Nordspaniens Felstürme: Ujué, Castillo de Javier und Mallos de Agüero und Riglos

Eine wuchtige Wehrkirche, die Burg eines Heiligen, der bis Japan reiste, eine sehr spezielle Staumauer und Gänsegeier, die um beeindruckende Felstürme kreisen: Die Route von Olite über Ujué und das Castillo de Javier zu den Mallos de Agüero und Riglos hat einiges zu bieten.

Tag drei unserer Nordspanien-Rundreise beginnt mit einem leckeren Frühstück in der mittelalterlichen Königsstadt Olite. Von dort fahren wir Richtung Osten, ins Pyrenäenvorland der Ribera de Navarra. Das Gelände ist hügelig-bergig, auf den Terrassen wird ein bisschen Getreide und Wein angebaut, am Horizont drehen sich träge ein paar Windräder. Siedlungen sieht man wenige, und es ist herrlich ruhig.

 

Ujué Blick ins Umland
Weitblick: Schon die Anfahrt nach Ujué lohnt einen Umweg. Von Norden kommend öffnen sich immer wieder weite Ausblicke auf die terrassierten Hügel des Pyrenäenvorlands.

 

Ujué
Ujué liegt auf einem Hügelkamm auf 815 m. Der Ort hat schon bessere Zeiten gesehen – vor allem die Landflucht macht der Gemeinde zu schaffen. Lebten bis in die Sechzigerjahre noch mehr als tausend Menschen in Ujué, sind es heute nur noch knapp zweihundert. Einige der leerstehenden Häuser wurden zu Ferienwohnungen umgebaut – der Tourismus könnte sich als neues Standbein für das Bergdorf erweisen und die verlorengegangenen Einnahmen aus der nicht mehr rentablen Landwirtschaft kompensieren.

 

Ujué, Ortskern
Ujué hat einen hübschen historischen Ortskern mit alten Steinhäusern, verwinkelten, engen Gassen, kleinen Plätzen und liebevoll gestalteten grünen Ecken. Nicht ohne Grund gehört Ujué zur Vereinigung der schönsten Dörfer Spaniens.

 

Ujué
Die Ortschaft wurde vermutlich schon in vorrömischer Zeit gegründet. Erstmals urkundlich erwähnt wird sie in Urkunden aus dem 9. Jh. – dort noch unter dem Namen Santa María de Uxua. Um den Namen rankt sich die Legende, dass ein Hirte in einer Höhle eine Marienstatue fand und der Jungfrau Maria begegnete, nachdem er dem Flug einer Taube gefolgt war. „Uxua“ ist das baskische Wort für „Taube“. Die Statue Virgen de Ujué wird bis heute hochverehrt. Jedes Jahr, am ersten Sonntag nach dem 25. April, findet die traditionelle Prozession Romería de Ujué statt tragen mit einer Tunika bekleidete Pilger schwere Holzkreuze auf den Kirchberg.

 

Ujué, Wehrkirche
Ujué wird überragt von einer gewaltigen Wehrkirche, die ihresgleichen sucht. Bereits 1090 ließ König Sancho Ramirez eine Wehrkirche errichten. Diese dreischiffige romanische Kirche wurde im 14. Jh. stark beschädigt, nur die dreifache Apsis (halbrunde oder polygonale Altarnische in einem Tempel beziehungsweise einer Kirche) blieb erhalten. König Carlos II, genannt „der Böse“, ließ die Kirche im gotischen Stil mit einem imposanten Kirchenschiff und zwei zinnenbewehrten Türmen neu errichten, dem Torre de los Cuatro Vientos (Turm der vier Winde) und dem Torre de los Picos o de las Campanas (Turm der Gipfel oder Turm der Glocken).

 

Ujué, Wehrkirche, Wandelgang
Carlos II ist auch für den Bau des gotischen Brüstungsgangs verantwortlich. Heute ist der Wandelgang ein schattiges, windgeschütztes Plätzchen mit schöner Aussicht, an dem man sich auch aufhalten kann, wenn die Kirche geschlossen ist. Der König war häufiger Gast in Ujué. Seine Verehrung der Virgen de Ujuè war so groß, dass er in seinem Testament festhielt, dass sein mumifiziertes Herz in der Kirche aufbewahrt werden solle.

 

Ujué, Wehrkirche
Carlos II entschied sich beim Neu- bzw. Umbau der Kirche zu einem architektonisch ungewöhnlichen Element: Die Außenfassade der der ursprünglichen romanischen Apsis (links) ist komplett von einer Wehrmauer umgeben. Der Festungscharakter der Burg wird hier vielleicht noch deutlicher, als an den beiden zinnenbewehrten Türmen.
Castillo de Javier
Von Ujué geht es weiter nach Nordosten, zum Castillo de Javier. Die Anfänge der Burg gehen ins 10. Jh. zurück, in die Zeit der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den beiden christlichen Königreichen Aragón und Navarra. Damals nur ein Wachturm zur Verteidigung des Flusstals, wurde die Burg im 14. Jh.von der Familie von Maria von Azpilicueta erweitert und ausgebaut. Nach der Annektierung Navarras durch Kastilien wurde die Burg gestutzt und diente bis ins 19. Jh. als Wohnhaus.

 

Castillo de Javier
Im Inneren der Burg sind Gemälde, Waffen, Möbel, Schriftstücke, Münzen und andere Objekte ausgestellt, die das kulturelle, künstlerische und auch religiöse Erbe von Javier veranschaulichen. Die Gemälde in der Galerie zeigen Szenen aus dem Leben des bekanntesten Sohns der Burg: Francisco de Javier.

 

Francisco de Javier
1506 als jüngster Sohn in der Burg geboren ergriff Francisco einen Beruf, der ziemlich selten geworden ist: Er wurde Heiliger. Davon ahnte er noch nichts, als er 19-jährig nach Paris ging, um an der Sorbonne zu studieren. Die Begegnung mit Ignacio de Loyola (Mitbegründer des Jesuitenordens) gab seinem Leben eine entscheidende Wendung. Motiviert durch seinen katholischen Glauben unternahm Francisco eine elfjährige Reise, die ihn durch Indien bis in den Fernen Osten führte. Er bereiste Indonesien, Japan und China, wo er 1552 verstarb. Die sterblichen Überreste des Schutzheiligen von Navarra und der katholischen Missionen sind in Goa, Indien, aufbewahrt. In zwölf detailverliebt gestalteten Dioramen (rechts) von Lópes Furió aus dem Jahr 1967 sind Stationen der Reise des Heiligen dargestellt.

 

Christuskapelle, Castillo de Javier
Die (sehr kleine und nur von außen zu besichtigende) Christuskapelle beherbergt gleich zwei außergewöhnliche Kunstschätze: Die Skelett-Malereien aus dem 15. Jh. stellen den Tod dar – diese Art Fresken ist einzigartig in Spanien.

 

Lächelnder Christus, Castillo de Javier
Eine Besonderheit ist auch die aus Nussbaumholz geschnitzte Kreuzigungsszene aus dem 13. Jh., die einen lächelnden Christus zeigt. Diese Art der Darstellung ist ausgesprochen selten.

 

Basilika, Castillo de Javier
Die Basilika am westlichen Rand des Burgkomplexes ist neueren Datums: Sie wurde 1901 im Zuge der Burgrestaurierung hinzugefügt.

Von Javier wollen wir weiter nach Osten und versuchen eine Abkürzung. Diese führt uns in abgelegene Bergdörfer, irgendwo im landschaftliche reizvollen Grenzgebirge zwischen Navarra und Aragonien. Zwar will uns unser Navi zuversichtlich über holprige Schotterpisten durch die Berge führen, angesichts der beachtlichen Schlaglöcher drehen wir lieber um und nehmen den längeren Weg auf der gut ausgebauten A-2602 nach Bailo. Dort biegen wir auf der A-132 nach Süden ab in die Provinz Huesca.

 

Picknick im Auto
Die A-132 führt zwischen gut tausend Meter hohen Bergen am Peña-Fluss entlang. Theoretisch bietet sich von der Passhöhe ein schöner Ausblick nach Norden auf die Pyrenäen. Praktisch geraten wir in einen kräftigen Regenguss und machen erstmal Picknick im Auto. Getränkehalter eignen sich hervorragend für Essiggurken- und Senfgläser.

 

Presa de la Peña
Bis wir die Presa de la Peña, die schmale Stahlbrücke über den Peña-Stausee erreichen, kommt bereits wieder die Sonne durch. Hier lohnt eine kurze Pause und ein Spaziergang über die Staumauer auf die Anhöhe an der Südseite des Stausees. Von hier hat man einen fantastischen Blick auf den Stausee, die Brücke, das Stauwehr und die beiden markanten Felsnasen, die das ganze Ensemble wirken lassen, als wäre es direkt einer Modelleisenbahnlandschaft entsprungen.

 

Presa de la Peña
Der Peña-Stausee verläuft grob von Westen nach Osten. In einem Halbkreis verschließt die Staumauer an der Südseite den Abfluss in den Rio Gállego, der grob einen Nord-Süd-Verlauf nimmt. Ein Teil des Wassers wird durch einen Kanal unterhalb der Felsen in den Rio Gállego abgeleitet. So ganz verstanden haben wir den Wasserlauf ehrlich gesagt nicht – das Stauwehr, das zwischen 1904 und 1913 gebaut wurde, erfüllt aber offenbar bis heute seinen Zweck, auch wenn wir nicht ganz begreifen wie.

 

Presa de la Pena
Tosend schießen die Wassermassen des Sees durch einen Kanal in den Rio Gállego.

 

Mallos de Riglos
Wenige Kilometer flussabwärts erreichen wir ein weiteres landschaftliches Highlight: Bis zu 275 Meter hoch ragen die Mallos de Riglos über dem Gállego auf. Sie zählen zu den spektakulärsten Felstürmen auf der spanischen Seite des Pyrenäenvorlands.

 

Mallos de Riglos
Riglos, der namensgebende Ort, kauert direkt unterhalb der Felstürme. Die Mallos de Riglos sind ein Paradies für Kletterer – das Bergdorf ist darauf eingerichtet. Die Felsen bildeten sich im Tertiär aus kalkhaltigem Sedimentgestein, das im Laufe der Jahrtausende durch Wind, Sonne und Wasser geformt wurde. Das Gestein ist eisen- und tonhaltig und strahlt vor allem in der tiefstehenden Abend- und Morgensonne in intensiven Rot-, Orange- und Gelbtönen. Diese Abendstimmung ist aus dem Fenster unserer Pension aus fotografiert: Der La Casona de la Reina Berta in Murillo de Gállego.

 

La Casona de la Reina Berta, Murillo de Gallego
La Casona de la Reina Berta ist eine klare Empfehlung. Almhüttencharakter trifft spanisch-maurischen Stil. Großzügige Räume mit fantastischer Aussicht auf die Mallos de Riglos, bequeme Betten, ein lustig dreigeteiltes Badezimmer und ein verwinkeltes Treppenhaus: Die Pension hat ohne Zweifel viel Charme.

 

La Casona de la Reina Berta
Mehr als positiv überrascht hat uns auch das Essen in der Casa Berta. Das gibt es abends nur auf Nachfrage. Dann serviert der Eigner, der zwar weder Deutsch noch Englisch spricht, sich aber fröhlich mit Händen und Füßen zu verständigen weiß, frische, hausgemachte Gerichte. Drei bis vier Gänge, eine bunte Auswahl an Salat, Fisch, Fleisch, Gemüse, Nachtisch und Zeugs, alles liebevoll angerichtet und mit einem verschmitzten Lächeln präsentiert. Auch das Frühstück sucht seinesgleichen – mit der umfangreichen Auswahl an Schinken, Käse, Wurst, Obst, Gemüse, Brot, diversen Aufstrichen und Kuchen starten wir gut gestärkt in den Tag.

 

Mallos de Riglos
Am Morgen präsentieren sich die Felstürme wolkenverhangen. Im Frühnebel über dem Fluss herrscht eine magische Stimmung, und wir brauchen ein Weilchen, bis wir begreifen, was wir da sehen: Normalerweise werfen Wolken ihren Schatten auf die Felsen. Die Kombination aus tiefstehender Sonne, sehr tief hängenden Wolken und hohen Felstürmen dreht das ganze um: Jetzt werfen die Felsen ihren Schatten auf die Wolken und löschen sie optisch aus. Die Konturen der Felstürme „schweben“ im Himmel.

 

Mallos de Riglos
Ein Phänomen, das wir in dieser Form bisehr noch nie gesehen haben, und das mich so begeistert, dass ich ungefähr achthundert Fotos machen musste.

 

Tipp: Hotel rural reina Berta
Tipp: Hotel rural reina Berta Das Hotel rural reina Berta* in Murillo de Gállego hat uns ausgesprochen gut gefallen. Das Haus ist liebevoll eingerichtet, die Betten sind sehr bequem und die Aussicht auf die Felstürme der Mallos de Riglos ist einzigartig. Unbedingt zu empfehlen sind das sehr leckere Abendessen und das umfangreiche Frühstück.
Agüero
Unweit der Mallos de Riglos und auf jeden Fall einen Abstecher wert, liegen die Mallos de Agüero. Majestätisch erheben sie sich über dem Ortskern von Agüero, umkreist von zahlreichen Gänsegeiern, die in den Felsen nisten. Der Monolith Peña Sola (die freistehende Felsnadel ganz links in der rechten Formation) ist durch einen Bruch in der Gesteinsmasse entstanden und ist mehr als zweihundert Meter hoch.

 

Agüero
Agüero ist ein guter Startpunkt für Wanderungen ins Gebirge. Wir begnügen uns mit einer kleinen Rundwanderung am Fuße der Mallos de Agüero.

 

Agüero
Neben dem Peña Sola entdecken wir einen lachenden Breitmaulfrosch, …

 

Agüero, Gänsegeier
… darüber kreist ein Gänsegeier. Wer die großen Vögel in freier Wildbahn beobachten möchte, hat hier gute Chancen. Innerhalb der kalkhaltigen Schluchten und Felsformationen der Region findet sich eine der größten Konzentrationen von Greifvögeln in Europa. Neben Gänsegeiern in großer Anzahl lebt hier auch der weniger gesellige Bartgeier, der sich ausschließlich von Knochen ernährt, zudem Schmutzgeier, Adler, sowie diverse Falken und Bussarde.

 

Murillo der Gallego
Wir lassen den dritten Tag unserer Nordspanien-Rundreise in Murillo de Gállego ausklingen. Nach einer ausgesprochen ruhigen Nacht in der Pension Berta und einem üppigen Frühstück machen wir uns auf den Weg zum Castillo de Loarre und durch den Nationalpark Sierra y los Cañones de Guara nach Bierge.

 

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner