Nordspaniens Wüste und Königsstadt: Von Pamplona über die Bardenas Reales nach Olite

Nur eine gute Autostunde von Pamplona entfernt liegt die Wüstenlandschaft der Bardenas Reales mit ihren surreal anmutenden Sandsteinformationen. Die ehemalige Königsstadt Olite bezaubert mit entspanntem Ambiente und ein klein wenig Disneyland-Charme.

Der zweite Tag unserer Nordspanien-Rundreise führt uns aus der lebhaften Innenstadt von Pamplona direkt in die Wüste. Oder sagen wir: Fast direkt. Ein heftiger Regenguss animiert uns zu einem Umweg über Tudela. Das erweist sich als Glücksfall, denn in der Touristeninformation erfahren wir, dass der Naturpark der Bardenas Reales wegen einer Militärübung ausnahmsweise erst nachmittags öffnet.

 

Tudela
Tudela ist mit knapp 40.000 Einwohnern nach Pamplona die zweitgrößte Stadt Navarrras und das Zentrum des Weinanbaus in der Region. Sehenswert sind der große Hauptplatz Plaza de los Fueros, der zwischen 1687 und 1691 angelegt wurde, um Stierkämpfe abhalten zu können. Wer genauer hinsieht, kann an einigen Fassaden Keramiken mit Stierkampfszenen entdecken.

 

Tudela, Christusstatue
Die gut zwanzig Meter hohe Christusstatue auf dem Cerro de Santa Bárbara im Norden Tudelas ist weithin sichtbar und ein Wahrzeichen der Stadt. Auf dem Hügel lag die ursprüngliche Siedlung, die im 8. Jh. von den Arabern befestigt wurde. Von 747 bis 929 n. Chr. war Tudela die Hauptstadt eines kleinen muslimischen Staates, der sowohl vom muslimischen Reich im Süden, als auch vom christlichen Königreich im Norden unabhängig war. Bis Anfang des 12. Jh. blieb Tudela muslimisch. 1119 wurde Tudela unter christliche Herrschaft gestellt. Lange lebten Christen, Juden und Muslime friedlich zusammen – einzigartig für die Region und die Zeit. 1498 mussten die Juden zum Christentum konvertieren oder die Stadt verlassen. Auch die zum katholischen Glauben konvertierten Mauren („Morisken“) wurden vertrieben.

 

Kathedrale von Tudela
Die Kathedrale von Tudela zeugt von der langen christlichen Geschichte der Stadt: Im 11. Jh. wurde an der Stelle der ehemaligen Moschee eine romanische Kirche errichtet. Nach steten Um- und Weiterbauten bis 1783 präsentiert die Kathedrale heute einen Stilmix verschiedener Epochen: Romanik, Gotik, Renaissance, Manierismus und Barock.

 

Westportal Kathedrale Tudela, jüngstes Gericht
Rädern, ertränken, verbrennen: Das Westportel der Kathedrale beeindruckt mit Szenen des jüngsten Gerichts. An der Fassade finden sich außerdem auffallend vielen Motive, in denen das ausschweifende, unkeusche Leben dargestellt wird, das nach mittelalterlicher Moralvorstellung direkt zum ewigen Dasein in der Hölle führte.

Da wir noch etwas Zeit verplempern müssen, machen wir einen Abstecher nach Cascante. Die Kleinstadt mit ihren knapp viertausend Einwohnern präsentiert sich verschlafen – es ist Siesta, und bis auf  zwei, drei Touristen und ein paar Einheimische, die palavernd auf Bänken im Schatten sitzen, sehen wir niemanden. Immerhin finden wir eine offene Bar und ergattern Kaffee und süße Teilchen, mit denen wir uns auf den Weg zur Hauptsehenswürdigkeit machen: Der Basilika oben auf dem Berg.

 

Cascante, Basilika
Ein schattiger Arkadengang führt hoch zur Basilika Unserer Lieben Frau von Romero, die im 17. Jh. auf den Resten einer mittelalterlichen Kirche erbaut wurde, nachdem diese durch einen Brand zerstört wurde.

 

Cascante, Park
Die barocke Basilika ist vom Romero-Park umgeben. Zwischen mediterranen Hecken und unter hohen Kiefern lässt es sich herrlich entspannen (und natürlich den mitgebrachten Kaffee trinken, wenn die kleine Bar auf dem Hügel zu hat).

 

Cascante, Kirche Mariä Himmelfahrt
Vom Romero-Park hat man einen schönen Blick ins Umland und auf die Stadt. Die Basílica Nuestra Señora de la Asunción (Kirche Mariä Himmelfahrt) wurde zwischen 1527 und 1558 auf der alten Synagoge errichtet. 1940 wurde die Kirche bei einem Brand stark beschädigt – der dreischiffige Innenraum wurde unter Beibehaltung des ursprünglichen Renaissance-Stils neu errichtet.

 

Bardenas Reales, Caidas de La Negra
Von Cascante fahren wir nach Osten durch das Ebro-Tal in den südlichen Abschnitt der Bardenas Reales: die Caidas de La Negra. Hier ist der Boden dunkler und fruchtbarer als im (noch) trockeneren Norden – auch wenn die „schwarze Erde“ ist in unseren Augen ziemlich hell ist. Um das auszugleichen trage ich immerhin namensgebend Schwarz, was peinliche Turnübungen gleich ein bisschen stilvoller macht. Zumindest in meiner Wahrnehmung …

 

Bardenas Reales
Und dann sind wir endlich da, in einer Landschaft, die ich eher im Capitol Reef Nationalpark in Utah vermutet hätte, als in Europa. Inmitten der üppig bewaldeten und regenreichen Provinz Navarra wirkt die Halbwüste Bardenas Reales fast surreal. Kleinere Tafelberge umgeben ein zerfurchtes Plateau – gut zu sehen sind die Spuren, die Wind und Regen im weichen Sediment hinterlassen.

 

Bardenas Reales
Der nördliche Teil des rund 42.000 Hektar großen Naturpark, die Caidas de La Blanca, sind von Gips und Ton geprägt. Je nach Lichteinfall wirkt die Landschaft weiß oder gelb, mit Ansätzen von Rot. Wasserlöcher wie hier sind die Ausnahme und bei unserem Besuch dem Wolkenbruch vom Vormittag zu verdanken. Im Jahresmittel gibt es in den Bardenas Reales zwischen 400 und 500 mm Niederschlag, meist im Frühjahr und Herbst, für gewöhnlich sintflutartig, wodurch die Erosion vorangetrieben wird und wenig Wasser in den Boden einziehen kann. Auf diese Weise haben Wasser, Wind und Sonne die Landschaft über Millionen von Jahren geprägt.

 

Bardenas Reales
Die Trockenheit der Bardenas Reales ist auch dem kalten Nordostwind geschuldet, der fast konstant bläst. Die Temperaturunterschiede sind groß: Im Sommer klettert das Thermometer regelmäßig über vierzig Grad. Im Winter gibt es mehr als sechzig Mal Frost und manchmal auch Schnee.

 

Bardenas Reales
Am spektakulärsten präsentieren sich die Felsformationen der Bardenas Reales bei flach stehendem Spätnachmittag- oder Abendlicht. Bei unserem Besuch Mitte September schoben sich immer wieder Wolken vor die Sonne. Die Wartezeit haben wir mit einem Stehpicknick vom Autodach überbrückt – Bänkchen und Picknickplätze sind am Rundkurs eher Mangelware. Den ersten Sonnenstrahl haben auch andere für eine Fotopause genutzt: Mitten in unserer Aussicht. Tststs …

 

Bardenas Reales
Rund 700 km Rad- und Wanderwege durchziehen den Naturpark. Wer mit dem Auto anreist, hat weniger Möglichkeiten: Ein rund dreißig Kilometer langer Rundkurs führt einmal um das militärisch genutzte Sperrgebiet herum. Die Piste ist gut ausgebaut und auch für normale PKW gut befahrbar – nur bei einem Regenguss kann es schwierig werden. Etwa zwei Stunden sollte man für die Strecke einplanen, weil man leider an jeder Ecke aussteigen und gucken muss.

 

Castildetierra, Bardenas Reales
Der Castildetierra ist die bekannteste Felsformation im Naturpark. Dass es hier Dinosaurier gibt, ist nicht erstaunlich. Übrigens gab es hier auch schon Drachen: Ein Teil der Dreharbeiten für „Game of Thrones“ wurde in den Bardenas Reales gemacht. Auch in „The Counselor“ und „Die Welt ist nicht genug“ verschlug es die Filmemacher in die Halbwüste.

 

Castildetierra, Bardenas Reales
Jeder Topf hat einen Deckel, jede Felsnadel einen Kopf: Die Steine, die auf der Spitze vieler Felsnadeln thronen, werden „Cabezo“ (Kopf) genannt. Wie ein Regenschirm schützen sie das weiche Sedimentgestein darunter und bremsen damit die weitere Erosion durch das Wasser. Was bleibt ist der Wind, der die Nadeln Stück für Stück schlanker macht, so lange, bis sie brechen und der Cabezo herunterfällt.

 

Bardenas Reales
Die Bardenas Reales bestehen aus Sedimentgestein, das von Bächen und Flüssen der Pyrenäen hier abgelagert wurde, als es noch keinen Abfluss zum Meer gab. Erst sehr viel später gelang dem Ebro der Durchbruch zum Mittelmeer. Hier im Bild ein kleinerer Durchbruch: Ein Bachlauf hat einen natürlichen Steinbogen geschaffen.

 

Olite
Von den Bardenes Reales fahren wir nach Norden, zurück in Richtung Pamplona bis in die Kleinstadt Olite. Die ehemalige Residenz der Könige von Navarra verzaubert uns mit mittelalterlichen Gebäuden, charmanten Plätzen und einer Königsburg, die mit ihren schieferblauen Spitztürmen ein bisschen wie aus einem Disneyfilm wirkt.
Tipp: Hotel Merindad de Olite
Tipp: Hotel Merindad de Olite Das Hotel Merindad de Olite* ist in einem mittelalterlichen Gebäude in der Altstadt von Olite untergebracht. Das rustikale Ambiente besticht mit liebevoll gestalteten Details, und im hoteleigenen Restaurant gibt es sehr leckeres regionales Essen. Wir haben uns in einem Zimmer mit Blick auf das Pyrenäenvorland und die Burg von Olite sehr wohl gefühlt.
Olite, Königsburg
Anfang des 15. Jh. ließ König Carlos III einen königlichen Palast bauen, der bald zu seiner Lieblingsresidenz wurde. Der in Frankreich geborene Karl hatte ein Faible für Militär und Luxus – sein Palast wurde ebenso wehrhaft wie extravagant und luxuriös ausgestattet. Im Hof hielt der König Giraffen, Löwen und andere exotische Tiere. Während seiner Regierungszeit galt der Palast von Olite als einer der schönsten in Europa. Bereits 1512, mit der Einnahme Navarras, begann der Palast zu verfallen, im Lauf der Jahrhunderte wurde er geplündert und niedergebrannt. 1937 wurde mit einer umfassenden Restaurierung begonnen, die mehr als dreißig Jahre beanspruchte. Heute erstrahlt der Palast in neuem Glanz und beherbergt unter anderem ein Hotel und ein Museum. Eine Innenbesichtigung haben wir leider nicht geschafft, da wir erst kurz vor der Schließung in Olite ankamen.

 

Olite, San Pedro
Auch wenn der französisch-gotische Palast zweifelsohne die Hauptattraktion Olites ist, hat die Kleinstadt doch einiges mehr zu bieten. Am Rande der homogene Altstadt mit dem belebten Hauptplatz und den beschaulichen Gassen steht die älteste Kirche Olites: Die romanische Kirche San Pedro aus dem 12. Jh., zu der auch ein kleines Kloster gehört(e).

 

Hotel Merindad de Olite
In Olite gibt es zahlreiche Bars, einige gute Restaurants und schöne Hotels. Wir verbringen die zweite Nacht unserer Nordspanien-Rundreise im Merindad de Olite, einem ganz zauberhaften, rustikal eingerichteten Steingebäude. Neben vielen liebevoll gestalteten Details überzeugt uns auch das hervorragende Essen im hoteleigenen Restaurant.
Wetterleuchten
Satt und zufrieden verbringen wir den Rest des Abends am Zimmerfenster und genießen ein außergewöhnlich langes und intensives Wetterleuchten über den Ausläufern der Pyrenäen, bevor es am nächsten Tag unserer Nordspanien-Rundreise weiter nach Osten nach Ujué und das Castillo de Javier zu den Mallos de Agüero geht.
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