Flugsalben: Was ist dran am Mythos vom Flug auf dem Hexen­besen?

In der Walpurgisnacht sollen Hexen ihren Körper und ihre Besen mit Flug­salbe ein­ge­schmiert und sich in die Luft erhoben haben. Was steckt dahinter?

Magische Formeln und geheimnisvolle Tränke sollen Hexenbesen zum Fliegen gebracht haben. Anhänger mit Pentagramm und Besen.

Sie tut alles, um sich unbeliebt zu machen: Sie verhext das Vieh, tötet Kinder, vergiftet Brunnen und verwünscht unliebsame Nachbarn. Wer es sich mit ihr verscherzt, hat nichts zu lachen. Und wer sie fangen will, auch nicht. Denn eine Hexe wird je nach Bedarf unsichtbar, verwandelt sich in ein Tier oder fliegt einfach auf ihrem Besen davon. Eine Salbe aus geheimnisvollen Pflan­zen und ein paar Zaubersprüche sind alles, was sie dafür braucht.

Das zumindest glaubten Men­schen im Mittelalter, und noch Goethe spielt mit dem alten Klischee, Hexen könnten auf dem Besen fliegen. „Es trägt der Besen, trägt der Stock. Die Gabel trägt, es trägt der Bock … Die Salbe gibt der Hexe Mut“, heißt es im „Faust“.

Unter der Folter gaben der Hexerei Angeklagte alles zu

Fliegenpilz gehörte in viele Flugsalben.

Der Hexerei Angeklagte gestanden im „peinlichen Verhör“, wie die Folter um­schrie­ben wurde, alle möglichen Vergehen – nicht nur einen Flug auf dem Besen. Mit bren­nen­den Holzspänen unter den Fingernägeln und angelegten Daumenschrauben gaben sie die Rezepte ihrer Tränke, Tinkturen und Salben preis, bevor sie mit kirchlicher Bil­li­gung auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden. Vieles von dem alten, über­liefer­ten Wissen um die Heilkraft von Pflanzen verbrannte mit ihnen.

Erhalten geblie­ben sind wilde Spe­ku­la­tio­nen und krude Rezepte, die in den Protokollen der Hexen­pro­zesse doku­men­tiert wurden. Eini­ge dieser Rezepte, auch für die legendären Flugsalben, finden sich noch heute in Kräuterbüchern oder im Internet.

Inwieweit diese authentisch sind, lässt sich nicht mehr sagen. Besonders zur Zeit der stärksten Hexenverfolgung im 16. Jahrhundert kannten viele angebliche Hexen die genannten Ingredizien und deren Wirkung wohl nur vom Hörensagen. Sie gestanden, um der Folter zu entgehen und zählten einfach alles auf, was ihre Peiniger hören woll­ten. Auffallend ist dennoch, dass manche pflanzlichen Bestandteile immer wieder auftauchen. Fliegenpilz, Alraune, Tollkirsche, Stechapfel und Bilsenkraut etwa. Einzeln oder in Kombination finden sie sich in fast jeder Flugsalbe und gelten heute als typische Hexenpflanzen.

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Inhaltsstoffe von Flugsalben waren psychoaktiv

Alle vier genannten Pflanzen sind Nachtschattengewächse, alle vier sind hochgiftig, alle vier haben massive Auswirkungen auf die menschliche Wahrnehmung und Psyche. Ne­ben Alkaloiden enthalten sie die Giftstoffe Atropin, Hyoscamin und Scopolamin. Die­se verändern das Bewusstsein und lösen starke Halluzinationen aus.

Stechapfelsamen sind hoch giftig und stark halluzinogen.

Schamanen, Mys­ti­ker, Ma­gierinnen und Orakelpriesterinnen verschiedenster Kulturen setzten und setzen solche psychoaktiven Pflanzen ein, um Visionen hervorzurufen, Kontakt mit dem Jen­seits auf­zu­neh­men und Geistreisen anzutreten.

Werden nun Auszüge der Pflanzen zu einer Salbe vermischt, ein Gegenstand wie ein Besenstiel damit bestrichen und zwischen die nackten Beine geklemmt, so gelangen die enthaltenen Giftstoffe über die Schleimhäute in den Körper und vermitteln unter anderem das Gefühl, zu fliegen. Der Flug auf dem Besen ist also möglich – im Kopf. Wenn die Hexen des Mittelalters Flugerfahrungen gestanden, so schilderten sie ent­weder ein subjektives Erleben, das ihre Richter für bare Münze nahmen, oder sie plau­der­ten nach, was sie gehört hatten.

Hexensalben wurden in den Verhören verwendet

In vielen Fällen war es aber auch umgekehrt und noch schlimmer: Vielerorts wurden Hexensalben mit den genannten Ingredizien nicht von, sondern an den Hexen an­ge­wandt. Um sie zu einem Geständnis zu bewegen, wurden die Genitalien der Frau­en beim Verhör mit einer Hexensalbe eingeschmiert.

Tollkirsche: Typischer Bestandteil von Hexensalben. Psychoaktive Substanzen spielten vermutlich auch in den Verhören der Hexenprozesse eine Rolle.

Durch die daraus resul­tie­ren­de Durch­blutungssteigerung im Genitalbereich und durch die beschriebenen Hal­lu­zi­na­tionen war es ein leichtes, die peinliche Befragung in die „richtige“ Richtung zu lenken: Hin zu dem Geständnis, es hätte ein Koitus mit dem Satan stattgefunden.

Die Schwerkraft konnten die angeblichen Hexen jedenfalls nicht überwinden. Ob sie es überhaupt versuchten, ist nicht bewiesen. Fest steht, dass sie um die Wirkung der Pflan­zen wussten und diese nicht nur zur Therapie verschiedenster Krankheiten, son­dern auch als Rauschdrogen einsetzten.

Fest steht auch, dass von jeglichen Selbst­ver­su­chen dringend abzuraten ist. Allzu leicht endet der Flug auf dem Hexen­be­sen sonst auf der Intensivstation, der geschlossenen Abteilung einer Psy­chia­trie oder dem Fried­hof, denn die typischen Ingredizien einer Hexensalbe – Alraune, Fliegenpilz, Toll­kir­sche, Stechapfel und Bilsenkraut – sind ausnahmslos giftig.

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