wir haben uns für zweiteres entschieden; unser Führer sprach sehr gut Englisch, war aber leider recht schwer zu verstehen.
11. Ein Museum für Menschen: Das jüdische Viertel
Die Josefstadt (oder Josevov), das jüdische Viertel von Prag, gehört zu den am besten erhaltenen jüdischen Vierteln in Europa. Der Grund dafür ist einigermaßen makaber: Richard Heydrich, der Prager NS-Verwalter im Zweiten Weltkrieg, wollte hier eine Art Freilichtmuseum für die „ausgestorbene Rasse“ errichten.
Erst 1848 erhielten Juden die Bürgerrechte und durften sich auch in anderen Teilen Prags niederlassen; das jüdische Viertel verkam zusehends. Zwischen 1893 und 1913 wurde der größte Teil des Viertels abgerissen. Historiker sind uneins, ob die alten Häuser wegen der zunehmenden Verslumung und der schlechten Hygienezustände im Ghetto erfolgte, oder ob der zu erwartende Profit aus dem Verkauf zentrumsnaher Wohnflächen den Ausschlag gab.
Bürgerproteste verhinderten den Abriss von sechs Synagogen, dem jüdischen Rathaus, der Zeremonienhalle und des alten jüdischen Friedhofs. Diese sind bis heute erhalten geblieben – umgeben von prachtvollen Jugendstilgebäuden und einer Bebauung, die sich an Pariser Vorbildern orientierte.
In den 1930ern wurde Prag zu einer wichtigen Anlaufstelle für jüdische Flüchtlinge aus Deutschland. Ab 1939 wurden sie selbst zu Verfolgten: Unter den Nazis wurden jüdische Institutionen geschlossen, jüdisches Eigentum beschlagnahmt, und Juden systematisch deportiert. Fast fünfzigtausend Juden lebten zu Beginn des Zweiten Weltkriegs in Prag – nur etwa siebeneinhalbtausend überlebten den Holocaust.
12. Widerstand gegen die Nazis: Kirche des Hl. Cyrill und Method
Die orthodoxe Kirche St. Cyrill und Method in der Prager Neustadt ist die Hauptkirche der Orthodoxen Kirche der Tschechischen Länder. Sie wurde 1730 bis 1736 im barocken Stil erbaut. Die aktuelle Bemalung erfolgte später – der blau-gold gehaltene Innenraum ist prunkvoll und zugleich schlicht; verglichen mit anderen Barockkirchen wirkt sie weniger überladen.
Interessant ist die Kirche hauptsächlich wegen ihrer Rolle, die sie im tschechischen Widerstand gegen die Nationalsozialisten spielte. Hier versteckten sich im Frühsommer 1942 die Fallschirmspringer, die an der Vorbereitung und Ausführung des Attentats auf den Reischprotektor Reinhard Heydrich beteiligt waren. Aufgrund der massiven Fahndung konnten sie nicht aus Prag fliehen. Als ihr Versteck verraten wurde, umzingelten SS-Kommandos und Gestapo die Kirche. Die verschanzten Fallschirmspringer hatten keine Chance gegen die Übermacht der Nazis – nachdem sie ihre Munition aufgebraucht hatten, tötete sich jeder von ihnen mit der letzten verbliebenen Kugel.
Jeder, der den Fallschirmspringern geholfen hatte, so auch die Vertreter der Kirche, die ihnen Unterschlupf gewährt hatten, wurde hingrichtet. Die orthodoxe Kirche wurde noch im selben Jahr verboten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Kirche renoviert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Eine Gedenktafel in der Krypta erinnert an die Fallschirmspringer von damals. Die orthodoxe Kirche erlangte 1951 ihre Unabhängigkeit – heute finden in der Kirche wieder Gottesdienste statt, manche davon auf Altkirchenslawisch.
13. Besuch bei den Toten: Jüdischer Friedhof, Kafkagrab und Nekropole Olšany
Der alte jüdische Friedhof gehört zu den Museumsanlagen im jüdischen Viertel. Er ist von einer hohen Mauer umgeben und zählt zu den bedeutendsten jüdischen Friedhöfen in Europa. Auf einer Fläche von nur zehntausend Quadratmetern wurden rund zwölftausend Grabsteine gezählt. Vermutet wird, dass hier mehr als hunderttausend Menschen begraben wurden – in bis zu zwölf Schichten übereinander, da der Friedhof im Ghetto nicht erweitert werden und Juden nicht außerhalb des Ghettos bestattet werden durften.
Wer die mystische und verwunschene Stimmung von alten Friedhöfen schätzt, dem sei ein Besuch der Nekropole Olšany im Osten Prags ans Herz gelegt. Er ist die größte Begräbnisstätte der Stadt und besteht aus zwölf zusammengefassten Einzelfriedhöfen. Hier finden sich deutsch-, tschechisch- und gemischtsprachige Gräber und Gruften nebeneinander, unter hohen Bäumen, mit blühenden Büschen und Wildblumen. Es gibt Sektionen für orthodoxe und islamische Gläubige und eine Reihe von Kapellen verschiedener Religionsgemeinschaften.
Unmittelbar daneben, nur durch eine Straße getrennt, liegt der Neue jüdische Friedhof, der 1890 eröffnet wurde. Auf einer Fläche von mehr als hunderttausend Quadratmetern bietet er Platz für ebensoviele Grabstätten, von denen aktuell etwa ein Viertel belegt sind. Das bekannteste Grab ist das des Schriftstellers Franz Kafka, der direkt bei der südlichen Außenmauer liegt. Beide Friedhöfe strahlen große Ruhe aus – Parkbänke unter den Bäumen bieten eine gute Gelegenheit für eine Auszeit, bevor man sich wieder in den Trubel der Großstadt stürzt.
Unsere Route mit allen aufgeführten Punkten: