Höhlenmalereien und Klettersteige: Der Pasarelas de Alquézar

Das Zitadellendorf Alquézar liegt malerisch über dem Vero-Tal. Sehenswert sind neben dem historischen Ortskern der Pasarelas del Vero, die Metall-Laufstege in der senkrechten Feldswand der Schlucht, und die Höhlenmalereien in der Region.

Tag sechs unserer Nordspanien-Rundreise startet erneut in Bierge, mit dem gewohnt üppigen Frühstück. Von dort fahren wir nach Osten, ins Zitadellendorf Alquézar. Der Name leitet sich vom arabischen al-qasr (Palast) ab. Bereits im neunten Jahrhundert ließ der Emir von Saragossa die felsige Anhöhe am Ausgang der Vero-Schlucht befestigen, um die Grenze zum christlich regierten Norden zu verteidigen. Im Zuge der Rückeroberung zerstörte König Sancho Ramirez die arabische Festung und gründte an ihrer Stelle die Stadt Alquézar.

 

Alquezar
Alquézar liegt auf einer Anhöhe oberhalb des Flusses Vero, dominiert von der wehrhaften Kirche Colegiata de Santa María la Mayor.

 

Alquezar
Der alte Ortskern von Alquézar mit seinen engen Gassen, Naturtstein- und Ziegelhäusern wurde vom spanischen Kulturministerium als Conjunto histórico-artístico (geschichtlich und künstlerisch bedeutendes Ensemble) eingestuft.

 

Alquezar
Typisches architektonisches Element sind die hölzernen Architrave, die an vielen Häusern zu sehen sind. Architrave sind waagrechte Balken, welche die senkrechten Stützpfeiler darunter miteinander verbinden, und die Last des Obergeschosses auf die Säulen verteilen. Architrave wurden bereits in der ägyptischen und antiken griechischen Architektur verwendet – vor der „Erfindung“ des Bogens waren sie die einzige Möglichkeit zur Überbrückung von Durchgängen. Die Spannweiten richteten sich nach dem zum Einsatz kommenden Material (Holzbalken oder Steinblöcke) und waren deutlich geringer, als es später mit Steinbögen möglich wurde.

 

Alquézar, Colegiata de Santa María la Mayor
Die Colegiata de Santa María la Mayor steht auf der höchsten Erhebung von Alquézar, dort wo die frühe maurische Festung stand. Bereits im 11. Jahrhundert ließen sich hier christliche Einsiedlermönche nieder. Im 13. Jahrhundert schlossen sie sich dem Augustinerorden an.

 

Alquezar, Colegiata de Santa María la Mayor
Die Colegiata de Santa María la Mayor wurde als Wehrkirche angelegt. Der Verteidigungscharakter zeigt sich vor allem in den Außenanlagen und dem befestigten Toraufgang. Links im Bild der einzige erhaltene Turm der alten Stiftsburg.

 

Alquezar, Colegiata de Santa María la Mayor, Kreuzgang
Ganz anders präsentiert sich der trapezförmige Kreuzgang der Colegiata de Santa María la Mayor. Er stammt aus dem 14. Jahrhundert und enthält noch einige ältere, romanische Kapitelle. An den Innenwänden des Kreuzgangs sind Freskenmalereien aus dem 15. und 16. Jh. zu sehen – im Obergeschoss befindet sich ein kleines Museum, auf dessen Besuch wir verzichtet haben. Der Kreuzgang selbst ist ein schöner, schattiger und ruhiger Ort, der eine gewisse Besinnlichkeit weckt.

 

Alquezar, Colegiata
Vom Platz im oberen Bereich der Colegiata hat man einen schönen Blick über die zinnengekrönte Mauer hinunter ins Vero-Tal. Das ist heute unser eigentliches Ziel – auch wenn der historische Ortskern uns gut gefallen hat, und schon für sich genommen einen Ausflug wert ist.

 

Alquezar
Alquézar liegt im untersten Teil der Vero-Schlucht. Der Rio Vero entspringt auf 1308 m Höhe in den aragonesischen Pyrenäen – aus einer nur im Frühjahr und Winter tätigen Quelle. Im Oberlauf fließt er teilweise unterirdisch, bevor er auf der Höhe von Lecina wieder austritt – entsprechend unregelmäßig ist die Wasserführung. Auf seinem etwa sechzig Kilometer langen Weg durch den Naturpark Sierra y Cañones de Guara hat er eindrucksvolle Schluchten und Höhlen in die Karstformationen gegraben.

 

Alquezar, Rio Vero
Eine Reihe von Seitencanyons münden in die Vero-Schlucht. Einer davon, die Barranco de Pyuala (auch Barranco de la Fuente), beginnt direkt im Nordosten von Alquézar. Durch diese Schlucht führt der Wanderweg Pasarelas de Alquézar hinunter zum Rio Vero.

 

Pasarelas de Alquézar
Der Pasarelas de Alquézar ist der Grund unseres Besuchs. Der Wanderweg ist gut beschildert. Er beginnt im Nordosten des Städtchens, am Informations- und Einlasskontrollpunkt neben der Siamkatze. Sollte die Katze wider Erwarten nicht da sitzen (sie saß während unseres mehrstündigen Besuchs die ganze Zeit da, und hätte sie sich nicht bewegt, hätte ich gewettet, sie sei ausgestopft), finden Sie den Eingang neben dem Gemeindezentrum (Ayuntamiento de Alquézar) bei der Panadería L’Artica. Im Infozentrum gibt es auch Eintrittskarten; der Eintritt betrug 2023 fünf Euro. Eintrittkarten können auch vorab online gebucht werden, was sich vor allem in der Hauptsaison empfiehlt, denn Besucher mit online gebuchten Karten haben Vorrang vor spontanen Tagesbesuchern.

 

Pasarelas de Alquezar
Über Treppen und Holzstege geht es zwischen der Peña Castibián auf der linken Seite und den Muros de la Colegiata auf der rechten Seite hinunter zum Rio Vero. In den Felswänden sind zahlreiche Höhlen zu sehen; hier nisten Gänsegeier, die teilweise in großer Zahl über dem Gebiet kreisen. Die Vegetation ist üppig, an heißen Tagen ist es hier angenehm schattig. Der Wegabschnitt ist gut beschildert aber teilweise ziemlich unwegsam. Vor allem nach Regen können die Steine, Stufen und Holzstege ziemlich rutschig werden. Gutes Schuhwerk und Trittsicherheit sind notwendig; Stöcke haben wir als durchaus hilfreich empfunden.

 

Alquezar,
Am Fluss angekommen sind es nur ein paar Meter flussaufwärts bis zur Cueva de Picamartillo.
Tipp: Hotel Casa Rufas in Bierge
Tipp: Hotel Casa Rufas in Bierge Casa Rufas ist ein kleines familiäres Hotel mitten in Bierge. Das Preis/Leistungsverhältnis ist sehr gut, weshalb wir uns entschlossen haben, drei Nächte zu bleiben und von Bierge Ausflüge nach Rodellar, Alquézar und dem Fuenta de Tamara zu unternehmen. Wir hatten ein gemütliches Zimmer mit Bad und morgens gab es ein gutes Frühstück.
Cueva de Picamartillo, Alquezar
Die Höhle wurde in der Außenseite der Kurve vom Fluss einige Meter weit in den Fels gegraben. Die Kiesbank am Ufer ist ein nettes Plätzchen für ein Picknick und zum Füße baden. Von hier hat man auch einen guten Blick auf die Felsüberhänge und Höhlen in der gegenüberliegenden Canyonwand.

 

Pasarelas de Alquezar
Flussabwärts beginnt der spektakulärste Teil des Wanderwegs – er führt auf Metallstegen an der westlichen Felswand des Canyons entlang. Wer Höhenangst hat, wird hier ein Problem bekommen. Obwohl es, zumindest verglichen mit anderen Wanderwegen in der Region, nicht allzu weit in die Tiefe geht, ist der Weg doch recht ausgesetzt. Die durchsichtigen Gitter tragen ihr Teil dazu bei, dass es sich höher anfühlt, als es ist. Die Gitter sind auch der Grund, warum der Weg für Hunde nur begrenzt geeignet ist. Obwohl grundsätzlich erlaubt, sollten Sie Hunde nur mitnehmen, wenn diese auch längere Strecken über Metallgitter laufen, oder leicht genug sind, um getragen zu werden.

 

Pasarelas de Alquezar
„Wenn es heute möglich wäre, diese Schluchten von einem Ende zum anderen – von Lecina nach Alquézar – zu durchqueren, ohne zu weit vom Wasserlauf abzuweichen, könnte man eine in ihrer Art einzigartige Reise unternehmen. Und dafür würden ein einfacher Reitweg und ein paar Stege an ganz bestimmten Stellen und Engstellen genügen! […] Mit Sicherheit wird dank des Fortschritts – und zum großen Nutzen der armen Bauern, die dort leben – der Tag kommen, an dem Ober-Aragonien eine glorreiche Rolle im Theater der Natur spielt; Es wird unweigerlich etwas sein, das passiert, etwas, an dem ich keinen Moment lang zu zweifeln wage; Aber leider scheint es so, als ob bis zu diesem gesegneten Tag derjenige, der die Schluchten des Vero-Flusses als Erster entdeckt und mit seinen Fotografien und Schriften verewigt hat, längst verschwunden sein wird.“ Das schrieb der französische Schriftsteller, Fotograf und Entdecker Lucien Briet Anfang des 20. Jahrhunderts über die Vero-Schlucht, und er sollte recht behalten: Obwohl er immer als Pionier für die Bekanntmachung der Schönheiten der Region galt, erlebte er selbst die Errichtung des Pasarelas de Alquézar nicht mehr.

 

Pasarelas de Alquezar
Beim Bau des ersten Wanderwegs hatten die Baumeister keine Touristen und Naturschönheiten im Sinn, sondern die Errichtung eines (kleinen) Wasserkraftwerks, das im August 1909 gebaut wurde. Um zum Maschinenhaus zu gelangen, musste ein 44 m langer Tunnel gegraben werden. Da für das gesamte Bauprojekt keine Kosten für Dynamit angegeben sind, wird davon ausgegangen, dass der Tunnel ausschließlich mit Spitzhacke und Schaufel gegraben wurde. Dafür wurden rund sechzig Prozent der Gesamtkosten von 7.400 Peseten aufgewendet.

 

Pasarelas de Alquezar
Direkt am alten Staudamm hat sich ein See gebildet, in dem je nach Wasserstand auch gebadet und geschwommen wird. Offiziell ist das allerdings nicht erlaubt.

 

Pasarelas de Alquezar
Die ersten Stege wurden gebaut, um den Wassereinlass zum Wehr zugänglich zu machen. Das war notwendig, weil Ablagerungen den Wassereinlass ständig verstopften, und sich das negativ auf die Leistung der ohnehin recht kleinen Turbinen auswirkte. Teile der alten Stege sind heute noch unterhalb der neuen Metallstege zu erkennen.

 

Pasarelas de Alquezar
Die touristische Erschließung der Vero-Schlucht begann in den späten 1980er Jahren. Alquézar befand sich damals im wirtschaftlichen Niedergang; viele Familien verließen aus Geld- und Arbeitsmangel die Stadt. Etwa zeitgleich wurde die Region von Bergsteigern und Canyonauten „entdeckt“. Waren davor nur vereinzelt Abenteurer in den Canyons unterwegs, wurden die Gruppen nun zunehmend größer und besser ausgestattet. Oft blieben sie mehrere Tage, um die versteckten Täler der Sierra de Guara zu erkunden. Angesichts dieses Booms begannen die Planungen für die Restaurierung der alten Betonstege. Bis Mitte der Neunziger hatte sich ihr Zustand stark verschlechtert, und sie wurden durch neue Metallstege ersetzt. Heute ist der Pasarelas de Alquézar eine der beliebtesten und meistbesuchten Wanderrouten in ganz Aragonien.

 

Pasarelas de Alquezar
Entsprechend voll kann es werden, wenn in der Hauptsaison Schülergruppen und Tagestouristen in die Schlucht strömen. Aus gutem Grund wurde deswegen eine Einbahnregelung eingeführt: Die Begehung ist nur flussabwärts erlaubt; Umdrehen und zurücklaufen ist expilizit verboten. Von Süden kommend versperrt ein Tor den Eingang.

 

Alquezar
Kurz hinter dem Tor biegt der Weg ab. Durch Olivenhaine und Gärten geht es über die Bergflanke recht steil hinauf nach Alquézar. An sonnigen Tagen wird es auf diesem Wegstück mollig warm – auch wenn die Wanderung insgesamt nicht allzu anstrengend ist, sollten Sie reichlich Wasser mitnehmen.

 

Alquezar
Der rund vier Kilometer lange Rundweg endet unterhalb des großen Parkplatzes am Ortsrand von Alquézar. Die Tour ist  in eineinhalb bis zwei Stunden gut zu schaffen – wer noch einen Stadtbummel und eine Pause in einem der Cafés oder Bars einplant, sollte sich einen halben Tag Zeit nehmen.

 

Abrigos de Mallata
Nach unserem Besuch in Alquézar machen wir trotz des trüber werdenden Wetters einen Abstecher ins obere Vero-Tal. Dazu müssen wir erst nach Süden – Alquèzar liegt am Ende einer Sackgasse. Wir überqueren den Rio Vero bei Albarda (wer möchte, kann sich dort eine römische Brücke anschauen) und folgen der A-2205 nach Norden Richtung Aínsa. Nach rund zwanzig Kilometern und sehr vielen Kurven erreichen wir den Mirador del Vero. Der Ausblick über den Canyon und die Höhlen in den Felswänden ist umwerfend. Obwohl das Wetter bedenklich zuzieht, machen wir uns auf die Suche nach den Felsmalereien, die es hier in der Nähe geben soll.

 

Abrigos de Mallata
Wir finden sie in zwei Felsüberhängen einen guten Kilometer südwestlich des Parkplatzes. Wüssten wir nicht, dass sie da sind, hätten wir sie vermutlich übersehen – es sind die tannenzweigartigen Symbole recht weit links im Bild. Die auffälligen blauen Striche hingegen sind natürliche Ablagerungen von Mineralien. Die Höhlenmalereien in dieser und einigen der umliegenden Höhlen stammen von Landwirten und Viehzüchtern der Jungsteinzeit und Bronzezeit. Sie zeigen teilweise verblüffend detaillierte Tierdarstellungen, einfache „Strichmännchen“ und rätselhafte geometrische Figuren und Symbole.

 

Abrigos de Mallata
Der Weg zu den Höhlen ist gut ausgeschildert und erstmal flach, bevor er dann senkrecht über die Kante der Schlucht hinunterführt. Hier braucht es gute Nerven – die luftige Treppe ist ziemlich ausgesetzt. Unter und über uns kreisen die Gänsegeier, und wir fühlen uns ein bisschen wie potenzielles Abendessen. Fehltritte sollte man sich hier keine erlauben. Angesichts des aufziehenden Gewitters werden wir ein bisschen nervös und gestalten unseren Aufenthalt kurz. Gerade eben so schaffen wir es noch vor dem kräftigen Regenguss zurück ins Auto.

 

Barbastro
Wir lassen den Tag in Barbastro ausklingen. Mit rund 17.000 Einwohnern gehört Barbastro zu den größten Orten der Region. Das Städtchen wirkt ein bisschen verschlafen und hat ein paar nette Ecken. Insgesamt setzen wir es nicht auf die Lister der Ziele, die man unbedingt gesehen haben muss.

 

Barbastro Creperie
Oder vielleicht doch: Die pikanten und süßen Crêpes (hier Ziegenkäse, karamellisierte Zwiebeln, Schinken und Balsamicosauce) der unscheinbaren Crêperie Dimas am südöstlichen Rand der überschaubaren Altstadt, sind eine kulinarische Offenbarung.

 

Gut gesättigt fahren wir zurück nach Bierge. Von dort wollen wir morgen zum sehnsüchtig erwarteten Wander-Highlight unserer Nordspanien-Rundreise starten: In die Schlucht von Mont-Rebei.

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner