Wandern im Böhmischen Paradies: Die Prachauer Felsen bei Jicin
Enge Durchgänge, hohe Felsen, fantastische Ausblicke und Kulisse für Feen und Werwölfe: Die Prachauer Felsen gehören zu den spannendsten Landstrichen Tschechiens.
Etwa eineinhalb Autostunden von Prag entfernt, nahe der Kleinstadt Jicin, im äußersten Osten des „Böhmischen Paradies“, liegt ein auf den ersten Blick unscheinbar wirkendes Waldstück. Man könnte einfach dran vorbeifahren, ohne zu ahnen, dass sich in diesem Wald eine magisch anmutende Landschaft versteckt: Schmale Durchgänge und steile Treppen führen durch ein Labyrinth von schlanken Felsnadeln und dicken Bäumen.
Die Prachovské skály (Prachauer Felsen) gehören zu den bedeutendsten Naturdenmälern Tschechiens. Die Felsen bestehen aus Sandstein. Dieser bildete ursprünglich ein Plateau – rund sechzig Millionen Jahre später haben Wind und Regen eine außergewöhnlich große Felsenstadt erschaffen.
Durch die talseitige Lage der Felsen sind diese aus der Entfernung nicht so dominant und gut zu sehen, wie z. B. im Gebiet um Hrubá skála. In Prachau entdeckt man sie erst, wenn man mittendrin steht – und wenn man oben steht, wie hier bei Vitkas Aussicht auf dem Schiefen Turm, kann man die Waldlandschaft drumherum überblicken. Trotz der verborgenen Lage sind die Prachauer Felsen heute leicht zu finden: Bereits seit dem 19. Jahrhundert ist das Gebiet touristisch erschlossen, und ist entsprechend gut ausgebaut und ausgeschildert …
Wie aus einer anderen Welt? Das dachten sich auch diverse Filmemacher und nutzten die Prachauer Felsen als Kulisse. Was im übrigen der Grund für unseren Besuch war: Als Orlando Bloom im dritten Teil von „Carnival Row“ ins Elfenland Tirnanoc reist, hat uns die Landschaft fasziniert und die Neugierde gepackt. Wandert man durch die Felsenstadt, kann man sich ohne Probleme vorstellen, dass in unbeobachteten Momenten Elfen zwischen den Felstürmen flattern und nachts Werwölfe und Trolle durch die engen Schluchten schleichen. Insgesamt 108 Drehtage war die Crew von „Carnival Row“ in Tschechien unterwegs – nicht nur an den Prachauer Felsen, sondern auch in Prag, das für die neo-viktorianische Steampunk-Metropole „The Burgue“ Pate stand, sondern auch in der Allerheiligenkirche (Kostel Všech svatých) in der Kleinstadt Stvolínky, im Rennaissance-Schloss Friedland in Frýdlant, und in Schloss Krnsko zwischen Liberec und Prag. Die Felsenlandschaft von Prachau diente auch in „Wheel of time“, „Britannia“, „Van Helsing“, „The Mists of Avalon“, „Hellboy“ und „Little Mermaid“ als Drehort.
Archäologische Funde belegen, dass die Prachauer Felsen bereits in prähistorischer Zeit von Menschen bewohnt wurden. Das Gebiet diente den slawischen Stämmen als natürliche Festung, die nur an wenigen Stellen durch zusätzliche Mauern ergänzt werden mussten. Im Inneren entstanden erste Wohnsiedlungen, die nach diversen Kriegen im 17. Jahrhundert verschwanden. Wie es für solche Felsenburgen typisch ist, ist davon nicht allzuviel erhalten: Die Aufbauten waren meist aus Holz, das die Jahrhunderte nicht überdauerte. Erhalten geblieben sind ein paar kärgliche Reste der einst stattlichen Burg Veliš aus dem 14. Jahrhundert. Von einem der Aussichtspunkt ist die Ruine der Burg Trosky zu sehen, die nördlich der Prachauer Felsen auf einem Basaltmassiv thront und aus einer ähnlichen Epoche stammt wie Burg Veliš.
Seit 1637 ist das Gebiet der Prachauer Felsen im Privatbesitz der Familie Šlik (Schlik). 1948 wurde es verstaatlicht – erst 1996 ging es im Rahmen eines Rückstellungsverfahrens wieder an die Familie Šlik zurück, die bis heute für das touristische Angebot verantwortlich ist.
Tipp: Schloss Hotel Hrubá Skála
Das Schloss Hotel Hrubá Skála* thront auf einem massiven und steilen Sandsteinfelsen mitten im wunderschönen Wandergebiet des Böhmischen Paradieses. Die weitläufige Schlossanlage mit ihren großzügigen Zimmen lädt zum entdecken ein. Nachdem man sich mit einem reichhaltigem Frühstück am Morgen gestärkt hat, kann man direkt vom Schloss aus durch die spannenden Felsformationen wandern und die herrliche Aussicht genießen. Und am Abend bietet die Schlossküche dann leckere böhmische Mahlzeiten. Wir haben zwei Nächte im Schloss verbracht und uns sehr wohl gefühlt.
Seit dem Jahre 1892 existiert in Jičín eine Zweigstelle des Tschechischen Touristenklubs, der sich um den Ausbau der Wanderwege an den Prachauer Felsen verdient machte. Während des zweiten Weltkriegs wurde den GrafenSchlik eine Zwangsverwaltung der Besatzer auferlegt. Die Prachauer Felsen und ihre Unterbringungsmöglichkeiten dienten den Nazis als Hinterland. In den Gebäuden waren zudem ein Kuratorium und ein Schulungszentrum der Hitlerjugend untergebracht. Während die Nazis die Hotels besetzten, dienten die Höhlen in den Felsen den Gegnern als Unterschlupf: In einer Höhle, keinen Kilometer vom Hotel der sich erholenden Soldaten, verbrachte Stanislav Hylmar, der aus der Zwangsarbeit geflohen war, unbemerkt mehrere Monate – ebenso wie die russischen Flüchtlinge, die er beherbergte. Obwohl das unter den Einheimischen ein offenes Geheimnis war, wurden sie nicht an die Besatzer verraten. Im Gegenteil erzählt man sich, dass Kinder aus der Schule genommen wurden, damit sie nicht versehentlich etwas ausplaudern konnten.
Die Prachauer Felsen sind touristisch gut erschlossen. Den Ausbau der Wege tätigten Soldaten des 22. Pionierregiments im Rahmen ihrer Ausbildung. Wer heute hier wandert, sollte trittsicher sein und eine halbwegs passable Kondition haben – an vielen Stellen führt der Weg über steile Treppen und unebene Böden.
Etwa 300.000 Menschen besuchen die Prachauer Felsen jedes Jahr. An den „Hauptpunkten“ kann es vor allem in der Saison auch mal voller werden. Auf den längeren Wanderrouten hat man immer wieder auch Momente für sich alleine.
Die Wegeführung ist an vielen Stellen überraschend, denn eigentlich nimmt man an, dass es gar nicht möglich ist, hier einen Weg zu bauen. In der Realität fanden die Erbauer doch Möglichkeiten – auch wenn es manchmal wirklich sehr eng zugeht, und der schmalste Durchlass grade mal 35 cm breit ist.
Wer heute die Prachauer Felsen besucht, tut es meist mit dem eigenen Auto. Anders machte es der österreichische Kaiser Franz I. im Jahr 1804: Anlässlich eines Besuchs in Jicin , wo er sich mit dem russischen Zaren Alexander I. auf ein Bündnis gegen Napoleon einigen wollte, soll er die Felsen besucht und sich mit einer Sänfte durch die Felsschlucht getragen haben lassen. Trotz schriftlicher Erwähnung des Besuchs, sehen Historiker den Wahrheitsgehalt eher skeptisch. Der Name „Kaisergang“ für den Zugang zu den Prachauer Felsen hat sich aber trotzem erhalten.
1933 wurden die Prachauer Felsen zum Naturschutzgebiet erklärt – als eines der ersten auf tschechischem Gebiet. Tourismus und Naturschutz müssen heute einen gemeinsamen Weg finden. Das ist gar nicht so einfach. Während der kommunistischen Übernahme wurden die Prachover Felsen ein beliebtes Ausflungsziel. In den Fünfzigern und Sechzigern brachten täglich mehrere Dutzend Autobusse Besucher in die Region. Die Forstwirschaft in den schwer zugänglichen touristischen Gebieten wurde praktisch eingestellt; die Felsen wurden zunehmend von hohen Bäumen, hauptsächlich Fichten, überwuchert.
In Zusammenarbeit mit der Naturschutzbehörde wird seit ca. 2000 der Baumbewuchs verändert, und der Fichtenbestand stufenweise durch Mischwald ersetzt. Restbestände alter Kiefern werden freigelegt; Tannen und Laubbäume ergänzt. Die Felsen stehen dadurch wieder freier; der Wald bekommt ein gesundes Unterholz – auch wenn an einigen Stellen unschöne Kahlschläge zu finden sind.
Die Prachauer Felsen sind auch bei Kletterern ein beliebtes Ziel. Die ersten waren wahrscheinlich Deutsche aus der Tschechisch-Sächsischen Schweiz. Einige herausragende Felsntürme sind nach ihnen benannt – der „Dresdner Turm“ etwa. Schon 1907 gründete eine Gruppe Studenten den Prachover Kletterclub . Als Andenken an die Erstbesteigung des Gebetsfelsens („Mönch“ in der Bildmitte) steht dort eine (sehr kleine) tschechische Fahne. Anlässlich des 100-jährigen Bestehens des Kletterclubs wurde der Mönch in historischer Kleidung und mit historischen Techniken bestiegen. Die Prachauer Nadeln links im Bild gehören zu den populärsten Kletterfelsen – der „Heilige Wenzel“ hingegen gilt als der am schwersten zu erkletternde Felsenturm innerhalb des Gebiets.
3D-Landkarte der Felsenstadt? Die ist hübsch, aber unnötig – die Wanderwege sind gut beschildert und markiert. Die gelbe Route ist ca. 1,5 km lang, führt über zwei Aussichtspunkte und durch den Kaisergang, und gibt Besuchern mit wenig Zeit einen kurzen Überblick. Die rote Tour (2,5 km) passiert mehrere Engstellen und Aussichtspunkte und ist aufgrund ihrer Länge und Schwierigkeit bei aktiven Senioren und Familien mit älteren Kindern beliebt. Die grüne Route (3,5 km) gilt als attraktivste und interessanteste Tour – auf ihr nimmt man alle wichtigen Aussichtspunkte, Treppen und Engstellen mit. Die blaue Route ist die einzige im Park, die auch für geländetaugliche Kinderwagen geeignet ist – weniger spektakulär aber trotzdem schön führt sie von Prachov durch die „Teufelsküche“ zu einem Aussichtspunkt und wieder zurück.
Die Prachauer Felsen sind gut mit dem Auto erreichbar. Ein kostenpflichtiger Parkplatz steht direkt am Eingang zur Verfügung. Dort befinden sich auch eine Toilette, ein Infozentrum mit Souvenirladen, Imbissstände und ein Restaurant. Der Park ist von 1. April bis 31. Oktober (bei gutem Wetter wird die Saison auch mal verlängert) geöffnet; die Benutzung der Wanderwege kostet je nach Saison für einen Erwachsenen zwischen 100 und 120 tschechischen Kronen. Angeleinte Hunde dürfen mit in den Park – nicht alle Wege sind aber gut für Hunde geeignet. Für größere Gruppen sind Führungen möglich. Die Prachauer Felsen können auch als Tagestour von Prag aus gebucht werden.
In Jicin, wenige Kilometer von den Prachauer Felsen entfernt, kann man einen Besuch der Felsenstadt gemütlich ausklingen lassen. Die unaufgeregte und etwas verschlafen wirkende Kleinstadt hat einen schönen Marktplatz mit umlaufenden Arkadengängen, in denen sich Geschäfte und Cafés befinden.
Das Schloss Hotel Hrubá Skála* thront auf einem massiven und steilen Sandsteinfelsen mitten im wunderschönen Wandergebiet des Böhmischen Paradieses. Die weitläufige Schlossanlage mit ihren großzügigen Zimmen lädt zum entdecken ein. Nachdem man sich mit einem reichhaltigem Frühstück am Morgen gestärkt hat, kann man direkt vom Schloss aus durch die spannenden Felsformationen wandern und die herrliche Aussicht genießen. Und am Abend bietet die Schlossküche dann leckere böhmische Mahlzeiten. Wir haben zwei Nächte im Schloss verbracht und uns sehr wohl gefühlt.
